Nach langer Zeit wieder einmal unterwegs auf den Spuren meiner Vergangenheit. Streifzug entlang vergessener Uferwege – im fahlen Licht der frühen Morgenstunde. Ich habe mich lange darauf gefreut.Zaghafte Tritte durchs Unterholz lassen tote Zweige hoch springen. Verrottete breit getretene Colabüchse krallt sich leise scheppernd um den Absatz meines linken Turnschuhs.Der seichte Uferschlamm grünlich, voll Algen.
Plastiktüten und leere Zigarettenschachteln wiegen sich im leise Wellen schlagenden Ausläufer des ehemals idyllischen Sees meiner Kindheit. Ein alter aufgeklappter brauner Koffer mit kariertem Innenleben trudelt vorbei, eine rostige Fahrradstange ohne Klingel hat es sich in ihm bequem gemacht. Idylle pur. Unter der immer noch stattlichen Weide am früher mal lauschigen Uferplätzchen vier Rotweinflaschen mit abgebrochenen Hälsen, benutzte Wegwerfbestecke, leere Chiptüten. Breit getretene Papierservietten zerfließen rosa. Ein Satz Plastikbecher, noch gestapelt. Da hat eine jugendliche Gruppe das bestandene Abitur gefeiert, hört man. Nach ihnen die Sintflut. Ist ja nicht strafbar. Moderne Zeiten. Was soll’s. Es lebe die Freiheit des Individuums.
Vor sehr langer Zeit habe ich an dieser Uferstelle mit meinem Vater selbstgefaltete Papierschiffchen schwimmen lassen. Im sichtbar sauberen Wasser. Man verklärt Erinnerungen, ich weiß es doch. Aber lügen denn alle Bilder, die wir im Kopf haben?
Moderne Zeiten
von Marie Mehrfeld
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