Scheintot

Bild zeigt Soléa P.
von Soléa P.

Kühl ist es im Leichenhaus,
funzeliges Licht leuchtet aus.
Blumen prangen prächtig in Schalen,
ins Kondolenzbuch kann sich jeder eintragen.

Drei Kammern – eine davon belegt.
Frage mich, warum mein Name dort steht?
Vor der Scheibe am kleinen Pult,
habe Angst – es regt sich Tumult,
um hier zu sein, gibt’s absolut keinen Grund.

Ich lebe – bin ja schließlich nicht tot,
vor lauter Angst mir Luftnot droht.
Panik macht sich in mir breit,
beginne zu schwitzen, es löst sich ein Schrei …

Ich liege im Sarg – aufgebahrt,
die Hände, gefaltet, akkurat.
Leuchter stehen neben mir,
die Wand mit einem Kreuz verziert.
Es riecht nach Ende und frischem Rauch,
ein Windzug blies gerade die Kerzen aus …

Das alles nehme ich um mich wahr,
auch ein paar Menschen waren da.
Sie weinten und sie beteten,
ich dachte nur „was fehlt ihnen denn“,
dass sie, so zerstört, am Boden sind –
erkannte nicht den Sinn …

Erst jetzt, wo mir's im Hemdchen zu frisch
und ich mir über die Augen wisch',
verstehe nun, was geschah,
ich liege unbegründet, gebettet da …

Raffe mich aus der Holzkiste auf,
kein Lebender hält es hier länger aus.
Zwei Leutchen vor mir sind arg entsetzt.
Mund und Augen stehen fest,
doch ich bin freundlich und sage Tschüss,
alles Gute und seid gegrüßt …

Gedichtform: 
Noch mehr von der Persönlichkeit → Soléa P.