Mea Culpa

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von Marie Mehrfeld

Hör zu, behalt deine Angst bei dir, hab selbst genug davon, meine lungert im alten Koffer neben Oma Lisas nackter Babypuppe, ja, mea maxima culpa, lang lang ist’s her, er ist ja wieder dran, der Kopf, und die Augen schließen sich im Liegen, hoch soll’n sie leben, deine geschickten Hände, nun liegt sie vor mir, als wäre nichts gewesen,

was, wenn er mich nicht geschlagen hätte mit dem Rohrstock und eingesperrt damals im halbdunklen Dachboden, zwei Stunden lang, wie am Spieß gebrüllt und gefürchtet hab ich mich und meine Wut an ihr ausgelassen, war sonst niemand da außer den eingestaubten Stühlen, dem zerdepperten Geschirr und der fetten Spinne mit ihren Netzen, du hast Sorgen, sagtest du neulich zu mir, meiner hat mich auch verdroschen, mit der Peitsche tut’s weher,

ist sie heilbar, die Furcht, diese mäandernde graugrüne Qualle, die mir nachts die Luft nimmt, der olle Max Müller von nebenan hat sich viel zu viel Sand vor die Tür gekarrt, sag mal, was macht der damit, und das Amselmännchen von neulich sitzt wieder auf der Balkonbrüstung und tschilpt traurig, hat kein Weibchen gefunden im Frühjahr,

so schlammig schlampig, meine Gedanken heute, ruf endlich an, du Döskopp, warten liegt mir nicht, und ich mag dich ja eigentlich. Halte das verblichene Schwarzweißfoto mit dem gezackten weißen Rand in der Hand, geht nur mich etwas an, dass es mein Vater ist, der mit Hut und Wintermantel und schiefem Grinsen und forschen Augen hinter rundem Brillchen,

ob ich ihn hasse wegen damals, ob ich ihn dennoch vermisse, wie du deinen, würdest du mich jetzt fragen, nach so langer Zeit nicht mehr, meinst du? Keine Ahnung hast du, und ich auch nicht, es ist mal so, mal so, von Schuld keine Rede mehr, hab auch nicht alles perfekt gemacht, noch immer kein Anruf von dir, kannst mich mal sagt man nicht, weiß ich doch, geh jetzt allein ins Kino, selber Schuld, du, ja, du, dieses Mal nicht ich.

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