Jegliche Welt

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von Heide Nöchel (noé)

Wir saßen und hielten uns an den Händen,
wie die einsame Nacht, dunkel und leer.
Verzweiflung kletterte hoch an den Wänden
aus Glas oder Eis, rings um uns her.
Wir sahen hindurch, doch die Welt war weit,
als lebten wir zu einer anderen Zeit.

Wir sahen, wie Menschen sich liebten und lachten,
so unbeschwert, in den Tag hinein,
unbelastet, sich keine Sorgen machten –
diese Welt konnte nicht unsere sein.
Wir gehörten zu jenen, die weiter sahen,
das Unglück, die Flut, uns verschlingend, sich nahen.

Bis zum letzten Moment hielten wir unsere Hände,
die Augen schreckoffen, aneinander gedrängt.
Bis zuletzt hofften wir auf den Ruck, auf die Wende,
die auch anderen eine Erkenntnis schenkt …
Wir ahnten den süßen Verwesungsgestank
und sahen, wie jegliche Welt versank.

© noé/2019

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