Das alte Chaiselongue

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Das alte Chaiselongue
unter der Dachschräge
in der Wohnküche:
mein warmes Bettchen.

Wenn starker Sturm
um das Haus und die
Kastanienbäume fegte,
die neben der Auffahrt
wuchsen, und mit den Zweigen
Roulette auf dem uralten Dach spielte,
das mehr als lückenhaft war,
dann fühlte man sich geborgen
zwischen Kissen und Decken
und lauschte mit einer Mischung
aus Wohlbehagen und Bangen
dem Geheul des Sturms
und dem Klappern der
alten roten Ziegel.

Aber wenn dann noch
wie aus Wannen geschüttet
Regen vom Himmel fiel
und sich den Weg durch
den Dachstuhl bahnte,
tropfte das Wasser durch
die Zimmerdecke auf
meine Stirn und taufte mich.

An anderen Tagen
schlief man leichter ein:
das dicke Märchenbuch
an die feuchte kalte Wand gepresst,
in Gedanken an Aschenbrödel
und Allerleirauh.

Jahre später erwachte man
im frühen Morgenlicht
mit dem Hahnenschrei,
erhob sich vom Bettlager
und erblickte den Elbefluss,
darauf durch das Spiegelbild
der Sonne die Christliche Seefahrt glitt.

Unvergesslich werden bleiben
die grünen Wiesen
mit Huflattisch und Klee.

Heute, umgeben von Häusern
und Geschäften, sehnt man sich
bisweilen zurück nach den alten Zeiten,
in denen nicht nur reichen Leuten
der Blick auf Landschaften
vergönnt war.

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