Hell klang es gen Mitternacht zu mir her ...
Er, ein schwarzer Sklave, sang Davids Psalm -
kniend - zwischen Stein und Halm,
sang vom Sieg Israels, sang inhaltsschwer,
sang von Zion, hell und – frei.
In jener Stunde, als die Nacht am verschwiegensten war,
sang er hebräische Psalmen aus dem jüdischen Kanon.
Sang mit einer Stimme, so süß und so klar:
Ich konnte nicht anders als ihm zu lauschen im Pavillion.
Seine Lieder erzählten vom Triumph -
davon einst die schwarzen Ägypter sangen ...
als vor der Küste am Roten Meer,
der schreckliche Pharao und sein Heer
erfolglos mit dem Tode rangen.
Seine Stimme klang gottergeben, hingebungsvoll,
erfüllte meine Seele mit einem feierlichen Gefühl.
Mal klang sie froh, dann wieder traurig, wild und toll,
mal ernst, mal heiter, mal süß und mal schwül.
Er sang von Paulus und Silas, zwei Missionare, unfrei ...
Im Gefängnis priesen sie den auferstandenen Lord -
bis Gott ein Erdbeben schickte an jenen Ort,
das die Riegel ihres Kerkertors brach entzwei.
„Aber ach, welch' heiliger Engel, my sweet Lord,
würd' uns Sklaven schicken des Evangelisten Wort ...
Und welches Erdbeben bekäme es wohl vollbracht,
dass u n s e r Kerker sich öffnet um Mitternacht ...?“
Übersetzung des Gedichts "The slave singing at Midnight" von Henry W. Longfellow; Henry Wadsworth Longfellow (geboren am 27. Februar 1807 in Portland, Massachusetts, heute Maine; gestorben am 24. März 1882 in Cambridge, Massachusetts) war ein amerikanischer Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer und Dramatiker. Das Gedicht greift biblische Themen auf: 1. Durchzug durchs Rote Meer: Mit Gottes Hilfe teilt Moses das Rote Meer; die Israeliten ziehen auf trockenem Land hindurch. Der grausame Pharao folgt ihnen, aber Jehova vernichtet ihn und seine Armee; sie ertrinken. 2. Paulus und Silas im Gefängnis: Das Erdbeben sprengte den Riegel ihres Kerker, aber sie flohen nicht ... sie waren schon im Gefängnis ... frei!