Agathe – in herbstliche Gruft gefallen ...

Bild von Annelie Kelch
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Unter der siderischen Braue des Himmels führt der
Herbst seine Oper auf: Webers Freischütz! –
Kalt heult der Wind … kalt heult und pfeift der Wind
Durch die Kronen der Bäume, von Sehnsucht nach
hohen Wellen getrieben, und auf der Bühne des Tages
Schwankt die Kulisse, bebt der Jagdgesang,
Zittern die Hörner: Trara, so blasen die Jäger!

Das Meer ward zum Aug mir, darin kein Gefühl länger
Zur Ruhe kommt. An den Ufern der Schwermut welken
Die Rosen, indes gen Mitternacht Blüten des Wahnsinns
der Wolfsschlucht unverdiente Schönheit verleihen.
Auf den Krücken des alt gewordenen Jahres schreitet nur
Mühsam die Stunde voran. Mein Lieb hat die Unglückskugeln
Gegossen, vom Freund, der ihm feindlich gesinnt, gedrängt
Zum entscheidenden Schuss.

An der Mauer der Nacht, die über mich wacht,
Wird zerschellen dein Traumschiff, sprichst du beim
Leichenschmaus die erste Lüge aus; denn scharf ist
Die Schere, damit du mein Leben umreißt. Und wie
Tropfen bitteren Honigs fällt erster Schnee auf mein Grab.

Wahrheit? – Ist oft nur ein Gefühl wie die Lüge, mein Lieb.
Lass stecken den Eid, den du leisten willst.
Lang schon verspüre ich Nachtwind, lang schon gurrt mir
Die weiße Taube das Lied vom schwarzen Tod ins Ohr.

Der Probeschuss meines Liebsten traf mich dort, wohin
Samiel ihn gelenkt hat: mitten ins Herz. Nimmer stand
Er im Bund mit dem Teufel, er ist es höchstselbst.
Für immer erloschen ist die Stunde der Hoffnung;
Mein Schatten liegt neben mir und bewacht mein Gebein.

Ich häute mich schon, mein Lieb, mir wächsern die Finger
Durch den Sarg für die kleine Kerze rot … Die hol ich mir
Ins Grab und denke dein, der mich hat sinken lassen
In die Gruft des Herbstes – tiefer & tiefer.

O Liebe, die mich peinigt,
O Nacht, die ihre schwarze Blüte öffnet.

Der Freischütz, so heißt eine Oper von Carl Maria von Weber, Inhalt:
Der Jägerbursche Max, der die Försterstochter Agathe liebt, muss vor der Heirat mit einem Probeschuss seine Treffsicherheit beweisen. Max, dem die Zielsicherheit abhanden gekommen ist, hat Angst vor dieser Prüfung. Kaspar, ein anderer Jägerbursche, der Max hasst und beneidet, will ihm schaden. Er verspricht Max, ihm eine Kugel verschaffen zu können, die mit Sicherheit ins Ziel trifft. Dazu soll Max um Mitternacht in die berüchtigte Wolfsschlucht kommen. Es geht die Mär um, dass in der Wolfsschlucht um Mitternacht gegossene Kugeln verzaubert sind und sechs davon genau in das gewünschte Ziel treffen, die siebte jedoch vom Teufel gelenkt wird. Während Agathe am Vorabend der Hochzeit ängstlich auf Max wartet, begibt der sich in die Wolfsschlucht und gießt mit Kaspar zusammen die sieben Kugeln. Kaspar ruft dazu Samiel, den schwarzen Jäger an, der eigentlich der Teufel ist und verspricht ihm die Seele von Max. Dann bekommt Max vier Kugeln, drei behält Kaspar zurück.
In der Nacht träumt Agathe, sie wäre eine Taube und Max würde auf sie schießen. Am nächsten Morgen überreicht ihr die Brautjungfer versehentlich eine Totenkrone anstatt des Brautkranzes. Durch diese bösen Omen zutiefst erschreckt, besteht Agathes letzte Hoffnung, das bevorstehende Unglück noch abwenden zu können, in einem Kranz aus den weißen Rosen, die ein Eremit ihr gab.
Am Tag der Probeschuss-Feier kommt der Landesfürst Ottokar zum Zuschauen und bestimmt als Ziel des Probeschusses ausgerechnet eine weiße Taube. Agathe, voller Entsetzen, läuft Max in die Schusslinie. Die Taube fliegt weg, Agathe stürzt zu Boden und auch Kaspar fällt. Es stellt sich heraus, dass er vom Schuss, den der Teufel gelenkt hat, der jedoch vom heiligen Eremiten umgelenkt wurde, tödlich getroffen wurde und Agathe unverletzt geblieben ist. Sie wähnt sich jedoch im Grab und singt eine Arie des Inhalts, daraus mein Gedicht besteht.
In der Oper jedoch sinkt sie vor Schreck nur zu Boden. Max gesteht, dass er mit Kaspar Freikugeln gegossen hat. Fürst Ottokar will ihn bestrafen und die Heirat mit Agathe verbieten, aber der Eremit und das ganze Volk setzen sich für die Liebenden ein und das Urteil wird umgewandelt. Max muss ein Probejahr bestehen und darf, falls er sich bewährt, Agathe dann heiraten. Der Probeschuss jedoch wird für alle Zeiten abgeschafft.

„Der Freischütz" ist das berühmteste Werk des Carl Maria von Weber. Es handelt sich hierbei um eine frühromantische Oper; sie entstand um 1810. Ich habe eine Zusammenfassung der Oper, die ich im Internet fand, stark gekürzt und leicht verändert. Diese Zusammenfassung steht u.a. auch SchülerInnen zur freien Verfügung.

Interne Verweise

Kommentare

28. Okt 2018

Lieber Herr Ismael, ich bedanke mich mit einer Verbeugung - und der Vorhang fällt. Lieben Dank für Ihren lobenden Kommentar.

Grüße & Ahoi (:- )),
Annelie

28. Okt 2018

Beeindruckende Verse, aussage- u. bildmächtig. Auch wenn ich nicht alles auszulegen vermag, so lasse ich mich auch hier wieder gern auf diese Einmaligkeit , diesen Zauber Deiner Sprache ein. Sei herzlichst gegrüßt, liebe Annelie, von Ingeborg

28. Okt 2018

Liebe Ingeborg, ganz herzlich danke ich Dir für Deinen lobenden Kommentar. Zum besseren Verständnis: Ich habe die Oper ein ganz klein wenig erweitert ... um eine Arie, die Agathe singt, singen soll - nachdem sie aufgrund des Probeschusses ihres Liebsten dahingesunken ist und sich im Jenseits vermutet. Alles vereint sich in ihren Gedanken, die ihr durch den Kopf schießen: Ihr Liebster hat sie erschossen, weshalb ... ? Sie prüft ihn, sie prüft ihr Gewissen, sie prüft die ganze Welt. Davon erzählt diese Arie. Sofern Dir noch irgendetwas unklar sein sollte, antworte ich Dir ganz lieb.

Herzliche Sonntagsgrüße an Dich,
Annelie

28. Okt 2018

>…..Nimmer stand
Er im Bund mit dem Teufel, er ist es höchstselbst.<
Dies trifft den Kern der poetischen Darbietung, die uns Anne Lie auf wundervolle Art bereitet und ist auf heutige Vorkommnisse übertragbar. Mir gefällt Dein Talent, verschiedene Kunstformen in Poesie zu verwandeln. Das hat einen Zauber. Danke, liebe Annelie.

Mit besten Wünschen und Grüßen,
Monika + Khalessi

28. Okt 2018

Liebe Moni, liebe Khalessi, ich freue mich, dass euch meine Arie gefallen hat. Sollte ich den Text einmal in Reime pressen, muss ihn Nadja Müller singen, Mezzosopranistin. ... auf heutige Vorkommnisse übertragbar ... hm. In Deutschland, Moni? Da überfällt mich ein kalter Schauer ... Gewiss, es gibt Länder, Gegenden, wo noch Probeschüsse, Mutproben etc. an der Tagesordnung sind, wohl auch bei der Mafia, die sich ja auch hier ausbreitet. Möglicherweise soll damit unser Land bunter gestaltet werden, wer weiß ... Gerne, liebe Moni, liebe Khalessi, habe ich mir letzte Nacht - allein für euer tolles Lob - ein, zwei Stunden um die Ohren geschlagen. Man konnte ja eh länger schlafen wegen der Zeitumstellung, aber die Glocken der benachbarten Kirche hatten die Güte, mich recht früh zu wecken - trotz Ohropax.

Ich wünsche euch beiden noch einen schönen Sonntag
und sende euch liebe Grüße,
Annelie

28. Okt 2018

Ein weiteres starkes Annelie Gedicht, Worte, die wilde Bilder kreieren, ein zerschellendes Traumschiff, Nacht, die ihre schwarzen Blüten öffnet, die Oper „Freischütz“ aber liegt mir bis heute nicht, ihre eventuelle Schönheit wurde mir vor langer Zeit als Schülerin im Unterricht durch ständiges Wiederkäuen des Textes und der Musik ausgetrieben …

liebe Sonntagsgrüße zu Dir - Marie

28. Okt 2018

Liebe Marie, danke für Deinen Kommentar. Ich mag eigentlich überhaupt keine Opern, insbesondere die textlichen Inhalte nicht, aber mich fasziniert in manchen Stücken die Musik, der Gesang, sofern man ihn einigermaßen verstehen kann, die Dramatik und die Kostüme. Manche Aufführungen haben was. Mich interessiert auch, wie die Gefühle der Protagonisten rübergebracht werden. Nadja Müller, Mezzosopranistin, die oft Lieder und Arien bei Angélique einstellt, singt sehr deutlich und schön und sieht dabei noch umwerfend gut aus. Maria Callas höre ich ab und an auch gerne singen. Wir haben den "Freischütz" auch durchgenommen; aber ich erinnere mich, dass weniger der Text angesprochen wurde, sondern das Augenmerk mehr auf die Musik gelegt wurde. Das hat die Oper wohl für mich gerettet, da mich das Mystische im Text nicht sonderlich angesprochen hätte.

Liebe Sonntagsgrüße und ruh Dich gut aus,
Annelie

28. Okt 2018

Annelie, was du schon in die erste Zeile gelegt und auferrichtet, quasi anneliekelchiert hast:
"Unter der siderischen Braue des Himmels",
oder dann der " Wind, von Sehnsucht nach
hohen Wellen getrieben",
und und und (ich kann ja nicht dein ganzes Gedicht wiederholen)...
Danke für deine Gedichte.

Und diese romantische Oper hab ich schon als großes Kind, heißt ca. mit 20, geliebt.
LG Uwe

28. Okt 2018

Danke, lieber Uwe, für Deinen lobenden Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe. Schon mit 20 Jahren Opernliebhaber gewesen zu sein, das ist beeindruckend. Gewiss bist Du erblich vorbelastet. Meine Eltern sahen, als ich noch ein Kind war, jeden Monat eine Sendung im Fernsehen, die klassische Musik, Arien, Operetten, Lieder am laufenden Band brachte: schöne Stimmen halt, weil sie selbst sehr gut singen konnten, ganz besonders mein Vater. Ich habe meistens mitgeschaut, daher habe ich eine leise Ahnung und interessiere mich für dieses Genre. Ich mag solche Stimmen. Für mich sind sie eine besondere Gabe.

LG Annelie

28. Okt 2018

Auf die herrliche Idee, eine Oper in ein Gedicht zu überführen, kann nur eine Anne Li kommen - und dann auch noch mit solch überzeugender Bild- und Wortgewalt - diese Arie sollte Agathe wirklich singen!! LG Yvonne

28. Okt 2018

Oh ja, danke, liebe Yvonne ... falls irgendwer die Musik dazu schreibt, wozu ich leider nicht fähig bin. Mir kam die Idee, als ich eine Oper in meinem Musikbuch suchte, die in irgendeiner Form mit dem Herbst zu tun hat. "Der Freischütz" fiel mir gleich ins Auge - und ich erinnerte mich plötzlich - nach so langer Zeit - an den Unterricht in der Schule, als uns diese Oper vorgestellt wurde: Jägerchöre und Hörnerklang - gewaltig, laut - ehrlich gesagt, das einzige Musikwerk dieser Art, an das ich mich neben Beethoven, Verdi, Wagner und Puccini noch erinnere. Ach ja, ... und an "Die Moldau", die ich sehr geliebt habe.

LG Annelie

29. Okt 2018

O ja, „Der Freischütz“ hab ich (nicht) gut in Erinnerung und war scheinbar Pflicht an jeder Schule zu unterrichten. Auch bei uns lag der Fokus auf Text und Inhalt, weniger auf dem drum herum. Er bescherte mir aber meinen ersten Theaterbesuch, der mir, trotz musikalischer und gesanglicher Begleitung nur wenig Freude brachte, dann ziehe ich Konzert oder Musical und auch dein Gedicht, liebe Annelie, doch vor …

Viele Grüße
Soléa

29. Okt 2018

Liebe Soléa, mit großem Interesse habe ich Deinen Kommentar gelesen. Lieben Dank. Mich hat auch die Person des Carl Maria von Weber interessiert: Sein Vater, ein Musikkdirektor, wollte ihn zum zweiten Mozart machen, und tatsächlich weist "Der Freischütz" in vielerlei Hinsicht (musiktechnisch) Ähnlichkeiten mit der Zauberflöte auf. Von Weber ist im gleichen Alter wie Mozart und Schubert (39 Jahre) an Tuberkulose gestorben. Obwohl er mit dem Freischütz einen sensationellen Erfolg verbuchen konnte, blieb er Zeit seines Lebens ein "armer Schlucker". - Er wuchs als Theaterkind auf und ist mit der Truppe seines Vaters, ein dubioser Charakter, Ex-Offizier, ehrgeizig, adlig wurde er von eigenen Gnaden, haltlos, unstet und dunklen Geschäften nicht abgeneigt, durch ganz Deutschland gereist: armer Carl Maria. Hab einen schönen Tag heut und sei dem armen Kerl nicht bös wegen seines opulenten Werkes.

Liebe Grüße,
Annelie

31. Okt 2018

Hallo Annelie,

ich befürchte dieses Bild

"Ich häute mich schon, mein Lieb, mir wächsern die Finger
Durch den Sarg für die kleine Kerze rot … Die hol ich mir"

wird an Allerheiligen in meinem Kopf kreisen.

Zum Glück war es ja nur eine Fiktion und das Traumschiff darf weitersegeln.

LG
Manfred

31. Okt 2018

Hallo Manfred, Dein Kommentar hat mir sehr gut gefallen, und ich bedanke mich herzlich dafür. Dieses Bild, das ich der Agathe zugeeignet habe, ist mir das liebste im ganzen Gedicht. Die Oper geht ja gut aus: Agathe erwacht aus der Totenstarre - und ja, sie darf weitersegeln.

LG Annelie

31. Okt 2018

Wow! Wie Wort-und Bildgewaltig!
Beeindruckend, liebe Annelie!
Sehr beeindruckend! :)

Herzliche Grüße,
Ella

01. Nov 2018

Liebe Ella, herzlichen Dank für Dein großes Lob, das, wie immer, so lieb daherkommt und macht, dass man vor Freude hüpfen könnte.

Liebe Grüße zu Dir,
Annelie