Judengasse

Bild von Carl Stern s.A.
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Über engen, saub´ren Gassen
ruht das große, reine Schweigen,
wie ein stilles Sinkenlassen,
wie ein demütig Sich-neigen
vor noch unerfüllter Schau.

Klare Fensteraugen weiten
ihres Dunkels sanfte Tiefen;
träumen in noch ferne Zeiten
- als ob sie im Zauber schliefen -
Träume, die einst wach sie riefen
aus bedeutungslosem Grau.

Aus Gewölbeläden heben
daseinsfremden Blick Gestalten;
im zerfurchten Antlitz Falten
kostbar aufbewahrt sie halten.
Sie, die Alten, wissen vom Uralten,
das sie sorgsam hütend weitergeben.

Wenn sie wandeln, wandeln durch die Straßen,
langsam und mit Schritten einer Ewigkeit
stille steht, gewichtlos, jede Zeit.
Und es sinkt in Haus und Giebel und die Gassen
Gottes gnadenvoller Schein, - wird Wirklichkeit.

Alles Leben wird ein Vorwärtsschreiten
nach den nahen, nicht mehr weiten,
bald schon kommenden Messiaszeiten,
dem wie Teppiche sie breiten und bereiten
ihres übergroßen Wartens Heiligkeit ...

Veröffentlicht / Quelle: 
Bilder und Landschaften; ISBN 3-923809-03-4

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