Sucht ein Jeder sich in dem Anderen nicht?

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Ja, ich spür’, dass ich bin, und mein Leben hat Sinn;
doch frag’ ich auch - wer? Wo komme ich her,
wo will ich nur hin, was bringt mir Gewinn?

Ist das Dasein nur Schmach? Gibt’s ein Leben danach?
Kann es sein, ich gehör’ nicht in diese Zeit?
Bin ich ein Relikt der Vergangenheit?

Wenn du schliefst, war ich wach, war ich stark und du schwach;
wachtest du, fand’ ich Ruh, denn ich wusste, dass du
mich beschützt, wenn es donnert, wenn’s blitzt;

meine Seele, sie zittert, wenn’s stürmt und gewittert –
denn der Donner weckt Ängste, tief innen versteckt,
das habe ich schon, als ich Kind war, entdeckt;

und dann dankte ich dir, dass du neben mir gehst
und mich hörst und verstehst;

wer bin ICH, frugst selbst du, s’ließ auch dir keine Ruh’;
wurden Ziele verfehlt, ist’s die Liebe, die zählt,
wann stirbst du und wann ich? Wir wussten es nicht;

und fragten doch weiter, ganz unbeirrt,
wie bleiben wir heiter, wird’s hell, wenn man stirbt?

Mein Herz ist so voll, der Kopf so leer,
mir fehlt das gemeinsame Wandern so sehr,

ich spüre die Wand und kann nichts begründen,
mir fehlt deine Hand, um Hoffnung zu finden;

Konturen verschwimmen, die Bilder verblassen,
ich kann nichts bestimmen, sollt’s Denken sein lassen;

nur im Traum kann ich siegen, nur im Traum auch weit fliegen,
über Täler und Höhen –

doch ich werd nie mehr sehen -
wie das golden dämmernde Morgenlicht
sich widerspiegelt’ in deinem Gesicht …

sucht ein Jeder sich in dem Anderen nicht?

Die blaue Blume war nicht auffindbar –
und zu viele Zäune unüberwindbar:
und dennoch war’s gut, wir taten’s mit Mut;

und selbst, wenn ich wüsst’, wer ich bin und wohin
und am End’ auch woher –

könnt’s nicht sein, dass ich dann tief unglücklich wär’?

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Kommentare

06. Feb 2021

Hallo Marie,
ich denke, jeder der liebt sucht sich auch im anderen, der eine findet Erfüllung, der andere verliert sich vielleicht.
Wirklich weiter lebt die Liebe -mal mehr, mal weniger- in den Kindern.
Gern hineingespürt und LG
Manfred

07. Feb 2021

Ich stimme überein mit Dir, Manfred, man sucht das Elixier Liebe auch beim Sichspiegeln im geliebten Gegenüber - und kann sich dabei auch selbst verlieren, das habe ich erfahren; und ich meine wie Du, Liebe begegnet uns besonders unverfälscht in den neugierig und unschuldig staunenden Augen der Kinder.

LG Marie

06. Feb 2021

Solang man solche Fragen stellt,
Bleibt man ein starkes Teil der Welt!

LG Axel

07. Feb 2021

Man fragt, worauf sich Leben gründet –
des Nachts, wenn man den Schlaf nicht findet.

Liebe Grüße mit Dank zurück zu Dir -Marie

06. Feb 2021

Liebe Marie,

auch in Deinen Fragen finde ich mich,
ich suche Antworten genauso wie Du,
mein Herz ist voll, trotzdem vermisse ich,
verwandte Seele für die innre Ruh.

LG Thomas

07. Feb 2021

Danke, Thomas.
Die Verzweiflung ist es, der Schmerz, den man spürt,
wenn man den Seelenverwandten verliert;
doch das Hoffen, es geht nie ganz verloren –
nach einiger Zeit wird es wieder geboren …

LG Marie

06. Feb 2021

Liebe Marie,
die Fragen, die Du stellst sind tiefgründig und beschäftigen viele Herzen.
Es heißt, wer die Antworten findet, findet gleichsam auch Seelenfrieden, ist versöhnt mit sich und der Welt, wird gespeist durch die helle Freude der Glückselichkeit, ist Liebe in jeder Zelle seines Seins, bleibt gewahr, achtsam und frei von der Angst vor dem Tod.
Es gibt Menschen, die finden dies erstebenswert, doch den wenigsten wird diese Gnade gewährt.
Wie schade! Die Welt wäre sicher eine bessere.

Herzlich Grüße zu Dir,
Ella

07. Feb 2021

Danke für Deine weise Antwort, liebe Ella; ja, Versöhnung auch mit sich selbst (und der Welt) sollte nicht nur im höheren Alter ein vorrangiges Anliegen sein, kann inneren Frieden bringen. Je mehr Menschen das gelänge, desto besser könnte die Welt sein. Leider bleibt dieser Wunsch immer wieder im Konjunktiv stecken … uns bleibt die Hoffnung.

Sei lieb zurück gegrüßt - Marie

06. Feb 2021

Hallo Marie
Bereits der Titel erinnerte mich sofort an ein Zitat von Pessoa. Ich war etwas schockiert, als ich es zum ersten Mal las. Dass wir am Ende niemanden wirklich lieben, sondern nur eine Vorstellung, die wir von uns auf den anderen projizieren, d.h. letzten Endes uns selbst, Teil des angeblichen Spiegelbildes, welches wir gern sehen würden. Als absolute Wahrheit habe ich es für mich verworfen, auch ein Pessoa kann sich irren. Andererseits hat die Aussage etwas, nicht umsonst verliebt sich der Mann mittleren Alters gern in jüngere Frauen. Kein Verdacht anderer Natur, er verliebt sich WIRKLICH. Verfluchte Hormone ...

LG
Dirk

07. Feb 2021

Hallo, Dirk: „Das gesamte Leben der menschlichen Seele ist eine Bewegung im Schatten. Wir leben in einem Zwielicht des Bewusstseins, uns nie dessen sicher, was wir sind, oder dessen, was wir zu sein glauben.“ Meinst Du dieses Pessoa Zitat? Es würde passen. Ich werde mich ausführlicher mit seinem Werk befassen, scheint sich zu lohnen. Ältere Männer verlieben sich gerne in jüngere Frauen? Das stimmt, hat wohl mit Spiegelung und auch männlichen Hormonen zu tun. Geht aber oft längerfristig schief, kann tragisch enden für den Mann, wie ich beobachtet habe. Das ist aber ein anderes Thema. Und das mit der absoluten Wahrheit – gibt es die überhaupt? Danke für den anregenden Austausch!

LG Marie

08. Feb 2021

Hallo Marie
Auch ein gutes und passend, aber ich meinte dieses:

Wir lieben niemals irgendjemanden. Wir lieben ganz allein die Vorstellung, die wir uns von jemandem machen. Unsere eigene Meinung - letztlich also uns selbst - lieben wir

Wie gesagt, ich stimme dem nicht vollständig zu. Genau genommen meinte er wohl, das Bild, das wir uns von uns selbst im anderen machen (der andere gewissermaßen als Spiegel), so wie wir vom anderen gesehen werden wollen.

LG
Dirk

10. Feb 2021

Von Geburt an versuchen wir, uns in den Augen des uns am nächsten stehenden Wesens, meistens der Mutter, zu spiegeln und damit uns selbst zu bestätigen. Ohne diese Spiegelung von Anfang an fühlen wir uns emotional alleingelassen und gefährdet. Liebe weitergeben können wir nur, wenn wir gelernt haben, uns selbst so anzunehmen, wie wir sind. Das fiel mir noch ein zu unserem interessanten Austausch, lieber Dirk.

Marie

07. Feb 2021

Fragen tragen das Leben und dessen Sinn, bestimmt.
Kommt dann noch Gefühl mit ins Spiel, wird's im Guten, auch schlechten oft zu viel.
Auch Denken, Ahnen und Wissen, lassen so oft Beweise vermissen
und das nicht greifbare bleibt weiter zerrissen …

Sei herzlich gegrüßt, liebe Marie
Soléa

07. Feb 2021

Stimmt, liebe Soléa, Ahnen und Wissen lassen oft den Beweis vermissen – und das Greifbare bleibt weiter zerrissen. Man sucht und fragt dennoch weiter – wohl wissend, dass es keine endgültigen Antworten gibt. Denn wer nicht mehr fragt und sucht, verliert die Hoffnung.

Sei herzlich zurück gegrüßt - Marie

07. Feb 2021

Auch gelesen als ein wunderbar tief berührendes Liebesgedicht für eine gelebte Liebe und erfahrene Erfüllung, mit all den Fragen und den nicht - Antworten finden können, aber Verse, die von soviel mehr sprechen zwischen den Zeilen, spürbar und nachfühlbar...
Klasse! Sei herzlich gegrüßt, liebe Marie, von Ingeborg

07. Feb 2021

Danke für das „Klasse“ - und Deine mitfühlenden guten Worte, liebe Ingeborg!

Herzliche Grüße zu Dir - Marie

07. Feb 2021

Mit jeder Zeile gehe ich mit
Und halte doch kaum mit euch Schritt
Das Lebensband zwischen euch beiden
Nimmt leicht mir den Atem zuweilen

Die vielen Fragen entzweiten euch nicht
Gemeinsam und doch war jeder für sich
Die Antworten findet ihr irgendwann
gemeinsam nach dem letzten Übergang

So wunderschön!

07. Feb 2021

Gemeinsam und doch jeder für sich – das ist eine gute Möglichkeit, geknüpfte Lebensbänder vor dem Zerreißen zu schützen. Und das Streiten gehört auch zu einer guten Beziehung – ist sozusagen das Salz in der Suppe. Übergänge, auch der letzte, sind eins der wichtigsten Themen überhaupt. Es gibt einen amerikanischen Videokünstler, der sich nur diesem Thema gewidmet hat. Bill Viola heißt er, seine Installationen waren auch bei uns in den großen Museen und in Kirchen zu sehen, schade, dass er in Vergessenheit geraten zu sein scheint.

Herzliche Grüße zu Dir, liebe Laleah

08. Feb 2021

Marie, Marie mit Dir durch
Wortwelten zu wandern,
weitet stets den Blick zum anderen.
Sich selbst darinnen zu entdecken,
in Fremdheit eigenes zu finden,
das kann Hoffnung und Zuneigung
tausendfach wecken.

LG Monika

10. Feb 2021

Das hast Du wunderbar ausgedrückt –
ich fühl’ mich von Deiner Replik beglückt!

Herzliche Grüße zu Dir –
Marie

09. Feb 2021

Sind es nicht die Fragen, die uns neue Welten öffnen?
Brauche ich noch Antworten?
Wofür?
Fühl Dich ganz lieb umarmt.
Britta

10. Feb 2021

„Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen. Neugier hat ihren eigenen Seinsgrund. Man kann nicht anders als die Geheimnisse von Ewigkeit, Leben oder die wunderbare Struktur der Wirklichkeit ehrfurchtsvoll zu bestaunen. Es genügt, wenn man versucht, an jedem Tag lediglich ein wenig von diesem Geheimnis zu erfassen. Diese heilige Neugier soll man nie verlieren.“ Das Einstein-Zitat fand ich beim Blättern im Internet; eine weise Antwort wie diese hätte ich selbst nicht finden können.
Freut mich, von Dir zu hören, liebe Britta! Sei ebenfalls lieb gegrüßt und umarmt.

Marie