(Lyrische Skizze)
-Endfassung August 1984 –
Geducktes Labyrinth; halbdunkle Maulwurfsgänge;
wie zügellos, in wilder Hast und Gier
blind hingewühlt die qualmerfüllten Zick-zack-Straßen;
ein rauchend, dampfend hingeworfenes Gewirr,
dicht überdacht von tiefen Tücher-Barrikaden
und bunter Fetzenbäuche endlos Überhängen,
als wollten jeden Lichtstrahl sie von hier verdrängen
voll Hass und Angst, den Himmel einzulassen.
Weit vorgeschob´ne Läden, flimmernd-grell wie Flackern,
die Straße engend, prunkend sie bedrängend;
vielfarbig ihrer Lämpchen glitzernd Leuchten:
irrlichternd über Pflasters Buckelsteinen,
mattspiegelnd sich in der Gerinnsel Widerscheinen,
die, aus Abfall sickernd, aus dem Gärendfeuchten
der halb verwesten Düngerhaufen,
in trägen Bächen faulend-klebrig sie durchlaufen.
Und wie besessen
drehen sich
drehen sich kreisend
bunter Gestalten
knäulende Schwärme
Vorwärts-Gelärme
Stockendes Halten.
Wieder nun hastend
vorwärts getrieben
im dumpfigen Dämmer
treiben sie schwül
heiß im Gewühl
Grell und darüber
wilde Geschwirre
taumelnder Stimmen
Verworr´nes Gewirre
kehliger Rufe
heis´res Sich-mischen
Und hindurch und dazwischen
mitten durch das Gewoge und Gewimmel:
Maultiere-stumpfes Geradeaus-Trotten,
und dicht hinter ihnen
drohende Schreie
warnender Treiber:
„B a r r a! – B a r r a !“
Klirrendes Klicken – Klacken!
Schrilles Zusammenfallen
zinnerner Becher, schimmernder Schalen.
Nächtlich in funkelndem Schwanken,
gleißend im Rauche durchwanken
breite Gefäße – gebogen
silbern und golden
wie Mondessicheln auf trunkenen Wogen –
getragen von glitzernden Kaffee-Verkäufern
im prächt´gen Gepränge
der roten Turbane,
blitzend im Perlengehänge.
Rufend! Ausrufend -
kehlig mit klagend,
wie stöhnenden Stimmen:
„A h w e e – A h w e e !“
An finstrer Höhlengrüfte Rändern,
halb im Dunkel der rußigen Mauern,
bleiche Mädchen wie Schatten sich kauern,
eingehüllt in lumpigen Gewändern,
und mit Hungeraugen, den schon stumpfen, weiten,
wartend, hoffend, flehend lauern:
dass ein Wind sie riefe, hinzugleiten
in des Steingewölbes Nischen-Tiefe,
ihre scheue Armut zu verkaufen…
Aus dem Dämmerdunst der dumpfen Läden,
wo bei müder Ampeln schläfrig Blaken
Waren dösen, leblos hingeworf´ner Wust –
quellen sie hervor, als würden sie gerufen
zu des Eingangs tageshellen Stufen,
aufgeweckt zu neuer Seiens-Lust
von der pochend lebensgier´gen Straße –
Reih´n aufs neue sich als Perlenketten
buntgemalte Vasen, Töpfe, Teller,
Silberlampen, Glasgeschirre,
goldner Tand und Amuletten.
Und darüber, auf den Stangen,
sie als Kleider, Tücher, Strickgewänder hangen!
Und vor ihnen, laut nach ihnen weisend,
Händler, schreiend, tanzend, sie anpreisend;
Lockend mit geschnippten Fingern
nahewinkend, naherufend –
ihre Einzigkeit beteuernd rühmen,
aufgeregt wie Pantomimen !
Früchte funkeln – feuchte Farbenhaufen!
Fleische schillern, drängen, schwellen
rot und roh und nackt und geil
auf den blutverschmutzten Tischen
protzend in die Straße vor,
wo sie summend, lüstrer Chor,
Fliegenschwärme schwarz durchlaufen.
Türk´scher Honig, öl´ge Kuchen:
schal umschwemmt von süßen Rüchen…
Kinderaugen, beutegierig,
halten lauernd sie umschlichen.
Doch der Diebstahl wird zu schwierig!
Des Verkäufers scharfem Fluchen
sind sie eiligst schon entwichen.
Tranig-herbe Räucherdämpfe brauen
aus den Tiefen der Gewölbeküchen.
Weißlich über flackerroten Herden
hängt der beizend-heiße Dunst der Hammelkeulen.
Dämm´rung schon, und es will Abend werden.
Eines Hundes einsam fernes Rufen,
langgezogen wie Schakales Heulen - - -
Aber immer noch, nur dämmerungsgedämpfter,
wälzt sich weiter ruhlos gierig, wie besessen
lärmend, treibend das Gewühl der Straße –
tagvergessen – nachtvergessen –
Aus dem Haus, mit den verhängten Fenstern,
trägt ein grellgekleidet Weib die mächt´gen Brüste.
Prüfend ins Gewühl geübte Blicke schauen
rechts und links die Straße auf und nieder,
dehnend geiler Üppigkeit verbrauchte Glieder,
ihre feilen Reize prahlend zu verkaufen.
Wollust-Seufzer sendend, abgegriff´ner Lüste
Locken, laufen aus zu jedem und nach jedem –
dringlich spähend nach dem ersten Käufer.
In blinder Gasse, auswegslos verengt,
in eines Tores niedrig schmaler Nische
stehn zott´ge Schafe dicht an dicht gedrängt,
sie stürzen tief die Köpfe in zerbeultes Faß
und schlürfen schlampfend klebrig-schales Nass,
das widerlich in fauligem Gemische
schon sickernd in des Pflasters Schmutz zerläuft…
Und jedes wie versessen schmatzt und säuft
vom Augenblick besinnungslose Gier
und kennt nichts andres und kein andres um sich her
und weiß kein Oben und kein Unten mehr,
ist Trieb und trüber Lust gehetztes Tier…