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Geschäftsmann, politischen Emissär und sonst alles mögliche, nur durchaus keinen Schriftsteller vorzustellen imstande war, um so weniger, als weder von der Widerlegung des Amelotischen Werkes noch von dem ›Icosameron‹ jemals eine Kunde zu ihm gedrungen war. So bemerkte er endlich mit einer gewissen höflichen Verlegenheit: »Immerhin gibt es nur einen Casanova.« – »Auch das ist ein Irrtum, Herr Marchese«, entgegnete Casanova kalt. »Ich habe Geschwister, und der Name eines meiner Brüder, des Malers Francesco Casanova, dürfte einem Kenner nicht fremd klingen.«
Es zeigte sich, daß der Marchese auch auf diesem Gebiete nicht zu den Kennern gehörte, und so lenkte er das Gespräch auf Bekannte, die in Neapel, Rom, Mailand und Mantua wohnten, und von denen er annehmen konnte, daß Casanova mit ihnen gelegentlich zusammengetroffen war. In diesem Zusammenhang nannte er auch den Namen des Barons Perotti, doch in einigermaßen verächtlichem Tone, und Casanova mußte zugestehen, daß er manchmal im Hause des Barons ein kleines Spiel zu machen pflege – »zur Zerstreuung«, setzte er hinzu, – »ein halbes Stündchen vor dem Schlafengehen. Im übrigen hab' ich diese Art von Zeitvertreib so ziemlich aufgegeben,« – »Das täte mir leid«, sagte der Marchese, »denn ich will Ihnen nicht verhehlen, Herr Chevalier, daß es ein Traum meines Lebens war, mich mit Ihnen zu messen – sowohl im Spiel, als – in jüngern Jahren – auch auf andern Gebieten. Denken Sie übrigens, daß ich – wie lange mag es her sein? – daß ich in Spa genau an dem Tage, ja in der Stunde ankam, als Sie es verließen. Unsre Wagen fuhren aneinander vorüber. Und in Regensburg widerfuhr mir ein ähnliches Mißgeschick. Dort bewohnte ich sogar das Zimmer, das Sie eine Stunde vorher verlassen hatten.« – »Es ist ein rechtes Unglück«, sagte Casanova, immerhin ein wenig geschmeichelt, »daß man einander manchmal zu spät im Leben begegnet.« – »Es ist noch nicht zu spät«, rief der Marchese lebhaft. »In Hinsicht auf mancherlei andres will ich mich gern im vorhinein geschlagen geben, und es kümmert mich wenig, – aber was das Spiel anbelangt, mein lieber Chevalier, so sind wir beide vielleicht gerade in den Jahren –«
Casanova unterbrach ihn: »In den Jahren – mag sein. Aber leider kann ich gerade auf dem Gebiet des Spiels nicht mehr auf das Vergnügen Anspruch erheben, mich mit einem Partner Ihres Ranges messen zu dürfen – weil ich« – und dies sagte er im Ton eines entthronten Fürsten – »weil ich es mit all meinem Ruhm, mein werter Herr Marchese, bis heute nicht viel weiter als bis zum Bettler gebracht habe.«
Der Marchese schlug unwillkürlich vor Casanovas stolzem Blick die Augen nieder und schüttelte dann nur ungläubig, wie zu einem sonderbaren Spaß, den Kopf. Olivo aber, der dem ganzen Gespräch mit Spannung gelauscht und die gewandt überlegenen Antworten seines außerordentlichen Freundes mit beifälligem Nicken begleitet hatte, vermochte eine Bewegung des Erschreckens kaum zu unterdrücken. Sie standen eben alle an der rückwärtigen Gartenmauer vor einer schmalen Holztür, und während Olivo sie mit einem kreischenden Schlüssel öffnete und den Marchese voraus in den Garten treten ließ, flüsterte er Casanova zu, ihn beim Arm fassend: »Sie werden Ihr letztes Wort zurücknehmen, Chevalier, ehe Sie den Fuß wieder in mein Haus setzen. Das Geld, das ich Ihnen seit sechzehn Jahren schulde, liegt bereit. Ich wagte nur nicht... Fragen Sie Amalia... Abgezählt liegt es bereit. Beim Abschied wollte ich mir erlauben –« Casanova unterbrach ihn sanft. »Sie sind nicht mein Schuldner, Olivo. Die paar Goldstücke waren – Sie wissen es wohl – ein Hochzeitsgeschenk, das ich, als Freund von Amaliens Mutter... Doch wozu überhaupt davon reden. Was sollen mir die paar Dukaten? Ich stehe an einer Wende meines Schicksals«, setzte er absichtlich laut hinzu, so daß ihn der Marchese, der nach ein paar Schritten stehengeblieben war, hören konnte. Olivo tauschte einen Blick mit Casanova, um sich seiner Zustimmung zu versichern, dann bemerkte er zum Marchese: »Der Chevalier ist nämlich nach Venedig zurückberufen und reist in wenigen Tagen nach seiner Vaterstadt ab.« – »Vielmehr«, bemerkte Casanova, während sie alle sich dem Hause näherten, »man ruft bereits seit geraumer Zeit nach mir und immer dringender. Aber ich finde, die Herren Senatoren haben sich lange genug Zeit gelassen. Mögen nun sie sich in Geduld fassen.« – »Ein Stolz«, sagte der Marchese, »zu dem Sie im höchsten Maße berechtigt sind, Chevalier!«
Als sie aus der Allee auf die Wiese hinaustreten, die nun schon völlig im Schatten dalag, sahen sie, dem Hause nahe, die kleine Gesellschaft versammelt, von der sie erwartet wurden. Alle erhoben sich, um ihnen entgegenzusehen, zuerst der Abbate, zwischen Marcolina und Amalia; ihnen folgte die Marchesa, ihr zur Seite ein hochgewachsener, bartloser junger Offizier in roter silberverschnürter Uniform und glänzenden Reiterstiefeln, der kein andrer sein konnte als Lorenzi. Wie er zu der Marchesa sprach, ihre weißen gepuderten Schultern mit dem Blicke streifend als eine wohlbekannte Probe von nicht minder bekannten hübschen Dingen; noch mehr die Art, wie die Marchesa mit halbgeschlossenen Lidern lächelnd zu ihm aufsah, konnte auch weniger Erfahrene über die Natur der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen nicht im Zweifel lassen; sowie auch darüber, daß sie keinen Wert darauf legten, sie vor irgend jemandem geheimzuhalten. Sie unterbrachen ihr leises, aber lebhaftes Gespräch erst, als sie den Herankommenden schon gegenüberstanden.
Olivo stellte Casanova und Lorenzi einander vor. Die beiden maßen sich mit einem kurzen kalten Blick, in dem sie sich gegenseitig ihrer Abneigung zu versichern schienen, dann lächelten sie beide flüchtig und verneigten sich, ohne einander die Hände zu reichen, da jeder zu diesem Zweck dem andern hätte einen Schritt entgegentreten müssen. Lorenzi war schön, von schmalem Antlitz und in Anbetracht seiner Jugend auffallend scharfen Zügen; im Hintergrund seiner Augen schillerte irgend etwas Unfaßbares, das den Erfahrenen zur Vorsicht mahnen mußte. Nur eine Sekunde lang überlegte Casanova, an wen ihn Lorenzi erinnerte. Dann wußte er, daß es sein eigenes Bild war, das ihm, um dreißig Jahre verjüngt, hier entgegentrat. Bin ich etwa in seiner Gestalt wiedergekehrt? fragte er sich. Da müßte ich doch vorher gestorben sein... Und es durchbebte ihn: Bin ich's denn nicht seit lange? Was ist denn noch an mir von