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fünfundvierzigjährigen Abbé mit aufgeschwollenem Aeußern. Er lag auf einem Kanapee und las die »Philosophie im Boudoir«. – »Sieh,« sprach der Bischof, »welche schöne Opfer heute abend die Dubois gebracht hat, sieh diese erhabenen Arschbacken, Abbé!«
Justine und Eulalia mußten ihre Hintern vom Abbé prüfen lassen, der sie betastete und dabei nachlässig sagte: »Ja, sie sind[407] nicht einmal so schlecht, sie sind wohl der Mühe wert, ausgepeitscht zu werden.«
Nun wurde Eulalia kniend auf das Schaffott gebunden, der scheußliche Bischof fing an, ihr Gesicht zu peitschen, zu ohrfeigen, ihr auf die Nase zu spucken, daß ihr Gesicht schließlich so aussah, wie wenn ein Bienenschwarm sie gestochen hätte. Damit nicht genug, begannen sie, auf ihren regungslosen Körper Kot zu entleeren, bis ihr Kopf fast unter der angehäuften Masse verschwand. »Vorwärts,« fuhr er darauf fort, »beichten Sie, kleines Mädchen, und bereiten Sie sich auf den Tod vor!« Die Unglückliche näherte sich dem Abbé, der mit einem Kruzifix in der Hand aufmerksam die unschuldigen Geständnisse anhörte, während die Dubois ihn kitzeln mußte. »Oh, ehrwürdiger Vater,« beendigte das arme Mädchen ihre Beichte, »Sie sehn, wie rein mein Gewissen ist, ich habe nicht den Tod verdient.« Allein diese Worte, so rührend sie anzuhören waren so sehr entflammten sie unseren Bischof. Der Beichtvater trug Eulalia auf das schreckliche Schaffott, langsam, um die Todesangst zu verlängern, senkte sich das Beil und unter Blutbächen fiel der Kopf hinten in den bereitstehenden Kübel.
Oh, Gipfel der Grausamkeit und des Schreckens, der blutdürstige Bischof fuhr fort, sich an dem leblosen Körper aufzuregen und bearbeitete den blutenden Körper von hinten. »Vorwärts,« sprach er, »weil wir jetzt gerade dabei sind, möge Justine daran kommen« – »Oh, gnädiger Herr,« unterbrach ihn hier die Dubois, »diese Todesqual ist für sie zu mild; wissen Sie keine furchtbarere?« – »Beruhigen Sie sich. Dubois, Sie werden zufrieden sein.« Nun fuhr der Prälat fort: »Dann müssen Sie jene teuflische Maschine aufstellen, Abbé, die brennt, schneidet und gleichzeitig die Knochen zerbricht. Wir bedienten uns ihrer vor acht Tagen, als wir jenes wunderschöne Mädchen hatten.« – »Ich weiß, was Euer Ehrwürden meint,« »antwortete der Abbé,« »aber die Vorbereitungen dazu dauern etwas lange.« – »Nun denn, dann werden wir währenddessen zu Abend speisen. Ist es dir recht so, Dubois?« – »Gewiß, gnädiger Herr.« Und während der Abbé die neuen Folterinstrumente vorbereitete, ging man in den Speisesaal. Welche Schwelgereien folgten nun, aber hätte sich Justine darüber beklagen sollen, da ihr dadurch das Leben gerettet wurde? Vom Wein und den Speisen zu Tode ermattet, fielen der Bischof und die Dubois nach dem Essen nieder; kaum sah unsere Heldin diese Gelegenheit, als sie hastig den Mantel und den Rock ergriff, den die Dubois eben abgelegt hatte, eine Kerze in die Hand nahm und rasch die Stiege hinuntereilte. Das Haus war von Dienerschaft entblößt, nichts stellte sich ihr entgegen, und nach einigen Schritten befand sie sich in Freiheit. Den ersten Weg, der sich ihr darbot, schlug sie ein, der glücklicherweise nach Grénoble führte. In der Herberge schlief man noch. Justine trat leise ein und suchte hastig das Zimmer Valbois[408] auf. Er erwachte, konnte aber die Eintretende nicht erkennen. »Was wünschen Sie, was bedeutet das?« – »Ach, mein Herr,« und die zitternde Justine erzählte ihre Erlebnisse. »Sie können die Dubois verhaften lassen,« fuhr sie fort, »das Ungeheuer ist nur einige Meilen von hier. Ich will Ihnen den Weg weisen.« – »Oh, Justine, sie sind sicherlich das unglücklichste Mädchen, das es auf der Welt gibt, aber bleiben Sie weiter so tugendhaft, Sie sehen ja, daß die Hand des Himmels Sie immer errettet. Wir wollen die Dubois nicht weiter verfolgen, sondern lieber das Unrecht, das sie Ihnen zugefügt hat, gutmachen.« Eine Stunde nachher kam eine Schneiderin, um Justine zwei neue Kleider zu machen, und eine Wäschehändlerin brachte ihr Hemden. »Sie müssen aufbrechen,« sprach nun Valbois zu ihr, »die Bertrand rechnet darauf.« – »Oh, tugendhafter junger Mann,« rief Justine aus und fiel Valbois zu Füßen, »möge der Himmel Ihnen eines Tages lohnen, was Sie an mir getan!«
So verließ Justine Grénoble, und wenn sie dort auch nicht das Glück gefunden hatte, das sie erhoffte, so hatte sie doch dort mehr Leute als je gefunden, die sich ihrer annahmen.
Kapitel XX.
Justine und ihre Beschützerin reisten in einem kleinen Karren, der von einem Pferd gezogen wurde. Im Hintergrunde des Wagens lagen die Waren der Madame Bertrand und auch ihre kleine fünfzehn Monate alte Tochter war dort untergebracht, für die Justine herzliche Zuneigung gefaßt hatte.
Die Bertrand war eine ziemlich unangenehme Frau. Argwöhnisch, geschwätzig, langweilig und beschränkt. Bis Lyon ging alles gut. Aber während der drei Tage, während welcher die Bertrand ihre Geschäfte erledigen mußte, hatte Justine eine Begegnung, die ihr unerwartet kam. Sie spazierte nachmittags auf dem Rhonequai mit einem Mädchen aus der Herberge als sie plötzlich den ehrwürdigen Vater Antonin de Sanct-Marie Debois begegnete, der nunmehr Prior seines Ordens war. Der Mönch trat an sie heran, und nachdem er ihr leise Vorwürfe wegen ihrer Flucht gemacht hatte, forderte er sie auf, in seine Wohnung mitzukommen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, angezeigt zu werden. Dann wandte er sich an die Begleiterin Justinens und sprach: »Kommen Sie auch mit, wir wollen Euch Beide gut bezahlen. Wir sind unser Zehn und wir versprechen Euch jeder einen Louis, wenn Ihr Euch unseren Launen unterwerft.« Wie man sich leicht denken kann, wies Justine diese Vorschläge zurück. Schließlich, da der Mönch sah, daß nichts- weiter nütze, erbat er sich blos noch die Adresse, und um sich seiner zu entledigen, gab ihm Justine eine falsche. Er schrieb sie in sein Notizbuch auf und empfahl sich mit der Versicherung, man werde bald von ihm hören.[409]
Justine erklärte beim Heimwege, so gut sie es konnte, die Geschichte dieser unglücklichen Begegnung. Aber möglicherweise war die Magd ärgerlich darüber, durch zu große Tugendhaftigkeit eines großen Gewinnes beraubt zu sein, kurz, sie schwatzte der Bertrand alles aus. Der Mönch wurde nicht mehr gesehen und man brach auf.
Die erste Nacht verbrachten unsere beiden Reisenden in Villefranche. Sie langten gegen sechs Uhr abends an und legten sich sofort schlafen, weil sie für den nächsten Tag eine größere Reise vorhatten. Es waren