Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 173

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Ihre Seele, wenn bereits der Schleier des Todes mein flackerndes Lebenslicht beschattet! Nicht den Tod fürchte ich, sondern die Schande. Retten Sie mich davor, wie eine Verbrecherin zu sterben!« – »Niederträchtige Schuftin,« antwortete der Schurke, »unglückselige Hure, erinnerst du dich nicht, daß ich dir befohlen habe, niemals wieder in Lyon zu erscheinen?« – »Aber, mein Herr!« – »Was kümmern mich die Umstände, du bist einmal hier, das ist tausendmal mehr als nötig, um meine Wut zu erregen. Trotzdem jedoch will ich dir noch helfen. Dein Prozeß liegt ganz in den Händen des Herrn de Cardoville, eines Jugendfreundes von mir. Ich werde mit ihm sprechen, teile aber dir gleich mit, daß du nichts von ihm erlangen wirst, sobald du dich nicht erst seinen Begierden, wie auch denen seines Sohnes und seiner Tochter unterworfen haben wirst. Ich ermahne dich also zur äußersten Folgsamkeit. Was mich anbelangt, erkläre ich, daß es mich vor dir ekelt, aber wenn meine Freunde, die dich nicht kennen, mit dir zufrieden sind, wird man dich noch heute abholen kommen und du mußt dann deine Unschuld dadurch bezeugen, daß du dich jeder Laune hingibst; das ist der einzige Dienst, den ich dir leisten kann. Adieu!« – Saint-Florent empfahl noch dem Wärter, die Gefangene gut zu bewachen und sie nur Cardoville auszuliefern, wenn er sie abholen sollte.

Justine blieb in einem furchtbaren Zustand zurück. Wohl war genug Grund vorhanden, ihrem Schützer zu mißtrauen, aber konnte sie noch schwanken? War es nicht möglich, wenn es einmal[414] so weit gekommen war, ihre Richter zu rühren und zum Mitleid zu bewegen? Diese Gedanken bewegten ihren Geist, während sie sich ankleidete; endlich schlug die Stunde und der Wärter erschien. »Folgen Sie mir,« sprach der Cerberus, »und danken Sie Gott für die Gnade, daß Herr de Cardoville Sie empfängt.«

Justine ging nun mit dem Aufseher, der sie in die Hände zweier großer Neger übergab. Man warf sie in einen Wagen, ließ die Vorhänge herab und fuhr nun eine Strecke von Lyon fort, die zwei oder drei Meilen betragen mochte.

Als der Wagen anhielt, war das Einzige, was Justine im Lichte des Mondes bemerken konnte, der Hof eines einsamen Schlosses, der mit Zypressen umgeben war. Man führte unsere Heldin in einen schlecht beleuchteten Saal, in den nach einer Viertelstunde eine alte Frau und vier sechzehn- bis achtzehnjährige Knaben eintraten, die ein großes, schwarzes Tuch hielten. »Da Sie am Ende Ihres Lebens angelangt sind, ist jedes Kleidungsstück für Sie überflüssig, legen Sie sie also ab. Auch muß ich Ihnen die Behaarung Ihrer Scham abschneiden und dann Ihnen die Augen verbinden.« Nachdem sie ihren Worten gemäß gehandelt hatte, ließ die Alte Justine in das Totenlaken einwickeln und nach einem Salon bringen, in dem unsere Heldin stehend, mit den Händen nach oben, festgebunden wurde. Nachdem sie von mehreren Händen abgegriffen worden war, löste man die Binde von ihren Augen los und nun konnte sie die Leute bemerken, die sich an ihr ergötzen wollten.

Dolmus und Cardoville, zwei fünfundvierzigjährige Männer schienen die Hauptteilnehmer dieser Orgie zu sein. Eine junge, Nicette benannte achtzehnjährige Person, wurde als Tochter Cardovilles angesprochen, während Brimeton, ein starker Junge von zweiundzwanzig Jahren als Bruder Nicettes bezeichnet wurde. Auch die Tochter Dolmus' war anwesend, sie hieß Zulma, war vierundzwanzig Jahre alt und sehr hübsch. Der Bruder Zulmas war sechsundzwanzig Jahre alt, häßlich behaart wie ein Bär und hieß Volzidor. Die vier Knaben, die Justine gebracht hatten, hießen Julien, Larose, Fleur d'amour und Saint-Claire. Die beiden Neger waren ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt.

Alle Mitglieder dieser Versammlung umgaben Justine als ihre Binde fiel. »Weiß diese Hure, daß sie hier sterben soll, Cardoville?« fragte Dolmus. »Wie könnte sie hoffen, sich noch zu retten, da zweiundvierzig Zeugen gegen sie aussagen; allein sie hat den Wunsch ausgesprochen, in einem Hurenhaus zu sterben und dazu wollen wir ihr verhelfen.« Währenddessen umgaben Väter und Söhne die Unglückliche, indem sie sie wie Fleischer betasteten. »Wir haben schon seit langem niemanden zum Tode verdammt, dessen Schuld so erwiesen wäre,« sprach Volzidor. – »Schuldig oder nicht, du wirst auf jeden Fall verbrannt und an einem kleinen Feuer geröstet werden,« fuhr Cardoville[415] fort. – »Nun,« fragte Dolmus weiter, »hat Saint-Florent nicht Recht gehabt, uns zu sagen, daß diese Hure einen schönen Hintern hat?« – »Ja, zum Teufel,« entgegnete Cardoville, »er ist nicht zu verachten; aber jetzt wollen wir uns an dieser keuschen Schönen ergötzen. Jeder von uns nehme einen Teil des Körpers auf sich, den er quält, jeder von uns soll eine Nummer wählen und in bestimmter Reihenfolge unserem Opfer den Schmerz beibringen. Da wir zwölf an der Zahl sind, wollen wir den Schlag einer Uhr nachmachen und die zwölf Stunden mit Schnelligkeit aufeinander folgen lassen.«

Cardoville bemächtigte sich der rechten Brust, während Brunetons Sohn die Umgebung auf sich nahm; die linke Seite wurde von Dolmus und seinem Sohn eingenommen. Nicette verlangte die Clitoris, Zulma die Schamlippen. Jeder Neger erhielt eine Wade. Larose und Julien einen Schenkel und Fleur d'amour und Saint-Claire nahmen die Arschbacken. Von dieser Qual ging man zu neuen über.

Man stellte sich im Kreise auf und unsere Heldin mußte der Reihe nach zu einem jeden hingehen und die ihr vorgeschriebene Handlung begehen, während ihr ein jeder eine blutende Wunde beibringen mußte.

Dolmus riß ihr das Ohr ab, Cardoville schnitt ihr in die rechte Brust. Bruneton kratzte die linke ab. Nicette steckte zweimal ein Taschenmesser in ihre rechte Arschbacke. Volzidor kitzelte ihr mit einer spitzenbesetzten Kugel das Innere der Scheide. Larose stach in eine Ader am linken Schenkel. Fleur d'amour gab ihr einen Faustschlag auf die Nase, daß das Blut floß. Julien riß ihr mit den Zähnen ein Stück ihres rechten Schenkels ab. Saint-Claire stieß ihr ein Stilet in den Bauch. Der erste Neger verwundete die Schultern, der zweite die Weichen. Nun befahl Cardoville den Negern, Justine auf eine runde Säule derart zu binden, daß sowohl ihre Hände wie ihre Füße frei seien. Man band sie, ihre vier Glieder so weit als möglich ausgespreizt, an. Nicette ergriff eine Nadel mit einem Faden daran und begann die Scheide Justinens luftdicht zuzunähen. Nachdem sie damit fertig war, machte sie sich an die Rückseite Justinens und

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
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