Meine Arbeit war fast getan. Oh, wie sehnte ich mich nach nächtlichem Glimmer. Eine animalische Lust hatte mich gepackt. Biss mich tief und fest. So eilte ich unter die Dusche, um den Tag fortzuschwemmen, wie den Speichel eines Fremden.
Ich fühlte mich dann erst wieder sauber...voll erleichtert, durch eine Welle angeschwemmt und hörte mein Pochen, wie es das Blut antreibt und treibt. Es wirkte sinnlich entspannt, wie ein rauschender Bach. Die Hitze war fort.
Ich ertappte mich urplötzlich, als würde ich einen Dieb stellen, wie dieser ins Fenster einsteigen will.
Ich sah auf mich herab. Schnell zog ich mich an.
Draußen wog die noch junge Nacht wie Blei. Nieselregen schnitt durch's Neonlicht und leichter Wind machte dabei kehrt.Was es auch war,warum sich diese Nacht kaum vom Tag unterschied. Ich erkannte es allmählich als Illusion. Für einen Moment entzog ich mich dem Nachtgesicht. Ich hastete durch den stärker werdenden Regen. Deshalb hämmerte es lauter und wilder in meinen Ohren. An der Ecke war ein Pub. Ich bestellte ein Bier. Bereits am ersten Schluck merkte ich, was ich den ganzen Tag lang vermisste. Doch dann verschluckte ich mich - eine Faust rauschte heran. Die ganze Wut schoss auf mich zu. Und so wich ich dem Schlag aus. Etwas zersplitterte und schmatzte grässlich. Unter mir kam eine Lache Bier zum Stillstand. Zornig betete ich zu meinem Spiegelbild. Ich erschrak vor mir selbst. Um mich herum ein Chaos. Aus mir würgte es. Etwas raschelte und mehrere Schritte stahlen sich davon! Durch einen Seitenausgang sah ich sie flüchten - in die laute Nacht.
Im Großstadtlicht tanzte und roch es noch immer nach Regen. Es spritzte im Windkanal umher auf die Autoscheinwerfer. Mir brannte das linke Auge und schwoll fast zu. Ein Taxi rauschte heran und aus dem Fahrer schlich ein süffisantes Grinsen. Der Wagen hielt an. Eine Zentnerlast schien sich auf die Schonbezüge zu pressen und ich gewann noch etwas Zeit, um mein Fahrziel auszusprechen. Derweil hatte der Fahrer mich mürrisch taxiert:Kotz bloß nicht mein Taxi voll!
Die Sonne lachte mich wieder an.
Der gewohnte Puls der Stadt klatschte an mein Fenster. Großtadt, du bist kein Paradies am Tag. Du bist anders bei Tag - als hätte dich jemand vom Schopf bis zu den Füßen manikürt: Total entstellt und entzaubert!
Aller nächtlicher Wut beraubt ging ich in den Tag. Satt vom Benzingeruch stampfte ich zum Citypark. Dort steckte mich ein lautes Lachen an. Es schwappte nur so aus mir heraus, wie das gestrige Bier. Ich bekam eine irre Lust. Ein herrenloser Ball reizte mich. Ich war wieder jung. Niemand schien den blauweißen Lederball zu kennen. So drosch ich ihn mit der Picke ins Grüne! Erst danach warnte mich ein angegrauter Herr und zeigte auf ein Schild: Hier ist ballspielen verboten!
Da verstand ich die Kinder und Jugendlichen.In mir wuchs wieder die Wut. Sie war nicht wirklich verraucht, wie man eine Kippe zerdrückt.
Die kalte Dunkelheit hatte mich wieder erwischt. Sie hatte sich tagsüber vor mir verborgen - steckte im All fest! Sein Himmel war mit Sternen besäat. Endlich hatte ich wieder diesen Zauber entdeckt. Es war elektrisierend den Großstadtlichtern zuzuschauen. Mit einem neuen Jeton in der Faust maß ich mein Glück mit anderen Augen. Kein Rendezvous mehr, das mich Nacht für Nacht entführte. Ich konnte bisher vom Zauber nicht lassen. Jetzt will ich es nicht mehr. Der letzte Jeton hat ausgespielt!
Großstadtlichter
von Frank Tegenthoff
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Interne Verweise
- Autorin/Autor: Frank Tegenthoff
- Prosa von Frank Tegenthoff
- Prosakategorie und Thema: Kurzgeschichten & Kurzprosa, Gesellschafts- & Entwicklungsinhalte
Kommentare
Fortsetzung der Nachtodysseen - Impressionen einer Großstadt.
Welche ist es denn ?
Gruß Picolo
Es ist eine imaginäre Großstadt. Könnte überall sein...