Es fängt damit an, dass ich das Haus nicht finde. Die U-Bahn wurde umgebaut, die Treppen sind nur noch für Bergsteiger zugelassen. Ich irre in einer bizarren Landschaft auf Straßen und Plätzen umher, versinke bis zu den Knöcheln im Sand. Straßen gibt es nicht mehr. Das Siedlungsgebiet stammt aus dem 2. Jahrhundert. Vorsichtig durchstreife ich die uralten Überreste. In den Trümmern hocken in Decken gehüllte Kreaturen um ein Feuer. Doch soweit wage ich mich nicht vor. Ein nasser Windstoß zerstäubt die geronnene Landschaft zwischen verrottendem Glaswerk und Plattenbau.
Dann, im Haus kommen mir Bedenken. Das Haus weist erhebliche Mängel auf. Blumentapete hängt in Fetzen von den Wänden, der Boden unter mir bebt und unter dem Teppich liegen Unrat und alte Werkzeuge, Gerümpel in allen Ecken. Auf dem Dachboden stoße ich auf alte Dokumente - ein Stadtplan, behutsam fahre ich mit dem Finger über Markierungen, spüre die Vertiefungen im Papier, Bombentrichter – und Fotos in Folien, diverse Erinnerungsstücke, darunter eine Eintrittskarte datiert auf den 30. Dezember 1914 für einen Ball im BÜRGERHAUS BERLIN. Zu dem Zeitpunkt war meine Mutter noch nicht geboren und ihre Mutter ein Kind. Es war Krieg. Wer aus unserer Familie ging zu dem Ball?
An der Garderobe im Keller hängen Kleidungsstücke aus den 30er und 40er Jahren, ihnen haftet Leichengeruch an. Seit dem Krieg hängen sie hier, schmutzige Kostümjacken und Mäntel, Kleider mit Spitzenbesatz. Unheimlich ist mir zumute. In den Taschen finde ich Krimskrams, so als wären die Sachen vor kurzem noch getragen worden. Was geschah den Menschen, denen einst die Kleider gehörten?
Dieser Ort ist ein Schreckensort, ein Unort. Wie sollen wir darin leben? Ist das ein Traum oder das Leben, so unübersichtlich und ohne Ausgang?