Die Ins-Gewissen-Rede

Bild von Alf Glocker
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Liebe Leute, ich muss Euch schon sagen: die Diskussion um das Öffnen oder Schließen der Grenzen geht mir so langsam auf die Nerven! Da gibt es nichts zu diskutieren! Natürlich müssen wir sie öffnen – was denn sonst?! Das steht doch schon im Grundgesetz! Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG wird ein Ausländer als Flüchtling anerkannt, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung, oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, vertrauensvoll zu uns begibt.

Uns geht es doch gut! Und alle denen es schlecht geht, dürfen kommen und Schutz bei uns suchen! Überall sind die Menschen verfolgt, nur bei uns nicht. Das müsste uns doch zu denken geben. Wer hat hier was dagegen einzuwenden? Mit solchen Kreaturen spreche ich nicht mehr – damit ihr's wisst!

Habt ihr überhaupt eine Vorstellung davon, wie es in vielen anderen Ländern der Erde zugeht? Ich glaube eher das habt ihr nicht, sonst würdet ihr euch um das Öffnen oder Schließen der Grenzen keine Sorgen mehr machen, sondern um die Leute die eine Schließung fordern! Haben die bei uns überhaupt noch was zu suchen?!

Wer jemanden von seiner Türe weist, dem Tod und Verfolgung drohen, der sollte wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt und verurteilt werden – so sieht's doch aus! Seht euch mal die armen Kinder an, gezeichnet von den Strapazen ihrer Flucht um den halben Globus, zu uns! Wer will da kein Mitleid haben?

Die ganzen Kriegsgebiete im ehemaligen Osmanischen Reich sind voll davon. Sie haben Angst und nichts zu essen und kein Dach über dem Kopf! Überall herrschen Terror und Unterdrückung! Aber nicht nur dort! Was ist z.B. mit Bangladesch, dem Land der einstürzenden Neubauten? Dort arbeiten viele Millionen Menschen hauptsächlich für uns – und die wollt ihr alleine lassen?

3 Millionen Flüchtlinge hat Europa erst aufgenommen: 3 Millionen! Bei einer Bevölkerung von 500 Millionen – das ist ein Skandal! Manche mögen nun einwenden: „Aber es sind doch schon über 60 Millionen mit Migrationshintergrund bei uns!“ Ich sage: „Na und?!“ Was sind denn schon 63 Millionen, im Vergleich zu unserem Wohlstand?!

In Afrika haben die allermeisten Menschen gar nichts! Wir sollten uns schämen! Dort sorgen Stammeskriege jährlich für zehntausende Tote und grausame Rituale für entsetzliche Verstümmlungen, vor allem bei kleinen Mädchen. Aber nicht nur bei denen. Wollen wir das untätig mit ansehen? Und was ist mit China? Wisst ihr denn nicht, daß dieses Land unzählige Leute, nur des Organhandels wegen, inhaftiert hat?!

Wo sollen die denn alle hingehen, wenn nicht zu uns? Glaubt ihr vielleicht im riesigen Sibirien gäbe es genug Möglichkeiten zum Überleben für vielleicht insgesamt eine Milliarde Hilfesuchende auf der Welt? Dort ist nichts – außer viel Platz vielleicht. In den Arabischen Ländern, die ebenfalls über große Landmassen verfügen, gibt es keine gut organisierte Infrastruktur, die alle ausreichend versorgen könnte.

Also, stellt euch nicht so an! Ihr könnt doch nicht auf einmal tönen: „Jetzt ist aber Schluss – 3 Millionen haben wir noch zusätzlich aufgenommen und der Dreimillionenundeinste muss draußen bleiben!“ Das ist unmenschlich! Bedenkt doch, jeder dieser gepeinigten Armen hat eine Geschichte! Oft ist sie so rührend, daß euch die Tränen kämen würdet ihr sie nur kennen!

Nieder mit allen, die für eine Schließung der Grenzen sind! Sie wenden sich ab vom Leid der Welt, sie haben kein Herz: sie wollen keine Verantwortung tragen, für das was wir im Lauf unserer Geschichte angerichtet haben, als wir unsere Errungenschaften jenen aufdrängten die sie gar nicht haben wollten. Nun müssen, nein nun dürfen wir auch stolz die Folgen dafür tragen, indem wir überall verkünden: „Kommt zu uns, alle, die ihr mühselig und beladen seid!“ Wir werden euch herzlich empfangen!

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