AU 2010 08 Nelson, NZ - Page 4

Bild zeigt Willi Grigor
von Willi Grigor

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Lücke zwischen zwei Autos von links und schneller Lauf bis zur anderen Straßenseite.
Ich schaffte das ziemlich umgehend, setzte mich auf die Bank und wartete auf Gullan. Ich glaube, sie war nahe daran einfach weiterzulaufen und mich auf der anderen Seite allein zu lassen. Ich hatte sie auf mein schnelles Manöver nicht vorbereitet. Aber sie wartete auf eine Lücke auf beiden Fahrbahnen gleichzeitig und lief dann doch hinüber.
Dieser kleine Platz erwies sich als der Ausgangspunkt eines ruhigeren Weges zu unserem Haus. Wir gingen erst auf einem Pfad zwischen hübschen Häusern und dann auf ruhigen Straßen mit zum Teil luxuriösen Häusern mit herrlicher Aussicht. Alle Häuser auf der dem Meer zugewandten Hügelseite hatten diese Aussicht. Dieses Wohnen auf den Bergseiten birgt auch seine Risiken, wenn man an die Erdbebenhäufigkeit in Neuseeland denkt. Aber an so was denkt man lieber nicht. (Ich schreibe diese Zeilen Anfang März 2011. Vor gut einem Monat hat ein Erdbeben große Schäden in Christchurch, ca. 250 km von Nelson entfernt, verursacht und mindestens 200 Tote sind zu beklagen.)

Jetzt am Schluss dieses Tagesausflugs bekamen wir noch einen Beweis, dass wir an einem geschichtsträchtigen Platz wohnten.

Ganz kurz vor unserem Haus am Scheitelpunkt des Hügels steht ein weithin sichtbarer, großer Baum. Daneben eine einladende Bank und ein großes Informationsschild. Wir gingen näher und lasen: Dieser "Songer Tree" genannte Riesenmammutbaum (Giant Redwood) wurde im Jahr 1900 vom damals 84-jährigen William Songer zum Andenken an Kapitän Arthur Wakefield gepflanzt. (Der Riesenmammutbaum kann bis zu 90 m hoch und über 3000 Jahre alt werden. Dieser hier ist mit seinen 110 Jahren noch ein junger Spunt.) William Songer war der Diener Wakefields auf dem Schiff, das 1841 hier erstmalig anlegte. Wakefield bestimmte diesen Platz zur Gründung der Stadt Nelson. Der Einlauf des Naturhafens war nur während des Tidehochwassers sicher befahrbar. Noch im gleichen Jahr ließ Wakefield an diesem Platz, wo jetzt dieser Baum steht, einen Signalmast aufstellen, der den ankommenden Schiffen signalisierte, ob die Einfahrt sicher ist oder nicht.

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(An diese Stelle gehört chronologisch die separate Erzählung über einen ereignisreichen Tag, 6. März, siehe "AU 2010 09 Ein Tag in Nelson")
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Im Abel Tasman Nationalpark
Von dem Tag in diesem Nationalpark vor den Toren Nelsons erwarteten wir uns viel. Hier hofften wir die Ursprünglichkeit Neuseelands zu erleben. Im Nationalmuseum in Wellington sahen wir Karten, die die Veränderungen der Landschaft durch die europäischen Siedler seit Mitte des 19. Jahrhunderts zeigten. Damals war ganz Neuseeland bewaldet. Um Acker- und Weideflächen zu schaffen ist heute nur noch ca. 20% der ursprünglichen Bewaldung vorhanden.
Ich sage es jetzt schon: Unsere hohen Erwartungen wurden erfüllt, auch wenn wir nur einen kleinen Teil dieses kleinsten Nationalparks Neuseelands erkunden konnten.
Wir hatten uns vorab im Internet informiert:

Der Abel-Tasman-Nationalpark schützt ein 225,3 km² großes Gebiet an der Nordküste von Neuseelands Südinsel. Er befindet sich am nördlichen Ende einer Hügelkette zwischen den beiden großen Meeresbuchten Golden Bay und Tasman Bay, etwa 70 km von Nelson entfernt. Der Nationalpark ist berühmt für seine zahlreichen kleinen Buchten mit Sandstränden und türkisfarbenem Wasser und seine Granitklippen. Gleichzeitig sind aber auch mehr als drei Viertel des Nationalparkgebietes bewaldet.
Im Abel-Tasman-Nationalpark ist stärker als in anderen neuseeländischen Parks neben der Natur- auch die menschliche Geschichte präsent. So siedelten sich entlang dieses Küstenabschnitts schon vor mindestens 500 Jahren die ersten Māori an. 1642 erreichte der niederländische Seefahrer Abel Tasman als erster Europäer Neuseeland und ging hier vor Anker. Ab etwa 1855 setzte in der Region die Besiedlung durch weiße Einwanderer ein, die Holz schlugen und durch Brandrodung Ackerflächen zu gewinnen versuchten. Außerdem wurde stellenweise in Steinbrüchen Granit abgebaut. Bereits früh im 20. Jahrhundert erkannte man die Notwendigkeit, die einmalige Landschaft vor weiterer Ausbeutung zu schützen. Von den menschlichen Eingriffen ist heute, da das Gebiet unter Naturschutz steht, nur noch relativ wenig zu bemerken.
Neuseelands kleinster Nationalpark wurde 1942, genau 300 Jahre nach Abel Tasmans Landung, eingerichtet und dem Entdecker zu Ehren benannt. Unter den Besuchern des Parks ist besonders der 51 km lange Küsten-Wanderweg (Abel Tasman Coastal Track) beliebt. Eine andere populäre Art, den Abel-Tasman-Nationalpark zu erkunden, ist eine Kajaktour entlang der Küste. Ausgangspunkte für die meisten Touren sind die Orte Marahau und Totaranui, das südliche und nördliche Ende des Küsten-Wanderwegs.(Wikipedia)

Der Rucksack war gepackt, wir waren bereit zu unserem Fußmarsch zum Touristenbüro, von wo unser Bus nach Marahau, dem kleinen Ort an der Grenze des Nationalparks, abfuhr. Gleichzeitig kam Ray aus der Garage gefahren und fragte, ob er uns mit in die Stadt nehmen sollte. Wir wussten, dass wir heute viel laufen werden und stiegen dankend ein. Auf diese Weise kamen wir zu früh zur Bushaltestelle und machten doch noch einen Spaziergang vor der Abfahrt. Es war früher Morgen und ziemlich kühl. Wir hatten lange Hosen angezogen. Später bei unserer Wanderung im Nationalpark entlang der Küste hätten wir gern kurze gehabt.
Sobald der Bus Nelson verließ sahen wir riesige landwirtschaftliche Flächen mit Gemüse-, Obst- und Weinanbau. Solche hatten wir erwartet bei unserer Busfahrt durch die gesamte Nordinsel. Dort sahen wir aber nur Weideland und gänzlich unfruchtbares Hochland. Die Größe der verschiedenen Apfelplantagen, durch die wir hier fuhren, schätzte ich auf mehrere Quadratkilometer.

An der Endstation Marahau konnte man zwischen verschiedenen Alternativen wählen. Für Mehrtageswanderungen gab es einfache, billige Hütten an mehreren der vielen, kleinen, idyllischen Strandbuchten. Wir wählten eine Fahrt mit dem Motorboot (Aquataxi) bis zu eine dieser, 12 Kilometer entfernt. Von dort wollten wir den Wanderpfad entlang der Küste zurück nach Marahau gehen. Mit einer Pause sollte das gut zu schaffen sein, bis der Bus uns um 16 Uhr wieder zurück nach Nelson bringt.
Zusammen mit acht Mitpassagieren warteten wir auf den Abmarsch zur nahen Küste. Da kam ein Traktor mit einem Aquataxi auf einem Anhänger. Unser Kapitän bat uns, in das Boot zu steigen. Wir saßen zum ersten Mal in einem Boot, das über Land fuhr.

Man nutzte die Ebbe um auf diese Art das Boot mit den Passagieren einfach ins Wasser zu bringen. Das Wasser hatte sich einige hundert Meter zurückgezogen. Hier war aber kein Schlick sondern fester Sanduntergrund. Der Traktorfahrer fuhr soweit ins Wasser, bis das Boot abgelassen werden konnte und schwamm. Motor an und los gings. Unser Kapitän war ein lustiger einer. Er begrüßte uns nun offiziell an Bord wie der Kapitän in einem Flugzeug. Abschließend noch einen Hinweis betr. Boot-Toiletten: Rechts für die Herren und links für die Damen.
Er fuhr die Küste entlang und hielt mehrmals an, um uns interessante Stellen zu erläutern und idyllische Strände zu zeigen. Wir erfuhren Wissenswertes über diesen Nationalpark. Er fuhr einen der Strände an, wo einige Passagiere ausstiegen. Ich wartete schon ungeduldig darauf, auf "unserem" Strand ausgesetzt zu werden. Nach ca. 45 Minuten war es so weit. Beim langsamen Annähern an den Strand sahen wir einen Rochen im seichten Wasser. Der Kapitän erläuterte: "Er hatte eine Form, wie die für das Radar unsichtbaren Flugzeuge." Es ist wohl eher umgekehrt.

Nach einer kurzen Pause in Form eines kleinen Spaziergangs durch die Sandbucht gingen wir den ausgeschilderten Pfad hinauf zum angelegten 50 km langen Küsten-Wanderweg. Es war ein ganzes Stück weit nach oben zu gehen. Auf dem ca 1 Meter breiten Pfad lief man bequem auch mit Sandalen. (Die kräftigen Schuhe, die wir extra für Neuseeland mit auf die Reise genommen hatten, wurden nie benutzt.)
Es wurde eine wunderbare Wanderung durch dicht bewaldetes (bebuschtes) Gelände mit fast ständigem Blick auf das Meer, kleinen idyllischen Buchten, Klippen und Inseln. Wir waren überrascht, dass es so still war. Zikaden hörten wir nicht, ab und zu mal einen Vogel. Es ist eine Freude hier zu wandern: es ist warm aber nicht heiß, die Landschaft ist schön und abwechslungsreich, es gibt keine störenden Fliegen oder Mücken, keine Schlangen oder anderes giftiges Getier.
Wir trafen nur vereinzelt andere Wanderer, meist jüngere Frauen. Viele wählen, mit dem Kanu die Küste entlang zu paddeln. Wir durften nicht zu langsam gehen, um vier Uhr ging der Bus zurück nach Nelson. Eine herrliche Pause an einer idyllischen Bucht lag aber drin. Erfrischendes Bad in paradiesischer Umgebung und danach schmeckte unsere einfache Vesper, die im Rucksack vorgewärmt war.
Wir waren frühzeitig an der Haltestelle des Busses nach Nelson und mussten eine halbe Stunde auf ihn warten.

Die nächsten Tage bis zu unserer Abreise am Sonntag dienten nur der Entspannung und des Wohlbefindens. Ein täglicher Spaziergang brachte uns noch zweimal an den Badestrand am Flugplatz, in die Parks der Stadt und entlang des kleinen Flusses. Sonst saßen wir viel auf dem Balkon und lasen und genossen abends immer wieder interessante Sonnenuntergänge.

Am Vorabend unseres Flugs nach Auckland und weiter nach Brisbane, Australien hatten wir Julie und Ray zu einem Abschiedsessen eingeladen. Ich machte ein einfaches aber schmackhaftes italienisches Pastagericht mit Chorizo-Wurst und Mozarella. Es gehört zu meinen Lieblingsrezepten, weil es gut schmeckt und einfach zuzubereiten ist. Ray brachte Wein und Bier mit und wir hatten einen netten Abend zusammen. Wir wussten, dass unsere Tauschpartner noch ein Haus, in Brisbane, besitzen. Sie fliegen öfter dorthin, besonders im Winter, wenn es hier nachts einige Grade unter Null werden kann.Wir hatten schon vorher ausgemacht, dass wir eine Woche dort wohnen können. Wahrscheinlich werden wir nur drei Tage dort sein. Es wäre unterkunftsmäßig nicht notwendig gewesen, da wir einige Tage beim Sohn Axel schlafen werden und dann schon in das nächste Tauschhaus in Sunshine Beach einziehen können, ca. 80 km nördlich von Brisbane. Wir wussten aber von Bildern, dass Julie und Rays Haus in Brisbane Wellington Point auch eine schöne Lage mit Meerblick hatte, was wir uns nicht entgehen lassen wollten. Außerdem hatten wir einen einfachen Transport dorthin. Axel und seine Cheron wohnen ca. 30 km von Wellington Point entfernt und werden uns hinbringen. Wir bekamen die Schlüssel und wenn wir das Haus wieder verlassen, sollten wir diese im Haus zurücklassen. Die Tür verriegelt sich beim Schließen selbst. In Australien und Neuseeland regelt sich das meiste unkompliziert.

Am nächsten Morgen, am 14. März um 10:30 Uhr, brachten Ray und Julie uns zum Flugplatz. An der Ausfahrt zur Straße bat ich Ray anzuhalten. Ich wollte ein Foto von ihm und Julie unter dem Songer Tree machen.
In der kleinen Flugzeughalle sagten wir adjö. In 4,5 Monaten werden wir sie bei uns in Åmål wiedersehen.

Das zweimotorige Flugzeug der Air New Zealand nach Auckland startete pünktlich. Ich saß am Fenster und sah "unser Haus" rechts unten von ca. 300 m Höhe. Wir werden es nie wiedersehen.
***
Du schönes, stilles Musterland

Ich glaubte nie, dass wir uns fänden,
der Gedanke kam mir abhanden.
Es lag an kleinen Glücksumständen,
dass wir uns schließlich dennoch fanden.

Du bist ein Land und zweigeteilt,
es gibt ein Hüben und ein Drüben.
Im Norden liegt dein Oberteil,
der Rest liegt mehr im Süden.

Ganz im Norden liegt deine Großstadt,
in ihr der Himmelsturm "Sky Tower".
Von diesem stürzt man, wenn man Mut hat,
sich mit Schreck- und Freudenschauer.

Die Fahrt nach Süden lässt erahnen,
deine frische, grüne Mildheit.
Den nicht erloschenen Vulkanen
verdankst du deine Wildheit.

"Windy Welly", die kleine Hauptstadt,
liegt an der Sraße des Herrn Cook.
Wenn man drei Tage für sie Zeit hat,
lernt man sie lieben, sie ist schmuck.

Das Kreuz des Südens ständig funkelt,
am Tag auf deiner Landesfahne,
nachts am Himmel, wenn es dunkelt.
Ein Lichtsymbol, ich es erahne.

Dein so famoses Unterteil,
auf der anderen Straßenseite,
wird jenen Wanderern zuteil,
die lieben straßenlose Weite.

Du schönes, stilles Musterland,
du bist umschwärmt und wohlbekannt.
Und deine isolierte Lage
schützt dich vor der Schönen Plage:
Massentourismus-Invasion.
Du willst das nicht, gar keine Frage.
Für dich allein das Wort ist Hohn.

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© Willi Grigor, 2010 (Rev. 2017)

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