AU 2010 08 Nelson, NZ - Page 3

Bild zeigt Willi Grigor
von Willi Grigor

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erst etwas skeptisch war, und kaufte noch eine. Wir saßen auf einer Bank und machten eine späte Mittagspause.
Danach gingen wir ein bisschen ziellos aber nach Karte durch die angrenzenden Viertel und kleineren Parks. Mehrere Male kamen wir an das Ende der Stadt. Viele Straßen enden vor unbebauten Hügeln.

Jetzt hatten wir schon das Gefühl, dass wir uns in der Innenstadt orientieren konnten. Zum Supermarkt, in dem wir mit Ray und Julie gestern einkauften, mussten wir uns allerdings durchfragen. Wir wollten einkaufen und wieder nach Hause. Dieser erste Erkundungsspaziergang war lang genug, ich hatte ja schon einen zweistündigen heute morgen. Der kleine Rucksack war ziemlich voll und die erste Bewältigung des letzten, zum Teil sehr steilen Kilometers war eine Herausforderung. Mehrere sollten folgen. Ich bin sicher, wir waren die Einzigen in unserer Wohngegend, die zu Fuß ihre Einkäufe erledigten. Die Dusche und das Essen anschließend waren unsere Belohnung.

Geschichtsträchtiger Platz
Im Internet hatten wir uns über Nelson schlau gemacht. Wir wussten jetzt, dass wir an einem - für neuseeländische Verhältnisse - geschichtsträchtigen Platz wohnten. Vom Balkon aus sahen wir links einen markanten Felsen und das Ende der langen Sandbank. Hier legte Arthur Wakefield am 1. November 1841 als erster Europäer mit einem Schiff an. Arthur Wakefield war ein ehemaliger Seekapitän im Dienste der englischen Marine. Er wechselte zur New Zealand Company, die mit der Besiedelung Neuseelands Geld verdienen wollte. Arthur Wakefield bekam ein Schiff und sollte besiedelbares Land mit einem geeigneten Hafen im Norden der Südinsel suchen. Dies fand er im heutigen Bereich um Nelson aber auch im heutigen Wellington auf der Nordinsel.
Der natürliche Hafen ist durch eine 14 km lange Sandbank (Boulder Bank), geschützt und hat eine etwas beschwerliche Einfahrt am Ende der Sandbank (besonders bei Ebbe) mit dem auffälligen Felshindernis. Bereits im nächsten Jahr 1842 kamen die ersten drei Schiffe mit Siedlern hier an. Wakefield und seine Männer hatten in der Zwischenzeit schon einige Straßen und Häuser gebaut. Eines dieser drei Schiffe rammte die Felsenklippe und lag danach jahrelang als Mahnmal im Wasser. Das Schiff hieß "Arrow", weshalb der Felsen "Arrow Clip" genannt wird. Aus diesem Grunde wurde später die Sandbank genau unserem Haus gegenüber geöffnet und so eine neue und sicherere Hafeneinfahrt geschaffen.

Wir beschlossen, uns die erste Anlegestelle anzusehen. Der schon erwähnte verkehrsreiche State Highway 6 führt an dieser Stelle vorbei. Etwas weiter soll ein schöner Sandstrand sein, den wir uns auch anschauen wollten. In Nelson selbst gibt es keinen Badestrand. Gullan und ich gingen die steile Abkürzung nach unten, überquerten mit Mühe die Straße und wanderten auf dem schmalen Bürgersteig zwischen Straße und Wasser. Nach einem knappen Kilometer, auf Höhe des Felsens, sahen wir das kleine Schild unter einer dunkelrot blühenden Baumkrone, das an die Erstanlegung des Schiffes von Kapitän Wakefield erinnerte.

Nach weiteren 10 Minuten waren wir an dem schönen und breiten Sandstrand "Tahunanui Beach". Es war eigentlich eine schöne Strandpromenade, wenn die Autos nicht gewesen wären, die ständig ziemlich nahe an uns vorbei sausten. Wenn Nelson einen Nachteil hat, dann ist es das Nichtvorhandensein von Strand und schöner Strandpromenade im Stadtgebiet. Als Touristenstadt kann man Nelson nicht bezeichnen. Es ist aber mit 2200 Sonnenstunden pro Jahr der sonnenreichste Platz in Neuseeland und ein beliebter Wochenend- oder Ferienwohnort von betuchten Neuseeländern und Australiern, die das sonnige aber nicht so heiße Klima anlockt. Wir merkten das durch die vielen Privatflugzeuge, die am späten Freitagabend vor unserem Balkon vorbei schwebten um auf dem Flugplatz gleich hinter dem Strand, zu dem wir jetzt unterwegs waren, zu landen.

Am Beginn des Strandes steht ein Monument zur Erinnerung an den holländischen Seefahrer, der als erster Europäer bereits 1642 nach Neuseeland kam und an dieser Küste an Land ging. Er wusste aber nicht, dass es sich um eine Insel handelte. Erst James Cook "wiederentdeckte" 1769 Neuseeland und kartographierte es. Die positiven Berichte von Cook belebte das Interesse an Neuseeland, und die Besiedelung durch zumeist Briten begann Anfang des 19. Jahrhunderts. 1842 kam also Arthur Wakefield und gründete u. a. Nelson. Die Besiedelung Neuseelands durch Europäer begann also ziemlich spät. Die Geschichte Neuseelands ist für einen Besucher deshalb relativ leicht greifbar.

Sobald ich den Sand unter den Füßen spürte zog ich Rucksack und Kleider aus und die Badehose an. Das Wasser war warm und ziemlich ruhig und ich musste weit hinausgehen um Schwimmtiefe zu erreichen. Gullan kam unterdessen mit einigen Volleyballspielern ins Gespräch. Ich schwamm gemütlich den Strand entlang und genoss den geringen Wellengang. Mein letztes Schwimm-Bad hatte ich vor fast 5 Wochen in Dolls Point, Sydney. Gullan folgte mir am Strand. Sie hatte immerhin die Schuhe ausgezogen und trug den Rucksack mit meinen Klamotten. Wieder auf dem Trockenen gingen wir weiter auf dem schmaler werdenden Sandstreifen, der sich nach einer Linksbiegung noch ein Stück fortsetzte. Wir waren jetzt nahe am Flughafen und sahen von nächster Nähe einige zweimotorigen Linienmaschinen landen. In einer von diesen werden wir bei unserer Abreise sitzen. Wir teilten uns den Sandstrand mit nur wenigen Leuten. Aber daran waren wir schon gewohnt. Neuseeland und Australien sind zu weit abgelegen und haben zu viele und lange Strände als dass es hier jemals eng werden könnte.

Wir brachen unseren Strandspaziergang ab, gingen durch den schmalen Buschgürtel hinter den niedrigen Dünen und waren plötzlich in einem vollkommen andersartigen Umfeld. Zwischen Strand und der Straße vor den Häusern des Ortes Tahunanui erstreckte sich eine überdimensionierte, parkähnliche Anlage mit Grünflächen und Sportplätzen. Auch hier waren wir ziemlich allein. Die Anzahl der leeren Parkplätze deutete aber an, dass es an Wochenenden hier belebter sein muss. Wir suchten ein schattiges Plätzchen, kauften Kaffee und etwas Süßes und waren rundum zufrieden. Mehr als das hier braucht man nicht im Leben, sagte ich bescheiden und Gullan hatte keine Gegenargumente.

Beim Rückmarsch auf dem Highway 6 sah ich auf halber Strecke auf der anderen Straßenseite einen kleinen, offenen Platz in der Steilwand, mit Bäumen und einer Bank. Ich wurde neugierig und begann das gefährliche Unterfangen eines Seitenwechsels. Dies ging eigentlich nur in zwei Etappen:
1. Warten auf eine Lücke zwischen zwei Autos von rechts und schneller Lauf bis zum weißen Strich auf der Straßenmitte.
2. Warten auf eine

© Willi Grigor, 2010 (Rev. 2017)

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