Leben in Zeiten der Massenpsychose - Page 23

Bild von sheogorath
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zusammen und erhoben ihre Stimme. Ich fühlte mich ihnen
tatsächlich verbunden. Familien mit Kindern kamen mit Picknikdecken und
schlugen ihr Lager in der Stadt auf. Ich kam ins Gespräch mit anderen und
fühlte so etwas wie Gemeinschaft aufkommen.

Das Polizeiaufgebot schien alledem etwas ratlos gegenüberzustehen. Martialisch
aufgerüstet standen Polizisten abseits und sprachen nur hin und wieder
einzelne Personen an, um irgendwelche Regeln einzufordern. Jedoch wurden keine
Regeln eingehalten: alle waren nahe beeinander und kaum jemand trug einen
Mundschutz. Gerade das machte mir Mut: endlich einmal wieder ganz normal
miteinander umgehende Menschen zu erleben. Das folgende Medienecho war
aufgeregt wie ein aufgeschreckter Hühnerstall. Von Ausschreitungen war die
Rede, von Nichteinhaltung des Mindestabstands, vom Nichttragen des
Mundschutzes, sogar KINDER hätte man mitgebracht und unbeteiligte Passanten
seien angesprochen worden, doch endlich den Unsinn mit dem Mundschutz sein zu
lassen. Größtmöglicher Frevel also gegen die neuen Glaubensgrundsätze.
Weiterhin erfuhr ich aus der Presse, dass es sich bei Menschen wie mir um eine
Querfront von Verschwörungstheoretikern, stadtbekannten Hooligans und
Rechtsextremen sowie Impfgegnern handelte. Offenbar war der Staatsapparat
überrascht über das Ausmaß des Widerspruchs nach fast zwei Monaten Leben und
Regieren jenseits der verbrieften Grundrechte. Später erhielt ich Hinweise,
dass die Polizei nur deshalb die Demonstrationen nicht aufgelöst haben soll,
da sie den Demonstranten zahlenmäßig zu stark unterlegen war.

Der Faschingsstaat Bayern hatte hier ein Gesicht zu verlieren. Immerhin
herrschte in seinem Selbstbild in diesem Bundesland mehr Zucht und Ordnung als
in den anderen Ländern. Der bayerische Innenminister äußerte über den
Staatsfunk sein besonderes Entsetzen über die Verantwortungslosigkeit der
Demonstranten und stellte in Aussicht, dass sich das am nächsten Wochenende
mit Sicherheit nicht wiederholen würde. Und tatsächlich wiederholte es sich
nicht auf diese Art. Eine vermutlich absichtlich chaotische
Kommunikationsstrategie der Stadt führte dazu, dass niemand genau wusste, wo
und wann nun eigentlich welche Demonstration stattfinden würde. Die in Frage
kommenden Veranstaltungsorte waren nun alle weit abseits der Innenstadt. Die
maximale Demonstrationsdauer wurde auf eine Stunde beschränkt.

Mein Versuch die Innenstadt mit einem Protestschild im Gepäck zu passieren
endete sogleich freundlich und bestimmt mit einem Platzverbot durch einen
Polizeiposten. Dass ich sowas noch erleben durfte. Die politischen Aussagen
auf meinen Schildern wurden sogar auf ihren Inhalt geprüft. Aber das
befürchtete (oder gewünschte?) extremistische Gedankengut konnte man darin
wohl nicht erkennen. Ganz im Gegenteil schien mir der Polizist sogar ein wenig
berührt davon. Ich fragte mich, ob es nicht auch eine Taktik sein könnte, sich
von jedem Polizeiposten durchsuchen zu lassen und so die politische Botschaft
direkt unter dem Staatspersonal zu verbreiten. Auf meine direkte Frage, was er
denn von den ganzen Maßnahmen halte, verfiel der Polizist jedoch in ein
unverfängliches „sie sind ein notwendiges Übel“. Am liebsten hätte ich ihm
noch mit auf den Weg gegeben, dass wenn wir uns alle anstrengen, es vielleicht
gelingt, dass er bald mal eine Ordnung durchsetzen darf, die auch mit dem
eigenen Gewissen gut zu vereinbaren ist. Doch dies war mein erster
Zusammenstoß mit der Polizei überhaupt und ich empfand ihn schon so als
anstrengend genug. Doch ich hatte es geschafft angstfrei dieses Platzverbot
über mich ergehen zu lassen und auch locker mit den Beamten zu sprechen. Sie
erfüllten ja gerade nur den ausdrücklichen Wunsch ihres obersten Chefs, dachte
ich bei mir.

Die Polizisten waren sogar so nett mir zwei Veranstaltungsorte außerhalb der
Stadt zu nennen, an denen ich es versuchen sollte. Der erste Ort war
übermächtig von Polizei belagert. Aus allen umliegenden Regionen war Polizei
zugezogen worden. Schon die Anfahrt zum Gelände mit dem Fahrrad war
anstrengend. Straßenzüge wurden wie mit Panzersperren abgeriegelt. War das nun
nur eine Machtdemonstration oder hatte dieser Staat wirklich so viel Angst vor
ein paar versprengten Verschwörungstheoretikern? Gefühlt gab es genauso viel
Polizeipersonal wie Demonstranten. Auf einem riesigen Platz wurden angeblich
genau 500 Personen eingelassen. Ich schaffte es nicht mehr hinein. Es
erschienen mir weniger als 500 Personen zu sein, doch darin konnte ich mich
leicht täuschen, denn die Demonstranten wirkten verloren und verstreut auf dem
großen Gelände. Wie eine Herde Schafe wurden sie innerhalb einer Absperrung
gehalten. Dort hätten sie nun mit sich selbst im Angesicht der Staatsmacht
demonstrieren können. Es wurde ihnen auch noch verboten sich gehend
fortzubewegen, da sich sonst die Demonstration in einen „Aufzug“ verwandelt
hätte, welcher nicht genehmigt war. Es war klar, dass einfach keine
ernstzunehmende Demonstration gewünscht war.

In einer chaotischen Szene schaffte ein größerer Pulk der Demonstranten es
irgendwie, sich aus dem Kessel zu befreien und marschierte weiter in Richtung
des anderen Demonstrationsortes, was Drohungen von Seiten der Polizei zur
Folge hatte. Der ganze „Aufzug“ wurde nun von Dutzenden Polizeibussen
verfolgt. Gegenüber des Demonstrationsgeländes fand eine ebenfalls angemeldete
Gegendemonstration von Nazigegnern statt. Um diese vielleicht 50 Menschen
schien sich die Staatsmacht nicht so große Sorgen zu machen. Sie waren nicht
eingepfercht und hatten sogar eine improvisierte Bühne. Auf dieser verkündeten
sie die neueste Einordnung dessen, wer ein Nazi sei in diesem Lande und wer
nicht. Wer sich gegen C stellte schien gute Chancen zu haben, dazuzugehören.
Um den Sprachstil der Leitmedien zu spiegeln würde ich diese
Gegendemonstration gerne noch einmal anders beschreiben: Es handelte sich um
eine versprengte Gruppe von Regierungsagenten, Kaisertreuen und Jubelvolk, die
dem herrschenden Narrativ nach dem Mund redeten.

Ich hatte weder Lust mich einpferchen zu lassen noch wollte ich mit
Polizeigeleit einem nicht gewünschten Aufzug folgen. Ich machte mich daher mit
dem Fahrrad auf zum anderen Demonstrationsort. Auch hier herrschte ein
umfassendes Polizeiaufgebot. Die Organisation der Demonstration war jedoch
besser. Es gab eine Bühne mit mehreren Absperrungsringen darum herum in denen
sich die unmittelbaren Teilnehmer aufhalten durften. Viele Zaungäste waren
gekommen und es gab immerhin einige Passanten, da es sich um eine Freifläche
handelte, die zur Freizeitgestaltung genutzt wurde. Von der Bühne aus wurden
alle Grundrechte angemahnt, die derzeit ausgehebelt waren. Sachliche und
weise Worte zu den Vorgängen im Land rund um die C-Thematik wurden
weitergegeben. Hier fühlte ich mich gut aufgehoben auch wenn ich es nicht zu
den relativ wenigen auserwählten Demonstrationsteilnehmern im inneren Zirkel
geschafft hatte. Das nächste Mal würde ich noch früher vor Ort sein müssen.

Auch im Nachgang dieser Demonstration warf ich einen Blick in die Lokalpresse,
um zu erfahren, wie die Demos diesmal von den Leitmedien bewertet wurden. Es
war faszinierend. Man war nun zufrieden mit dem Ablauf der Demonstrationen.
Die Konsumenten in der Innenstadt waren mundgeschützt und ungestört. Die
Demonstranten hätten sich auch viel besser verhalten. Der Mindestabstand
zwischen den Personen sei eingehalten worden. Das konnte ich jedoch keineswegs
bestätigen. Ich erlebte hier gerade aus erster Hand, dass die Medien die
Realität erschaffen, anstatt sie abzubilden. Der Wille der Herrschenden war
erfüllt, die Menge der Demonstranten war zerstreut und unterlag nun den
strengen Auflagen der Behörden. Daher durfte nun auch etwas in der

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