Leben in Zeiten der Massenpsychose - Page 22

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auch gar nicht erst
professionelle medzinische Masken sein. Es musste nur irgendeine Art von
Bedeckung sein. Ein Beitrag aus der alternativen Berichterstattung titelte
daraufhin pointiert: „Der Mundschutz ist das neue Hakenkreuz“. Ja tatsächlich;
am Mundschutz sollte man nun jeden Mitläufer erkennen können beziehungsweise,
viel interessanter: am fehlenden Mundschutz jeden Oppositionellen erkennen
können. Ein Anflug von Faschismus schien sich tatsächlich im Lande breit zu
machen, wenn man noch Plakate mit Sätzen wie „Achten Sie auf sich und andere“
mit in Rechnung stellte.

Die Qualitätskontrolle des Deutschlandfunk-Radios schien geschwächelt zu
haben. Herr Montgomery vom Weltärzteverband äußerte sich in einem Interview
dahingehend, dass er eine Maskenpflicht für nicht funktionierende Masken für
eine Art Geistesschwäche hält. Doch wenn es um Talismanne ging zählten nicht
Fakten, sondern nur der gute Wille und die Anpassung an das Gebot der Stunde,
dachte ich mir.

Auch die Maskenpflicht, oder wie mein Freund Bernhard sie nannte, die
Maulkorbpflicht, sollte über ein Wochenende hinweg in Kraft treten. Am letzten
Samstagabend ohne diesen Vermummungszwang war ich noch in einem Baumarkt und
in einem Gartenmarkt einkaufen. Diese Kategorie Geschäfte durfte mittlerweile
wieder öffnen. Ich beobachtete ungefähr 50 Prozent Menschen mit Masken und 50
Prozent ohne. Doch auf der Straße zeigten sich bereits einige bizarre Szenen.
Ein älteres Ehepaar, welches aus dem Haus trat, zunächst noch ohne Masken,
bestieg das eigene Auto, wo, wie im Überschallflieger die Masken angelegt
wurden, so wie der Gurt angelegt werden musste.

Am darauffolgenden Montag nahm ich ein weiteres Kippen der Stimmung auf der
Straße wahr. Ich sah überall auf den Straßen Gesichter, die in einem Anflug
von Übererfüllung der neuen Gebote selbst im Freien mintgrüne Gesichter
hatten. Die Damenwelt gestaltete es gerne etwas modischer und setzte gut
kombinierbare Selbstbau-Masken auf. Die Gesundheitsrepublik Deutschland. Oder
das Krankenhaus Deutschland? Ganz gesund schien mir das alles jedenfalls schon
seit Stunde Null nicht zu sein.

Leidend unter stickigen Masken quälten sich die Menschen nun durch die
Regalreihen der Supermärkte. Die Paranoia oder der Gefolgsam waren bei manchen
Mitbürgern so groß, dass sie sich nicht getrauten, dieselbe Regalreihe
gleichzeitig mit einem anderen Kunden zu betreten. So lauerten sie um die
Ecke, wann die „Luft rein“ war. Mein Mitgefühl galt vor allem den Angestellten
in den Läden, die nun den ganzen Arbeitstag lang diese Talismanne zu tragen
hatten. Aber auch von diesen mochten viele denken, es sei ja alles für einen
guten Zweck. Erstmals bekam ich in meinem Leben ein Gefühl dafür, was es
hieß, einer Kleidervorschrift im Alltag genügen zu müssen. Nach
jahrzehntelangen Diskussionen über Kopftuchkultur, Zusammenstößen mit der
Polizei bei G20-Protesten wegen Vermummungsverbots und einem bereits
erlassenen Vermummungsverbot in der Öffentlichkeit in Österreich galt nun also
ein Vermummungs*gebot*. In Österreich werden manche Bürger ihren Augen und Ohren
nicht getraut haben.

Ich selbst versuchte mich darin, diesen neuesten Schlag der Autorität gegen
das Alltagsleben in sein Gegenteil zu verkehren. Wenn ich nun schon ein Tuch
über dem Gesicht tragen sollte, warum sollte ich nicht dieses Tuch zu einer
Mitteilungsfläche meines Widerstands machen? Ich heftete in den ersten Tagen
wechselnde Zettel mit kritischen Botschafen darauf an. Tatsächlich erhielt
ich viele skeptische Blicke aber auch hin und wieder einen zustimmenden
Kommentar von der Kassiererin. Eigentlich ist es mir wesensfremd in
irgendeiner Form aufzufallen. Doch die Lage, in die meine Gesellschaft geraten
war, setzte auch mich einem unglaublichen Druck aus. Ich hatte das Gefühl
unbedingt etwas tun zu müssen. Das mindeste musste doch sein zu zeigen, dass
es *keine* Einstimmigkeit zu diesen Vorgängen gab.

Opposition formiert sich in Wellen

Nach etwa einer Woche Lockerungspolitik mehrten sich plötzlich auch in den
Massenmedien Stimmen des Widerspruchs. Einzelne Politiker scherten aus,
einzelne Gerichte fällten nützliche Urteile. So wurden etwa Einschränkungen im
Saarland gekippt und darauf verwiesen, dass Einschnitte in die Grundrechte
einer täglichen und transparenten Überprüfung durch die Exekutive bedürfen.
Die Angstfraktion im Lande hantierte neuerdings mit dem Begriff der „zweiten
Welle“ an Erkrankungen, die noch kommen werde, wenn die „Maßnahmen“ zu
leichtfertig gelockert würden. Von den kritischen Experten hörte ich dazu zwei
Dinge. Zum einen, dass es für eine zweite Welle erst einmal eine nennenswerte
erste Welle geben müsste. Außerdem, dass es noch niemals so etwas wie einen
plötzlichen Anstieg an Erkrankungen im Sommerhalbjahr in der Geschichte der
Grippeerkrankungen gegeben habe. Im alternativen Umfeld befürchtete man nun
folgendes Szenario: Die Maßnahmen werden zögerlich gelockert, etwas
Widerspruch wird geduldet und dann plötzlich kommt die vorhergesagte zweite
Welle an Erkrankungen. Wenn die nicht in Wirklichkeit stattfindet, dann eben
nur in der Berichterstattung. Die Schuld dafür würde dann den Lockerungen und
den Widerständlern in die Schuhe geschoben und die Zügel wieder ganz fest
angezogen werden.

Ich zweifelte nach allem bisher erlebten nicht daran, dass ein solcher Verlauf
prinzipiell möglich war. Das besondere an den Vorgängen der letzten sechs
Wochen war, dass außer düsterer Vorhersagen und Zahlenzauber keinerlei
wirkliche Grundlage als Voraussetzung für die ganze Aufregung existierte.
Insofern war dies ein Perpetuum Mobile der Propaganda. Gibt es keine große
Zahl an Todesfällen, dient dies als Beleg für die Wirkung der Maßnahmen, die
noch lange notwendig sein werden. Steigen die Todesfälle, ist das der Beleg
für die Notwendigkeit noch strikterer Maßnahmen. Kein Wunder, dass hier eine
„Exit-Strategie“ nicht leicht zu finden war.

In den Medien hatte sich mittlerweile der C-Kult zu einem eigenen Genre
entwickelt. Es gab keinen Artikel über die neuesten Nebensächlichkeiten zum
Thema, der sich nicht veröffentlichen lassen hätte. Die Pandemie aus
religiöser, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, mikrobiologischer,
krankenhausmedizinischer, lungenmedizinischer, philosophischer und sozialer
Sicht. Die Pandemie in den USA, die Pandemie in der dritten Welt, die ersten
Spuren der Pandemie Ende 2019, Vorhersagen für die Pandemie in 2021, die
Pandemie in Kindergärten, in Schulen und in Altersheimen. Allerlei wurde in
diesen Artikeln auch kritisiert, nur durfte kaum je in Zweifel gezogen werden,
dass eine große Gefahr bestand und weiterhin besteht. Der Durchschnittsbürger
schien sich anstatt des Wetterberichts zum Frühstück nun den täglichen
C-Bericht durchzulesen. „Das ändert sich heute zu C.“, „Das müssen sie aktuell
über C. wissen“ und viele weitere Dauerbrenner dieser Art gab es auf den
Nachrichtenseiten zu lesen.

Zu Beginn des Monats Mai wurden endlich auch wieder Demonstrationen möglich.
Das war zum Teil durch Gerichte erstritten worden. Zum Teil schienen die
Regierenden auch großzügige Einsicht zu zeigen. Doch die Proteste sollten der
NN entsprechen. Am besten sollten alle Demonstrierenden mit Mundschutz
auftauchen und sich zwei Meter voneinander fernhalten. Unter solchen Umständen
konnten natürlich keine ernsthaften Demonstrationen im üblichen Format
gestaltet werden. Ich selbst war erstmals in meinem Leben motiviert, an einer
Demonstration teilzunehmen. *Gesicht zu zeigen* schien mir notwendiger denn je.
Und ich wollte nicht mehr länger fast völlig allein mit meinen Ansichten sein.
Ich wollte auf Tuchfühlung mit anderen Kritikern gehen. Ein denkwürdiger
Demonstrationssamstag am 9. Mai war für mich ein voller Erfolg. Menschen aller
Gruppierungen kamen

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