Da ist er. Mein Biest. Der Herzkater. Wie Muskelkater: ein Schmerz nach großer Anstrengung und besonders in den Partien, die stark strapaziert wurden. Das passt. Der Kater war nicht immer ein Kater und er war auch kein Kätzchen.
Medizingeschichtlich war der Kater mal ein Katarrh. Der Volksmund ist zu vielem fähig. Mit etwas Phantasie. Volksetymologisch nennt man sowas. Was das ist? Nun, das ist so ein Wortbildungsprozess. Wenn ein unbekanntes Wort um die Ecke kommt, aus einer Fremdsprache, dann wird das gerne nach dem Vorbild vertrauter Wörter einkassiert. Ins eigene Vokabular aufgenommen. Das kann durch eine phonologische Veränderung passieren. Oder eine Analogie hilft nach. Tiefergelegt, sozusagen. Durch weitererzählen. So eine Art stille Post.
Ist Herzkater Liebeskummer? Langsam. Wenn es emotional wird, neigt man ja gerne gleich zum Extrem. Der Herzkater ist vielleicht so etwas wie der kleine Liebeskummer. Die kleine Schwester. Die alltagsfähige Dosis. Aber eben auch nicht der Liebeskummer „to go“. Er ist auf der feinen Skala die Fläche zwischen Glück und emotionalem Super-Gau. Der Herzkater geht überhaupt gerne in die Fläche, denn er ist nicht nur an die eine Person gebunden. Anders als der waschechte Liebeskummer, so wie ihn viele nur noch aus Büchern, Filmen oder halt dem Fernseher kennen. Aus der Konserve halt.
Der Herzkater ist ein bisschen sowas wie das Ergebnis von ausgiebigem Gefühlstraining. Er ist die Quittung immer dann, wenn man knapp über den eigenen Verhältnissen empfindet. Er ist ein bisschen so wie der leichte Sommerschnupfen, den man sich geholt hat, weil man abends mit einem wunderbaren Menschen auf der Terrasse gesessen hat: der Moment ist magisch, die Worte perlen. So viel mehr als das stumpfe Abstottern von Sozusagendem. Die Zwischentöne. Das Zwischenzeilige. Man ist in diesem besonderen Mood. Wohlfühlen pur. Wein und Fingerfood passen ganz genau. Die Musik breitet sanft einen flauschigen Teppich aus. Man fängt zu fliegen an. Und es ist etwas in der Luft. In der Luft, die langsam aber spürbar abkühlt. Was man aber stur ignoriert, weil man den Moment nicht versauen will, um aufzustehen, um sich eine Decke oder eine Jacke zu holen.
Der Herzkater verfeinert die Lust und die Fähigkeit zur und an der Empfindung. Schön wenn der Schmerz nachlässt. Bitter. Süss. Bittersüss. Er ist das immerwiederkehrende, leise Plädoyer für mehr Gefühle im Alltag. Gefühle erkennen zu können und zu wollen und sie einfach zuzulassen. Ganz egal wann und wo. Eine schöne Sucht. Und ziemlich unbedenklich. Ganz im Gegenteil. Es muss ja nicht immer gleich der ganz große Liebeskummer sein wenn’s mal ein bisschen weh tut, oder? Mehr Mut! „Don’t forget to hüpf!“ wie eine gute Freundin immer wieder fordert.
Ich habe mal einen schönen autobiographischen Artikel von Bernadette Note gelesen. „Wenn Liebe wehtut“: ob 17 oder 50 - Liebeskummer kann jeden erwischen. Kein Grund der Liebe abzuschwören. Sie resümiert: „… wer weiß, vielleicht wird, wenn sich das nächste Mal Liebe in meinem Leben ereignet, daraus eine „richtige“ Geschichte. Eine mit Happy End, eine mit Liebeskummer. Der Ausgang ist eigentlich egal. Hauptsache: lieben! Immer wieder mutig anfangen zu können, das ist wichtig. Denn Liebe ist nichts für Feiglinge. Das Leben erst recht nicht.“
Das stimmt, liebe Bernadette. Und für das tägliche, echte Leben empfehle ich hier und da einen kleinen Herzkater. Dass man spürt, wie schön und echt das wahre Leben ist und dass man die großen Momente nicht einfach abfahren lassen sollte ohne zuzusteigen.
„Liebeskummer ist das Banalste von der Welt. Außer es ist der eigene.“
Erhard Blanck
© 2014/2016 Bruno Schulz
Kommentare
Hallo Herr Schulz ... gern gelesen! Bitte schreiben Sie den Titel nicht mit ins Textfeld ... Dadurch steht er auf Übersichtsseiten nur 2 x da. Viele Grüße