Der Schwan

Bild zeigt Monika Jarju
von Monika Jarju

Mitten auf dem See treibt eines Sonntagnachmittags ein Schwan wie ein kleines Segelboot ohne Mast, der Hals liegt über dem Gefieder, unsichtbar der Kopf. Ein schlafender Schwan? Schlafen Schwäne im Dahintreiben? Verunsichert schaue ich mich um. Vor der Strandbar Leute, in der Luft hängt der Geruch von Kaffee und Gebratenem. Gruppen von Gästen an Holztischen, andere sonnen sich in Liegestühlen, schwenken Getränkebüchsen, Paare schauen in die Weite, auf die Kronen des Uferwaldes gegenüber. Ein Mann wirft Brotstücke in die Luft, Möwen kreischen, schnappen die Brocken. Enten und Schwäne schwimmen eilig herbei. Spaziergänger lehnen am Geländer der Uferpromenade, beugen sich darüber. Niemand achtet auf den vorbeiziehenden Schwan. Nichts, rein gar nichts geschieht. Sehe nur ich ihn dahintreiben? An dem Schwan lässt sich an diesem sonnigen Nachmittag nur Reglosigkeit feststellen. In seiner Reglosigkeit wirkt er wie tot, was wohl daran liegt, dass ich hier noch nie einen solchen Schwan gesehen habe. Langsam und stetig trägt ihn die Strömung mit sich fort. Von der Strömung ist nichts weiter zu berichten. Ich sehe ihm lange nach wie einer Täuschung.

Prosa in Kategorie: 
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