21. März 2020: Weltweit sind mehr als 270.000 Menschen an der Lungenkrankheit Covid-19 erkrankt, mehr als 10.000 Todesfälle sind registriert - und ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Die Arztpraxen sind mit besorgten Patienten überfüllt, Fußballspiele, Konzerte, Versammlungen aller Art wurden abgesagt, Schulen, Unis geschlossen, es droht ein Ausgangsverbot in fast allen deutschen Bundesländern. Der DAX rast in den Keller, Teile der Wirtschaft kommen zum Erliegen, vor allem die selbständig Arbeitenden fürchten um ihre Zukunft. Zu den verstörenden Seiten der Seuche gehören die Vereinsamung allein lebender, vor allem alter Menschen in ihrem Zuhause oder in den Heimen, die von ihren Angehörigen nicht mehr besucht werden dürfen, aber auch Hamstereinkäufe, die leergefegte Supermarktregale zur Folge haben und das Verhalten vorwiegend junger Menschen, die sich weiterhin auf öffentlichen Plätzen in Gruppen zum Feiern treffen und nicht bereit sind, sich dem Ernst der Lage zu stellen.
Ja, die Corona Pandemie bedroht und verunsichert uns Menschen weltweit. Sie überfällt uns unabhängig von nationaler oder weltanschaulicher Zugehörigkeit über alle Sprachbarrieren hinweg, ganz gleich, ob wir jung oder alt, arm oder reich sind. Sie ängstigt und verunsichert uns in allen Lebensbereichen. Aber sie beinhaltet auch Chancen, denn sie könnte uns aus dem Schlaf der Bequemlichkeit rütteln, näher zusammenrücken lassen - über trennenden Grenzen hinweg.
Angst essen Seele auf, so der Name des Kultfilms des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974. Vielleicht aber kann Angst Seelen auch heilen. Denn uns verunsichernde Umbrüche jeder Art haben ihre guten Seiten. Vernachlässigte Eigenschaften wie Rücksichtsnahme, Toleranz und Hilfsbereitschaft werden gestärkt und verdrängen die permanente egozentrische Selbstbespiegelung, die ein Zeichen der Zeit zu sein scheint.
Könnte es nicht sein, dass diese Krise gewissermaßen ein göttlicher Fingerzeig ist? Will sie uns vielleicht eine heilsame Lehre erteilen, die uns bitter Not tut, die uns umdenken lässt und endgültig zur Erkenntnis verhilft, dass wir es durch unsere Gier und unser Profitdenken fast schon geschafft haben, das einmalige Geschenk des Lebens auf diesem Planeten zu verspielen? Lohnt es sich nicht, über diesen Aspekt von Covid-19 ernsthaft nachzudenken?
Corona, rüttele uns aus dem Schlaf, öffne die Herzen und lass uns begreifen, dass dieser Welt durch unsere Selbstbezogenheit und Machtgier ein viel größerer Verlust droht als der Tod einiger zehntausend Menschen durch diese Epidemie, nämlich der Verlust der Natur, der Vielfalt der Arten, auf deren Existenz wir angewiesen sind auf „Gedeih und Verderb“.
Ein Hoffnungszeichen ist die Tatsache, dass dank der Coronakrise und der damit verbundenen Fahr- und Flugverbote und kompletten Schließung Umweltgifte ausstoßender Fabriken aller Art die weltweite Luftverschmutzung drastisch gesunken ist, wie Satellitenbilder der Nasa zeigen. Erfreuliches hört man auch aus Venedig. Wo jährlich etwa 30 Millionen Touristen das Stadtzentrum stürmen, kehrt Ruhe ein. Keine Riesenkreuzfahrtschiffe mehr. Die etwa 50.000 Einwohner können aufatmen. Sie freuen sich darüber, dass die Kanäle wieder sauberes Wasser haben, man schaut bis auf den Grund und kann sogar Fische beobachten. Solche kleinen Naturwunder wird es an vielen Orten der Welt geben. Der Massentourismus hat sich vorübergehend zurückgezogen, die Natur atmet auf und regeneriert sich.
Ausschlag gebend ist, was wir aus der Krise lernen. Unsere erste Bürgerpflicht ist jetzt sowohl die Mitmenschlichkeit als auch die Solidarität mit jenen, die tagtäglich in den Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken, Supermarktketten bis zur Erschöpfung arbeiten. Die unbedingt einzuhaltende Distanz voneinander überbrücken wir, indem wir uns in Telefonaten oder über Mails und andere Chatforen Trost und Mut zusprechen. Den Kampf gegen die Corona – Pandemie werden wir nur gewinnen, wenn wir weltweit lernen, uns als Gemeinschaft zu betrachten, indem wir die Ichbezogenheit infrage und das „Wir“ in den Vordergrund stellen. Nur über alle Grenzen hinweg vereint in Zuneigung und Respekt voreinander - haben wir die Chance, diese gigantische Herausforderungen in den Griff zu bekommen und die Hoffnung auf das Glück, noch eine Weile gemeinsam mit der Vielfalt von Flora und Fauna auf diesem wunderschönen Planeten Erde zu leben. Sollten wir fähig sein, umzudenken, teilen zu lernen und entsprechend zu handeln, dann hätten wir guten Grund, der Covid-19 Krise nach deren Überwindung - dankbar zu sein.
Danke, Corona?

von Marie Mehrfeld
Prosa in Kategorie:
Thema / Klassifikation:
Noch mehr von der Persönlichkeit → Marie Mehrfeld