Ablauf der Gnadenfrist

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von Marie Mehrfeld

Es sei Zeit, zu hören, es sei Zeit, zu sagen, es sei Zeit, zu handeln, es sei höchste Zeit, das lesen, hören, sagen wir – wie lange schon? Was hat es bewirkt? 115 Plastikbecher, 25 Plastiktüten und 1000 weitere Plastikteile fand man im Magen eines Wals, der kürzlich in einem Kanal an der Grenze zu Malaysia verendet ist. Unzählige Meerestiere sterben auf ähnlich qualvolle Weise tagtäglich an Thailands Küsten. Das Land gehört zu den weltweit größten Plastiktüten-Konsumenten. Für uns kein Grund, anklagend den Finger zu heben. Ich habe mich, wir alle haben uns schuldig gemacht, denn ich bin, wir sind Mitverursacher der Katastrophe, die sich anbahnt, nicht nur, was den Plastikkonsum betrifft. Wir reden, hören sagen, singen dagegen an - und verstecken uns hinter der gebetsmühlenartig wiederholten Redewendung des Hoffens. Das ist ein verhängnisvoller Rückzug in die eigene Bequemlichkeit. Bleibt noch Zeit, dass man sagt? Bleibt noch Zeit, dass man hört? Bleibt noch Zeit, dass man handelt? Ich bezweifele es und verzage. Sind wir Menschen mit unserem rücksichtslosen Konsum und dem verstärkten Hang zu narzisstischer Selbstbetrachtung und der allgemeinen Gier nach immer mehr nicht bereits am eigenen Egoismus gescheitert? Sind die selbstherrlichen Despoten, die auf unsägliche Weise Teile der Welt beherrschen und jeden Fortschritt in Richtung einer friedlicheren, besseren Welt verhindern, nicht ein Indiz dafür, haben wir sie nicht verdient? Ist die Gnadenfrist nicht schon abgelaufen? Was bleibt mir, was bleibt uns – außer dem Übergang zur Tagesordnung? Sag es mir, wenn Du es weißt.

Nach Aussage einer neueren Nasa-Studie ist das Ende der modernen Gesellschaft kaum noch aufzuhalten, denn auch die vorausgegangenen Hochkulturen der Menschheitsgeschichte waren letztlich dem Niedergang geweiht, nachdem sie ihren Höhepunkt überschritten hatten, zu satt geworden waren. Die Beispiele kennen wir alle. Die heutige moderne Zivilisation besitzt zwar wesentlich größere technologische Ressourcen als frühere Gesellschaften, scheint auch auf vielen Gebieten lernfähiger zu sein, die Krönung der bisherigen Menschheitsgeschichte sind wir aber dennoch nicht, denn wann immer unsere Gesellschaft eine Erfindung gemacht hatte, wurde diese, wenn möglich, zur tödlichen Waffe umfunktioniert. Ein drastisches Beispiel ist die Entdeckung des Urans und der Kernspaltung, die im Bau von Atombomben mündete, deren gewaltige Sprengkraft die gesamte Schöpfung vielfach vernichten könnte. Auch die Folgen der computergesteuerten weltweiten Digitalisierung und Vollautomatisierung sind unberechenbar und lassen Horrorvisionen für das Zusammenleben aufkommen. Auch in der modernen Zivilisation sind die Menschen leider nicht vorrangig die Erhalter und Erretter, sondern die Räuber der Erde, deren Beute die natürlichen Ressourcen sind. Dem mathematischen Modell der Nasa zufolge führt deren Ausbeutung und die ungleiche Verteilung des Reichtums bald zum totalen Kollaps der Zivilisation. Dabei werden fünf Hauptrisiko-Faktoren ausgemacht - Klimawandel, Wasserversorgung, Landwirtschaftsentwicklung und Energieverbrauch und vor allem Bevölkerungswachstum. In absehbarer Zeit müssen sich geschätzte 10 Milliarden Menschen diesen Planeten teilen. Besonders fatal ist nach Aussagen der Forscher, dass die Überausbeutung der Ökosysteme verbunden ist mit einer Aufspaltung der Gesellschaft in reiche Eliten und große arme Bevölkerungsschichten. Das können wir sogar im eigenen Land beobachten. Setzt sich der Trend der vergangenen Jahrzehnte fort, werden 2050 die reichsten 0,1 Prozent genauso viel Weltvermögen besitzen wie die globale Mittelschicht. Ein Effekt ist, dass die Teile der Menschheit, die sich höheren Wohlstand leisten – wie wir in Deutschland - den drohenden Umweltkollaps viel später spüren als jene, die zum Beispiel durch Dürren, Fluten oder Hungersnöte direkt davon betroffen sind. So machen wir also weiter wie bisher, vor allem die Eliten an den Hebeln der Macht. Es müssen schließlich überall die nächsten Wahlen gewonnen werden und der Rubel muss rollen, da kann man sich keine zukunftsträchtigen Entscheidungen leisten. Vive la démocratie, kann man da nur sagen, wohl wissend, dass es kein besseres Modell gibt. Den Berechnungen zufolge könnte man den Zusammenbruch nur vermeiden, „wenn die Pro-Kopf-Rate der Erschöpfung der Natur auf ein nachhaltiges Niveau reduziert wird und die Ressourcen in einigermaßen gerechter Weise verteilt werden“, so die Forscher. Aber dem stehe die Spaltung der Gesellschaft entgegen. Die Forscher bestätigen nur, was bereits die Autoren des Berichts „Die Grenzen des Wachstums“ vor mehr als vierzig Jahren gefordert hatten. (Quellen: diverse Internetforen, darunter „Süddeutsche“ und Focus online)

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