Seiten
Teil A, Theaterstücke
Davon gibt es in jedem Jahr einige im angelsächsischen Weltabschnitt: Shakespeare-Dramen modern. Recht knappe Kulissen mit möglicherweise gar keiner offenen Luft oder Bewegung über Land, dafür eine unendliche Überfülle geschliffenster Dialoge, die von allerersten Mimen wie am Rande des Abgrunds zelebriert werden, hehre Wortkunst.
The Imitation Game
In „The Imitation Game“ geht es um den schnöseligen, ja sozial inkompetenten bis destruktiven, britischen Mathematiker Alan Turing, der aus Holzrädchen eine Maschine konstruiert, welche sich einen Tag lang hin und her drehen und, möglicherweise, wenn man Glück hat, dann stille stehen, wenn sie den Enigma-Code der Hitler-Wehrmacht geknackt haben, der aber alle 24 Stunden geändert wird. Das Muster ist das des genialen Außenseiters, der vom Kollektiv integriert werden sollte, weil nur er allein es letztlich retten kann. Eine Art Richard III., der sich entschlossen hat, bei den Guten auszuhelfen. Leider ist der Film nicht bereit, den üblichen nostalgischen Oberschicht-Schmock des britischen Kinos sein zu lassen. Es muss nicht nur das gute alte Cambridge, sondern auch eine Art heimlicher Romanze mit der bezaubernden Keira Knightley sein. Obwohl Turing schwul war und es auch im Film ist! Aber dies gestattet ja eben das andere Ende historischer Biopic-Schnulzen: Von einer homophoben Gesellschaft wird er - nach dem Krieg - mehr oder hingerichtet! Erwähnt muss sein, dass der Film in den angelsächsischen Listen ganz weit vorne steht. Und dass er mit ebendem Benedict Cumberbatch ist, der, als etwas schräg aussehender, aber brillant sprechender Mime, vom britischen Theater kommend, in mehreren US-Filmen das Laurence-Olivier-Genie verkörpert in letzter Zeit. Er ist auch noch der honorige Bruder vom brutalen Helden im Gangsterfilm „Black Mass“, welcher später hier noch erwähnt werden wird.
Steve Jobs
Die Stelle als charismatischer Geistesriese, der dauernd in Gefahr schwebt, vom Boden wegzufliegen, übernimmt, noch viel pausenloser und auch viel rasanter redend, dabei sich viel eiliger durch die Zimmer bewegend, für „Steve Jobs“ Michael Fassbender, als Steve Jobs. Die ihn gekannt haben, sagen der echte Steve Jobs war ein netterer Mensch. Aber Regisseur Danny Boyle wollte ein Drama um einen Shakespeare-König, dem seine Knappen davonzulaufen drohen. Erklärt wird fast gar nicht, warum er König ist, aber weil er fast in jeder Einstellung des Films zu sehen ist und die anderen immer tot redet, muss er es wohl sein.
Whiplash
„Whiplash“ kommt ebenfalls seltenst raus aus den Innenräumen, und zwar denen einer Ostküste-Elite-Musikhochschule für kommende Solojazzer. Es wird auch Musik gespielt. Der Protagonist ist Drummer und kann all die Unterschiede in den Tempovorgaben hören, die wir nicht merken. Es ist dies mehr so der Sport- oder Militärfilm, wo einfach gern die Frage ist, wie brutal so eine Schleiferei noch werden darf, damit Höchstleistung entsteht. Das glaubt hier keiner, aber der Musiklehrer macht einem Todesangst. Und das ist, weswegen der Film sich vor allem lohnte, das brave Nebenrollengesicht J. K. Simmons, dem man solches Format lange nicht zugetraut hätte. (Bekannt vielleicht aus dem Trailer zu der auch nicht üblen Romantic Comedy „Wie schreibt man Liebe“, in welcher ein zerrütteter Hugh Grant es an einem College als Schreiblehrer probiert, Simmons ist dort der Direktor, der im Trailer sagt: „Meine Meinung? Ich bin verheiratet und habe vier Töchter. Ich habe keine Meinung!“)
Teil B
Biopics
Love and Mercy
„Love and Mercy“ war ein harmlos-trauriges Biopic über Brian Wilson, den Spiritus rector der amerikanischen Surfpop-Band The Beach Boys. Übrigens mit demselben Paul Dano (als lebensfremder Schüchternheits-Pummel) der in „Ewige Jugend“ einen so unnötigen wie unglaubhaften Hollywood-Superstar geben soll. Sowie noch einem zerknitterten John Cusack („Being John Malkovich“) als dem Brian Wilson der siebziger Jahre. Die Geschichte, falls es nicht alle längst wissen, sie wurde - nach seiner Auferstehung - von Brian in einem Buch selbst erzählt, geht so, dass die drei kalifornischen Boy-Brüder als Kinder einen tyrannischen alten Vater hatten, der sie, ohne selbst über musikalischen Geschmack zu verfügen, zu Maskottchen der amerikanischen Hitparade machen wollte, vor den Beatles und den Drogen. Dann enthüllt sich in dem labilen Brian auch noch der popmusikalische Weltgeist der Ära, was die Restband und den Paps voll überfordert und also nicht mehr gewollt ist. Dennoch kriegt diese dysfunktionale Familie ein (jetzt aber hippes) Drogen-, Mädchen- und Swimmingpool-Leben eine Weile noch hin, sowie die spannende LP „Pet Sounds“. Beim Versuch, durch nächtelanges Herumprobieren mit einem Orchester von Topmusikern noch formidablere Sounds zu erzwingen, bricht Brian dann zusammen. Jetzt ist er der zu Hause gammelnde, sich selten noch regende Genius, der seine Verschrobenheit pflegt. Paps stirbt zwar, aber Brian wählt sich mit Eugene Landy den nächsten Puppenspieler-Übervater selbst aus. Landy ist (angeblich) Arzt. Er manipuliert ihn mit Psychopharmaka. Dem Film gelingen wunderschöne, authentisch erscheinende Bilder aus dem Pop-Hochsommer in L. A. und den Sessions. Was vornehmlich den Fans der Band gefallen werden, für sonstige Kinogänger wohl kaum so spannend sein dürfte. Mit dem zweiten Teil der Story schlägt störend die Genese dieser Autobiografie als Heiligenbild für die neue Partnerin durch. Die in jedem Film wieder neu nach einer Fernseh-Comedienne, die nur vorgibt, sie hätte sich ins wirkliche Sein verirrt, aussehende Elizabeth Banks stalkt den eigentlich des Laufens wie Flirtens fast nicht mehr fähigen Brian geradezu in eine Liebe hinein. John Cusack nun als dünner wie auch dunkler gewordener Wilson-Bruder solo. An Ende ist er stark genug, dem zweiten Vater und dessen Pillchen zu entfliehen. Also: „Ein Mensch hat mir mein Leben zerstört und von allen hat mich dann nur noch eine einzige Person wirklich geliebt und gerettet und vor ihm beschützt.“ Man glaubt dem guten Brian Wilson das nicht wirklich, tröstet sich aber damit, dass es für die dann folgende Geschichte der US-Popmusik eigentlich auch keinerlei Rolle mehr spielte.
The Walk
Ich mag ihn nicht so wirklich, diesen Joseph Gordon-Levitt, den man seit „Inception“ vor allem kennt und der es sogar zum selbst geschriebenen, selbst inszenierten Stenz-Film - „Don Jon“ mit Scarlett Johansson - gebracht hat. Er stellt wohl so was in der Art des Dustin Hoffmans von etwa 1970 dar, ein irgendwie unnormales, dabei gewitztes und sympathisches Schlitzohr. Man kapiert, wie einer auf die Idee kommen kann, Gordon-Levitt einen kompletten Film lang diesen nervig imitierten Franzosenakzent schwätzen zu lassen. Ist „The Walk“ doch als sogenanntes „Caper Movie“