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Mädchen-Junge-Zweierliebe samt Ehe- und Familienperspektive einschwenken. Im gut gemachten Jugendfilm steckt als Lebenshilfe für Pubertierende der Tipp: „Mädchen, macht euch keinen Kopf, wenn ihr dem Leistungsdruck der Schönheitsideale und gängigen Lifestyle-Statements mal nicht standhalten könnt! Seid nur weiter unbeschwert und einfach ihr selbst und zieht die Hand des Schulballprinzen in eure hinein, dann renkt sich alles ein!“
Ich und Earl und das Mädchen
Den amerikanischen Regisseur Alfonso Gomez-Rejon sollte man im Auge behalten. Der Mittdreißiger hat, außer Fernsehen, vor diesem erst einen Film gemacht, „Warte bis es dunkel wird“, im Jahr zuvor. Ein Horrorkrimi über die späte Rückkehr eines zur dunklen Legende gewordenen Serienkillers in die Grenzstadt Texarkana. Vielleicht wird aus Gomez-Rejon auch nicht wirklich was; das lässt sich momentan noch nicht wirklich ausmachen. Die größte Schwäche von „Ich und Earl und das Mädchen“ liegt auf der Hand und hat allerdings mit ihm nichts zu tun. Auch dieses ist die traurige, oft dann wieder komische Freundschaft eines unbeholfenen Jungen zu einer ihm irgendwie überlegenen krebskranken Schülerin. Auch dieser Jugendfilm ist nach einem Jugendroman. All das hatten wir vor kurzer Zeit schon bei „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (der mit dem Besuch im Anne-Frank-Haus in Amsterdam). „Me and Earl“ spielt (auch!) in Pittsburgh am Ohio, einem Ort, der anscheinend eine Tradition skurriler Lebensversäumer mit sich bringt. Dort gab es schon „Die Geheimnisse von Pittsburgh“, ein Roman von Michael Chabon, und „Wonder Boys“, ein Film nach einem anderen Chabon-Roman, in dem Michael Douglas als Literaturdozent ebenso verpeilt im Morgenmantel durch die Gegend lief wie bei „Ich und Earl“ der Vater des High-Schülers Greg Gaines, von dem es heißt, weil er Soziologe sei, sei er oft zu Hause. Er ist kein einziges Mal bei irgendeiner Arbeit zu sehen, dennoch keine Versagerfigur, da er seinem gebeutelten Sohn stets einen Rat zu geben versteht. Gregs Mutter vergattert Greg dazu, die ihm bislang nur von fern bekannte Rachel Kushner regelmäßig besuchen zu gehen, diese habe Leukämie, also sei es vorübergehend. Rachel wird von der herrlich lebensklug strahlenden, zwanzigjährigen Olivia Cooke gespielt, einer Engländerin. Ständig scheinen junge Engländerinnen den US-Film retten zu müssen. (Die kaum ältere Daisy Ridley aus „Star Wars - Das Erwachen der Macht“ ist aus London, die schon zehn Jahre länger aktive Emily Blunt („Sicario“) ebenso.) Damit es nicht langweilig wird, haben beide Jugendliche ihr jeweiliges Problem, bei dem sie sich aber helfen könnten. Gregs Komplex als angehender Intellektueller und Filmkünstler ist, dass er sich für zu nerdig, hässlich und nicht liebenswert hält und deswegen bei jedermann, außer seinem Freund Earl, strikt auf Distanz geht. Allerdings spricht er auch bei Earl von „eher mein Arbeitskollege als Freund“. Gregs Hader mit seiner Un-Coolness macht ihn unsensibel für die Gefühle anderer. Bei Rachel fällt er damit ins Haus, er mache das unter Zwang, seine Mutter zwinge ihn. Rachel ist das ganz recht, denn (wobei sie allerdings keine Sekunde tatsächlich sehr krank aussieht) sie versauert zu Hause, hat andererseits blanken Horror vor der Sentimentalität aller, die sie in Mitleid baden wollen. Jetzt muss der Film so unsentimental wie möglich erzählen. Gut, es ist nicht unbedingt zwingend, wie er diese Filmerspielchen von Greg und Earl für Komik ausschlachtet. Die drehen seit ihrer Kindheit komische Kürzestversionen filmischer Meisterwerke, imitieren bekannte Sachen wie „A Clockwork Orange“ und vor allem die wahnhaften Meisterwerke von Gregs erklärten Idolen Werner Herzog und Klaus Kinski, deren Talkshowwutausbrüche Greg - selbst in der Synchronisation! - sehr vergnüglich nachspielen kann. Die seltsame amerikanische Kultur, Leid mit schwarzem Humor zu überspielen, treibt in mancher Szene Blüten, die kein Deutscher je versuchte. Nicht nur wird auf den hohen Alkoholkonsum und das Judentum von Rachels seit Jahren ohne Mann lebender Mutter angespielt, sondern die Vierzigerin macht den 17-Jährigen in ihrem beschickerten Zustand offensiv an, sie könnte seine Pflichtbesuche ja etwas versüßen. Schade bleibt, dass der brave Earl, ein stoischer Schwarzer, der von Greg als das Ein-Personen-Ghetto Pittsburghs in den Film eingeführt worden ist, kaum eine gescheite Szene kriegt. Hier betrügt der Filmtitel. Der übrigens im Original doch ankündigt, das Mädchen sterbe, was es in der deutschen Titelversion dann aber nicht tut. Immer, wenn Rachel eine Krise hat, beteuert Gregs Filmkommentar, obwohl es momentan so aussehe, sie werde am Ende nicht sterben. Aber schließlich gesteht er ein, dass er gelogen hat. Der Tod dieses Menschen war nicht einfach, die Liebe zu ihm auch nicht. Kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber wahrscheinlich der herzlichste Film des ganzen Jahres. Harold & Maude Stuff.
We Are Your Friends
Nach dem Zeitreisenden-Film „17 Again - Back to High School“ (2009) und der All-Star-Glückwunschkarte „Happy New Year“ (2011) des „Pretty Woman“-Machers Garry Marshall hatte ich gewähnt, Zac Ephron, früher Fotomodel, sei als romantischer Romeo in den Herzen junger Kommerzfilmgängerinnen fest gebucht für die kommenden zehn Jahre. Doch ist dem nicht so. Schon ist er auf der einen Seite etwas zu alt, andererseits weiter dieser Schönling, eher uncool, also zu schwul, wie man so sagt, obwohl ja nicht wirklich (oder wie auch immer). Da heißt ihn einer, der bis dato nur Videos und Dokumentationen gedreht hat, Max Joseph, seinen Star-Status fast niedertrampeln, sich als fünf Jahre jüngere Neuentdeckung aus kleinbürgerlichen Vororten von Los Angeles vorzustellen. Anfangs hat er kaum anderes zu tun, als Dachpappe auf Holzhäuser zu nageln. (Nichts ist wirklich neu und dieses kann man dem Handwerkercharme des ersten Teils von „Magic Mike“ abgesehen finden.) In einem „Junger Kreativer arbeitet hart am Durchbruch“-Stück geht es stets darum, den Verlockungen des Business die eigene Integrität entgegenzustellen, zwar rascher erwachsen zu werden als die Kumpels aus der Jungenclique, nie jedoch die Karriere über Freundschaft oder Liebe zu stellen. Was DJ Cole auflegt, dürfte den älteren Jahrgängen europäischer Kinogänger noch immer „Techno“ sein, heißt im Film aber EDM, Electronic Dance Music. Style, Technik, Aussehen und Auftreten erobern Cole die Achtung eines Star-DJs, dessen Ausgebranntheit ihm nun anfangs nicht auffällt. Während Coles Freunde in Drogen und illegale Deals abgleiten, setzt Cole selbst die Axt an die Achse zum Förderer, weil er sich zu intensiv um dessen Gefährtin kümmert. Als alles in Scherben fällt, wird Cole klar, dass er sich von Erwartungen freischwimmen, sein