Es könnte jetzt der Eindruck entstanden sein, wenn ich davon rede, dass mir der Freitagabend als einziger so positiv im Gedächtnis blieb bezüglich Essen, dass ich sonst schlechte Erfahrungen gemacht hätte. Das ist ganz und gar nicht so. Solange Oma Anni kochte - meine Mutter hat diese Gabe nicht in die Wiege gelegt bekommen - war das Essen in fast allen Fällen sehr schmackhaft.
Besonders die Rindsrouladen sind mir in Erinnerung geblieben, hauchdünn geklopft, damit viel Auflagefläche entstand, mit reichlich Löwensenf bestrichen, mit schwarzem Pfeffer gepudert, dick belegt mit Zwiebelwürfeln, die noch mit „gestreiftem“ Speck abgedeckt wurden, kunstfertig aufgerollt, von allen Seiten scharf angebraten, mit Wasser abgelöscht und dann im Ofen langsam geschmort mit einem Lorbeerblatt und drei Pimentkörnern. (Die Rouladen allerdings hatte meine Mutter regelrecht auswendig gelernt, die waren bei ihr stets genauso lecker. Bloß mit den Soßen hatte sie es nicht so, das waren Mehlpampen.) Diese sonntägliche Feierspeise wurde serviert mit selbstgemachten schlesischen „Klößeln“ aus halb rohen und halb gekochten Kartoffeln und Rotkohl mit Äpfeln und Lorbeerblatt und war zum Niederknien köstlich, absolut wert, zufrieden zu seufzen.
Unvergessen ihr immer noch und immer wieder gern kopierter Gurkensalat mit viel Zitronensaft, einem Hauch Öl, viel schwarzem Pfeffer und Zucker, bei dem die hauchdünn geschnittenen Gurkenscheiben zuerst dick eingesalzen, und dann, wenn die Zellstruktur aufgebrochen war und Wasser abgegeben hatte, gründlich unter fließendem Wasser gespült wurden. Oder auch ihr „Schlesischer Kartoffelsalat“, bei dem Kartoffeln den geringsten Anteil bildeten. Sie kochte nach überlieferter schlesisch-dörflicher Tradition und das Essen war in vielen Fällen so schmackhaft, weil Fett ein guter Geschmacksträger ist. Nicht umsonst war sie selber gallenkrank.
Aber welche Krankheit hat sie eigentlich nicht gehabt – und sie war weder Hypochonder noch ein Jammerlappen. Ich habe noch gut einen Moment in Erinnerung, als sie am Herd stand und in der großen Pfanne Koteletts in brodelndem Fett quasi badete, als beim Wenden der Bratstücke eine Fettblase aufstieg und ihre Hand überflutete. Das Einzige, was man von ihr hörte, war ein leiser Zitterlaut in der Stimme – und dann lief unendlich lange das kalte Wasser in der Spüle über ihre malträtierte (rechte) Hand. Auch ein Gang zum Arzt wurde von ihr abgelehnt. Die sich lösenden Schichten (war es nur Haut?) wurden von ihr kontinuierlich mit dem stets vorhandenen Sahnequark behandelt und die Verletzung heilte unglaublich schnell ab.
Dieses Mittel habe ich bei mir selbst und bei meiner Tochter öfter rettend anwenden können. Es hilft bei leichten Schürfverletzungen, bei Verbrennungen sowie bei Entzündungen jeder Art (sogar bei, durch eingewachsene Nägel, entzündeten Zehen – über Nacht eine Auflage Quark und mit Mull und Plastiktüte abgesichert: besser als „Zugsalbe“).
Als Erwachsene habe ich mir einmal selber blubbernden Pudding über die (linke) Hand gegossen, weil ich den überquellenden Topf mit nur noch einem Henkel von der Kochplatte zum Spülbecken trug und nicht loslassen wollte wegen der „Schweinerei“, die das in der Küche verursacht hätte (manchmal hat man wirklich eine Bremse im Gehirn).
Da habe ich ebenfalls endlos kaltes Wasser laufen lassen, denn jedes Mal, wenn ich dachte, nun sei es gut, glühte mir das Fleisch fast von der Hand. (Und das war nur der Effekt von Pudding, bei meiner Oma war es heiße Margarine!).
Das Krankenhaus, in das ich mich begab (natürlich war es Samstag), verpasste mir einen Gelverband, der bereits wieder trocken-blättrig war, als ich kurz danach zuhause zurück war. Und da dachte ich an die Situation mit Oma Anni und fing an, 20-prozentigen Quark aufzulegen, den ich als einzigen, das allerdings reichlich, im Haus hatte.
Es hat sehr gut gewirkt, zwar hat es Wochen gedauert, bis der letzte Rest abgeheilt war, aber es ist ohne jegliche Narbenbildung geheilt. Und die Aufzählung könnte ich fortsetzen, aber es liegt mir fern, jemanden langweilen zu wollen.
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