„Kleine Seepferdchen steigen aus dem dunkelblauen Meer empor. Sie sind aus Plastik; grau, schwarz, dunkelbraun. Einige werden schnell groß, immer größer. Sie haben ein Menschen ähnliches Gesicht, das verkrampft und verzerrt ist.
Die Gesichter tauchen in einem sumpfigen Tümpel ein, der fast so groß wie das Meer ist. Tief unten, am Grund des Tümpels, erscheint ein Bankgebäude das kein Dach mehr hat. Auch die Fenster fehlen. Daneben steht ein Wohnhaus dessen eine Hälfte weg ist. Düster sind die offenen dreckigen Wohnungen zu sehen. Es erscheint ein verkommenes Krankenhaus. Der Putz ist fast überall abgefallen, alles ist zerstört und verwaist.
In einem leeren Zimmer sitzt in einer Ecke zusammengesunken ein Mensch. Eine Frau. Ihr leerer Blick ist auf eine riesengroße Spritze, die mit einer zähen grünen Flüssigkeit gefüllt ist, gerichtet. Die verstört Frau ist daran angekettet.
Ein anderes Gesicht erscheint, vor Angst verzerrt. Es ist das Gesicht einer Läuferin. Die Läuferin spurtet aus dem sumpfigen Tümpel heraus. Jetzt hat sie ein dicke weiße Weste, an der viel Schnallen lose herum baumeln, an.
Die Läuferin ist zu einem grauen Tausendfüßler geworden. Der graue Tausendfüßler krabbelt schnell an einem kleinen Ast entlang, dem Licht und der Sonne entgegen. >Bloß weg hier, bloß weg hier< denkt er hörbar.
Der Tausendfüßler verwandelt sich in einen farbloser Vogel mit ganz kleinen Flügeln. Er schwingt sich schwer fällig davon in den hellblauen Himmel. An der linken Kralle hängt eine schwere eiserne Kette. Trotzdem fliegt der Vogel hoch und sein Gefieder wird immer bunter. Die eiserne Kette ist jetzt ein dünnes rotes Seil. Der bunte Vogel fliegt trotz des Seils an seiner Kralle immer höher, der Sonne entgegen.
Schon fast nicht mehr sichtbar, hat der Vogel inzwischen eine weiße Hose und eine taubenblaue Bluse an. Sein Gesicht ist menschlich und es scheint zu lächeln. Ein freundliches, herzliches Lächeln.
Das Gesicht hat Ähnlichkeit mit ihrem Gesicht, wenn sie lächelt. Sie spürt Leichtigkeit, Kraft und die wohlige Wärme der Sonne. Kurz blickt sie zurück auf das dunkelblaue Meer und den sumpfige Tümpel unter sich. Schnell richtet sie ihren Blick wieder in den hellen Himmel, aus dem sie eine Stimme hört: >Sabine, Sie müssen jetzt ihre Tabletten nehmen.<“
Obwohl sie die ganze Zeit ihre Augen geöffnet hatte, hatte sie die Schwester nicht bemerkt. Sie starrte nur auf das dunkelblaue Meer und den hellblauen Himmel im Bild, das in ihrem Zimmer in der Psychiatrie hängt.
Kommentare
Danke für deine tolle Geschichte.
HG Olaf