Tasmanien 16. - 17. Februar 2013
Port Arthur Historic Site
Remarkable Cave
The Dogline
Ein ohrenbetäubendes Motorengeräusch weckte uns am frühen Morgen. Der Nachbar hat das im Garten stehende Motorboot gestartet, ein Probestart.
Die Nachbarn kommen so gut wie jedes Wochenende in ihr Wochenendhaus, haben unsere Tauschpartner Bob und Tricia uns erzählt. Sie leben und arbeiten in Hobart. Die meisten Häuser hier stehen die Woche über leer.
Als ich zu meinem Vor-dem-Frühstück-Spaziergang aufbrach, hatte ich ein kurzes Gespräch mit ihm, während er das Boot an das Auto hängte. Danach stellte er mich auch seiner Frau vor, die im Haus war, einige Nummern feiner als unseres. Beide, (Bob und Tracy) sind ausgesprochen nette Leute und gute Freunde unserer Tauschpartner.
Als ich nach dem Frühstück einen weiteren Spaziergang am Strand machte, sah ich wie die Nachbarn das mit Angeln versehene Boot ins Wasser ließen. Ich ärgerte mich, dass ich dies nicht erahnt hatte. Ich wäre gern bei diesem Ausflug dabei gewesen.
Sohn Axel mit Familie aus Brisbane landen heute um 13:55 in Hobart, holen das bestellte Miet-Wohnmobil und kommen dann für zwei Nächte zu uns.
Wir erwarteten sie so gegen 16 Uhr. Die berechnete Menge Pastasoße, gekocht in mehreren Gängen in dem kleinen Topf, stand bereit.
Wir fuhren die wenigen hundert Meter zu unserem Zuhause und hatten im Handumdrehen richtig Leben in und außerhalb der Bude.
Das Zubettbringen-Zeremoniell der Jungs (8 bzw. 5) war an diesem Abend ungewöhnlich kurz. Beide sahen dieser ersten Nacht im Wohnwagen gespannt entgegen. Doch erst hatten Axel und Cheron den Umbau vom Wohn- zum Schlafwagen zu erledigen. Isaac und Lucas wollten natürlich in der kleinen Nische unter dem Dach liegen. Liegen ist das richtige Wort, denn geschlafen haben sie dort nicht. Axel erzählte am nächsten Morgen, dass beide ziemlich bald zu Mama und Papa heruntergekrochen sind. Axel klemmte sich unter das Dach und wusste nun, wie die nächsten acht Nächte sein werden. Sie werden den menschenleeren südwestlichen Teil Tasmaniens, der aus drei zusammenhängenden Nationalparks besteht, über die einzige Straße durchfahren. Hier ist das Paradies der Rucksackwanderer mit Mut und Kondition.
Port Arthur Historic Site
Wie üblich haben wir uns auch diesmal nicht auf unseren Aufenthaltsort besonders vorbereitet. Dass wir in Eaglehawk Neck landeten hat ja viel damit zu tun, dass wir hier einen Tauschpartner gefunden haben. Über Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten machen wir uns üblicherweise vor Ort und via Internet schlau.
Es wurde uns schnell klar, dass wir hier nicht nur in einem außerordentlich naturschönen sondern auch historisch bedeutenden Teil von Australien gelandet sind.
In Port Arthur, 18 km von Eaglehawk Neck entfernt, befand sich von 1830 – 1877 eine große Strafkolonie für Straftäter aus Großbritannien mit hohen Strafen und Aufsässige aus anderen australischen Gefängnissen. Hier herrschten strenge Bedingungen, die bei guter Führung leichter wurden, bei schlechter desto strenger.
Die Gefangenen arbeiteten hauptsächlich als Holzfäller und Handwerker für die ansässigen freien Bewohner.
Das ganze Straflager war aufgebaut im Sinne einer neuen Gefängnisreform aus England. Die Gefangenen sollten nicht nur hart bestraft sondern auch erzogen und ausgebildet werden, beruflich, moralisch und religiös. Alle, die sich anpassen ließen, erhielten großzügige Straferleichterungen bis hin zum Status eines freien Bürgers. Die anderen wurden um so härter bestraft.
Wir fuhren also los, um uns diese historische Stätte anzusehen, eine der größten und meistbesuchten in ganz Australien, trotz ihrer Abgeschiedenheit vom riesigen Festland.
Der Parkplatz war unerwartet groß. Wenn der voll wird, dann sind wir einige von vielen. Es war Sonntag der 17. Februar, und er wurde voll. Die Eintrittskarte inkludierte den Besuch des Museums am Eingang, eine Bootsfahrt, bei der man die weite Anlage erklärt bekam, und eine Führung durch die erhaltenen, zentralen Anlagen des Lagers.
Ich hole ziemlich weit aus, weil diese historische Stätte - ein früher berüchtigtes Gefangenenlager und heute eine fast idyllische Parkanlage mit alten Steinruinen – wirklich etwas besonderes ist.
Der Gang durch das kleine Museum im Untergeschoss des Eingangsgebäudes war die perfekte Einleitung. Jeder Besucher nahm sich eine Spielkarte, die einen tatsächlichen, früheren Insassen symbolisierte.
Beim Ablaufen des dazugehörigen Pfads erfuhr man Einzelheiten über dessen Schicksal. Da man nun selbst sozusagen in dessen Haut geschlüpft war, empfand man mit etwas Phantasie diese kurze Wanderung wie ein persönliches Schicksal. Ich bekam die Pik-acht und war Charles Wellings, ein 26-jähriger englischer Soldat, der 1821 wegen Fahnenflucht und Beleidigung des Vorgesetzten auf Lebenszeit nach Australien deportiert wurde. Nach Port Arthur wurde er versetzt, nachdem er ein Hemd und andere Dinge gestohlen hatte.
Gullan war ein Taschendieb und Axel ein Bigamist. Wir gingen alle unsere eigenen interessanten Wege, die sich immer wieder kreuzten, und erfuhren viel über das Leben und die harten Strafmethoden hier.
Danach machten wir die kurze Wanderung zum Anlegeplatz des Bootes, in dem wir einen beschaulichen Ausflug entlang der idyllischen Küste machten und so einen Eindruck von der Größe der Anlage bekamen.
Bevor es Zeit wurde für die Führung durch die parkähnliche Anlage, aßen wir unsere mitgebrachten Brote. Die Junior-Familie ging von nun an ihren eigenen Weg. Mittlerweile bildete sich eine große Traube von Menschen um uns herum, die alle auf den Beginn der Führung warteten. Als der große Führer dann kam und alle hinterher marschierten, verging uns die Lust. Wir gingen ein bisschen auf eigene Faust. Als wir dann sahen, dass eine Führerin dazukam und aus einem großen Menschenklumpen zwei kleinere wurden, schlossen wir uns einem an, dem mit dem Führer. Das war ein Glück. Auf diese Weise erlebten wir wohl die beste und interessanteste historische Führung bisher. Es war eigentlich mehr so, dass der begnadete Erzähler uns vor der Hauptruine von einem Baumschatten zum anderen führte und uns dort regelrecht unterhielt. Und das sehr eindrucksvoll!
Danach schlenderten wir entspannt durch die schmucke Anlage, setzten uns auf eine Bank im Schatten des restaurierten Smith OBriens Cottage. Bald kam Axels Handy-Anruf zum Sammeln. Der beeindruckende Besuch dieser historischen Stätte in Port Arthur war zu Ende.
Starke Gefühle in der Remarkable Cave
Es war jetzt früher Nachmittag, zu früh um schon zu unserer Basis Eaglehawk Neck zurückzufahren. Axel, oder vielmehr Cheron, wussten aus ihrem umfangreichen Tasmanien-Informationsmaterial, dass nur ca. 5 km weiter südlich an der Maingon Bay, den Besuchern spektakuläre Aussichten erwarten. Ein schmaler asphaltierter Weg führte uns dorthin. Der Parkplatz kurz vor der steil abfallenden Küste war fast leer. Schon von hier sahen wir, dass sich der Besuch gelohnt hat. Die verlockenden Wanderpfade entlang der Küste mussten wir leider überspringen. Sie waren zu lang und die Beine der Jungs zu kurz.
Aber wir wurden entschädigt, besonders ich! Auf einem eher unscheinbaren, blauen Schild rechts vom Maingon Bay Lookout stand: Remarkable Cave. Eine steile, sehr steile Treppe führte hinab in einen Abgrund, dessen Ende nicht zu sehen war. Während ich noch dachte: "Höhlen hat man ja gesehen, kann die Mühe doch nicht wert sein", waren die beiden Jungs und Axel schon auf dem Weg nach unten. Also nichts wie hinterher.
Dieser relativ kurze Besuch dort unten wurde für mich zu einem emotionalen Highlight. Heute (ich schreibe diese Zeilen am 22. Dezember 2013) weiß ich, dass er die Nummer drei dieser Australienreise ist. Die anderen beiden sind die Zusammentreffen unserer gesamten Familie in Caloundra mit meinem Fallschirmsprung (anlässlich meines 70. Geburtstags) und der Schnorchelausflug auf eines der 2000 Riffe des Großen Barriereriffs während der zwei Wochen in Airlie Beach.
Die folgenden Zeilen verfasste ich spontan kurz nach dem dortigen Besuch.
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Remarkable Cave
Eines meiner größten emotionalen Erlebnisse in Tasmanien.
Eine Zick-Zack-Treppe mit mindestens 100 Stufen führte hinab zu einem versteckten Eingang zu einer von der Natur geschaffenen "Kathedrale", geschätzte 200 m lang, 15-20 m hoch, am Eingang einige Meter breit, mit zwei Verbindungen zum offenen Meer.
Auf dem Schild am Beginn der Treppe stand nur „Remarkable Cave“. Ich vermutete irgendeine Höhle.Wir waren auf dieses Spektakel nicht vorbereitet. Ich zog mich aus, da ich mich magisch angezogen fühlte...
Gullan hatte in ihrem Beutel meine Badehose. Ich fühlte mich gezwungen, diesen Tunnel zum Meer zu durchschwimmen. Dazu musste ich die Absperrung überklettern. Gullans Einwände hörte ich nicht. Drei andere Touristen saßen bereits da unten und guckten interessiert.
Ich ging in das am Anfang seichte Wasser. Bald wurde es tiefer und ich musste schwimmen. Es war majestätisch, wie in einem Dom. Hohe, steile Wände und ein etwas gewölbtes Dach. Halbwegs rechts ein toter Seitenarm. Vor mir das helle Licht des Ausgangs Richtung Meer. Dann links ein heller Schein von einem Seitenarm, ein zweiter Ausgang. Ich spürte einen gewissen Sog vom Meer, war aber nicht unruhig, da das Wasser ruhig war. Die Öffnung wurde größer, ich schwamm zu einem Felsvorsprung links, kletterte hinauf, setzte mich hin und freute mich. In der leichten Brandung sah ich zwei Surfer. Ich winkte durch den Tunnel zu meinen Leuten. Ich konnte nur ahnen, dass sie zurückwinkten. Nach vielleicht zehn Minuten schwamm ich zurück und freute mich noch immer. Der Sog zum Meer, aufgrund der einsetzenden Ebbe, machte die Rücktour etwas mühsamer.
Als ich wieder Boden unter den Füßen hatte, sprangen mir Isaac und Lucas aufgeregt entgegen: "You are a hero, Opa." Ihre Mutter meinte: "You are crazy!" Gullan war die Einzige, die noch hinter der Absperrung war. Ich ging zu ihr und sagte: "Ich fühle mich als wäre ich gerade durch den Kölner Dom geschwommen."
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Im Internet gibt es Bilder die zeigen, dass man diese Kathedralenhöhle ein ganzes Stück auch zu Fuß betreten kann, bei Ebbe. Ich hatte Glück, dass gerade noch Flut herrschte.
The Dogline
Die berüchtigte Strafkolonie in Port Arthur befand sich auf einer Halbinsel. Aufgrund der harten Bedingungen und reiner Desperation gab es regelmäßig Fluchtversuche, nur ganz wenige glückten. Um in die Freiheit zu kommen mussten erst 20 km im weglosen, dichten Buschland durchquert werden, um zum einzigen "Ausgang" der Halbinsel zu kommen: eine nur gut 100 m breite Landzunge nahe Eaglehawk Neck. Deren Passage war aber durch die sogenannte "Dogline" gut abgesichert:
Eine dichte Kette von großen Bluthunden machte ein Durchkommen unmöglich. Die Dogline war Nachts beleuchtet. Auf Plattformen im Wasser waren weitere Hunde platziert. Deren Bellen alarmierte die Soldaten in den nahen Baracken. Eine Signalanlage, die von Port Arthur bis Hobart führte, erlaubte eine schnelle Kommunikation. Man scheute keine Kosten und Mühen. Trotzdem gelang es einigen, weit genug im Meer an den Hunden vorbei zu schwimmen und anschließend auch zu überleben. Dem Strafgefangenen Martin Cash gelang das Unglaubliche gleich zweimal und erreichte dadurch eine gewisse Berühmtheit.
Damit war unser abwechslungsreicher Tagesausflug durch unsere kleine Halbinsel auf Tasmanien beendet und wir fuhren wieder zurück zu unserer Hütte am Rande des Tasman Nationalparks.
Das anschließende Duschen von sechs Personen war eine zeitaufwendige Prozedur (siehe Beschreibung in Teil 1). Das Wasser lief gemächlich und mit sehr wenig Druck durch die Leitung von der Regenwasser-Auffangzisterne zur Pumpe im Schuppen und von dort nur wenig beschleunigt zur Duschkabine im Haus. Wir hatten keine Ahnung welche Wasserreserve wir eigentlich zur Verfügung hatten. Wassersparen war angesagt.
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© Willi Grigor, 2013 (rev. 2016)
Gedichte und Prosa:
https://www.literatpro.de/willi-grigor
Kommentare
Spannend und voller Dynamik. Wurde vom Text mitgerissen. Toll.
LG Monika
Freut mich, Monika, genauso war es in Wirklichkeit.
Durch die Reisen in Australien - und Neuseeland - habe ich meine Schreiblust entdeckt. Ich musste meine Eindrücke niederschreiben. Den Anstoß zum Dichten bekam ich in Hobart, Tasmanien. Ich habe ihn in "AU 2013 01 Schlüsselerlebnis in Hobart" erzählt.
LG
Willi
Das gibt mir Anlass, weitere folgen zu lassen.
LG
Willi