Begegnung mit Maren

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von Marie Mehrfeld

Samstagsmorgens um neune, bin in Eile, mit Freundin verabredet, und auch nicht bester Laune, putze mir grade hastig die Zähne, da schellt’s an meiner Wohnungstüre, zum Teufel, passt mir gar nicht, doch nicht wieder ein Paket für Nachbarn, soll’n die doch selber …
Es ist die junge Frau vom dritten Stock links. Würden Sie bitte nur für einen Moment … zehn Minuten vielleicht … meine kleine Tochter … ich muss meinen Wagen einparken … hier die Lieblingspuppe, der Schnuller ... Ach, oje, ausgerechnet jetzt, kann ich das überhaupt noch? Gerne, sage ich als im Prinzip höflicher Mensch trotzdem, anfangs nicht begeistert.
Maren ist klein und zierlich, sie hat grade erst laufen gelernt, winzige Füße schauen aus dem dunkelblauen Winteroverall, so kleine Schuhe habe ich noch nie … oder doch, als meine so jung waren? Ich ziehe ihr die feuchten Handschuhe aus, mini kleine perfekte Hände mit Speckgrübchen kommen zum Vorschein, unter der knallgelben Pudelmütze ein roter Lockenkopf, dunkelblaue Augen, rote Bäckchen. Rotznäschen. Eine süße Krott. Hin und weg bin ich. Miese Stimmung verflogen.
Anfangs fremdelt sie, schaut mich ernst und fragend an, bleibt leicht hin und her schwankend stehen, ich setze mich auf den Teppich, klopfe mit der flachen Hand darauf, komm zu mir, sie lässt sich nach kurzem Zögern auf ihr gut gepolstertes Hinterteilchen plumpsen, steckt zwei den Finger in den Mund, betrachtet mich neugierig, scheint zu denken, der trau ich jetzt einfach mal, und lächelt verhalten.
Ich freue mich. Maren scheint mich zu mögen. Lege mich auf den Rücken, strecke die Arme in die Luft, krame aus tief liegenden Schichten meines Hirns das französische Lied meiner Kindheit, singe es mit allen dazu gehörenden Handbewegungen: Ainsi font, font, font, les petites marionnettes, ainsi font, font, font, trois p'tits tours et puis s'en vont. Les mains aux côtés, sautez, sautez marionnettes, les mains aux côtés, marionnettes recommencez. Ich kann es noch!
Sie ist verdutzt, aber auch begeistert, robbt dicht an mich heran, setzt sich auf, streckt ihre Pfötchen in die Luft und dreht sie so, wie sie es bei mir beobachtet hat – und gibt dabei ein fröhliches Gluckens von sich. Ein voller Erfolg, ich bin beglückt.

Da klingelt es. Schade, nur so kurz …

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