Lebenskünstler R: Mehrere günstige Gelegenheiten - Page 3

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gern, ob sie schwul sind oder was sonst. Immer warte ich, dass einer mal schwört, er sei total normal, heterosexuell, ob ich ihn bumsen könnte. Ich weiß, dass alle in Thomas’ Alter oder noch jünger, die mit Älteren machen, aber nur nachts im Park, sonst sieht man sie nie irgendwo, in keiner Kneipe, keiner Disco, keinem Bad, Stein und Bein schwören, sie wären bi. Ungewöhnlich ist die Story von Thomas nicht.

Freundinnen habe er immer gehabt, im Moment aber keine. Er ist gern mit Frauen zusammen, Frauen tun ihm gut. Er liebt den Sex mit ihnen. Er sagt, er würde im Büro arbeiten, was ich ihm auf Anhieb nicht glaube. Mit Männern nebenbei sei stets was abgegangen, seit er fünfzehn oder sechzehn war. Zwei Jahre habe er mit einem Mann zusammen in einer Wohnung gelebt, in Basel, ein Schweizer. Er erwähnt ein Lörracher Tanzcafé, dessen Name ich mal gehört hatte, sagt, da sei er immer gewesen mit seinem Basler. Die Art Lokal würde ich schon kennen, wo die Frauen sich kooperativ geben.
„Weißt du, die Baslerinnen gehen hin. Die so bisschen Angegammelten, weißt schon, aber spendabel, Schweizerinnen, du verstehst.“
Ich sage nichts.
„Ich mag Ältere, Frauen und Männer“, sagt er. „Die strengen sich mehr an und sie wissen, was sie machen.“
Er grinst dreckig. „Oder?“
Ich sage nichts.

Er zählt ein paar schwule Schuppen in Basel auf, sagt, die würde ich auch kennen. Ich kenne keinen. Ich frage nach dem Park, da bin ich gewesen. Es war so leer, dass ich immer noch nicht sicher bin, ob es die richtige Stelle gewesen ist.

„Genau. Das war schon richtig. Da war ich oft, obwohl, Park mag ich nicht, ist mir zu oberflächlich. Wärst du öfter hingegangen, hätten wir‘s vor zehn machen können.“
Wäre nett gewesen, denke ich, stehe vom Stuhl auf, lege ihm die Hand auf die Schulter.
„Dann machen wir’s jetzt. Komm, ab ins Bett! Zieh dich aus!“

Schwuppdiwupp steht er nackt da. Thomas ist gut gewachsen, hat reine Haut, spärliche Körperbehaarung, unterm Nabel ein bisschen was und an der Mitte von seiner Brust, kleine Brustwarzen, einen ebenso langen wie dünnen Schwanz. Er steigt ins Bett, legt sich auf den Rücken und zieht die Decke bis zum Hals. Unverfroren sieht er zu, wie ich mich ausziehe.

Nach allem, was ich von ihm weiß, nach allem, was ich erlebt habe mit Bisexuellen, weiß ich, dass ich mir beim Sockenausziehen keine Gedanken machen muss, wie ich rumgurke. Diese Sorte findet nichts dabei, wenn einer zwanzig Jahre älter ist (was ich ja lange nicht bin), wenn einer den doppelten Hüftumfang hat oder Haare wie der Kaktus. Weil sie, denke ich oft, sich nicht ihren Rang beweisen müssen mit dem Sex, wie die Jungschwulen, weil sie bloß ficken wollen. Hinterher dann ja immer sehr schnell weg.

Und der hier, der muss schnell weg, sonst läuft er mir ins Geld.

Thomas ist, Knut hat richtig gelegen, ein Passiver. Ich denke meistens gar nicht drüber nach, aber wenn ich mir sicher bin, dass es gut werden wird, sind das immer diese Passiven. Sortiert sich von selbst, obwohl, so außerordentlich aktiv bin ich nicht. Darum stört es mich ein wenig, dass Thomas daliegt wie das oft besprochene Brett. Es taucht in jeder zweiten Erzählung über Stricher auf.

Zum Glück merke ich dann, dass ich mich geirrt habe. Thomas ist nicht die Sorte, die mit geringstmöglichem Aufwand ihre Kohle abgreift. Thomas genießt den Sex. Er ist einer, der geführt sein will im Bett. Er mag es, wenn man an den Brüsten nibbelt, er mag es, am Hals gestreichelt zu werden, gern lässt er sich die Arme nach oben reißen, sich unter den Achseln beschnüffeln oder ablecken. Nichts dergleichen tut er bei mir. Wenn man sich schwer auf ihn legt, ihn zart in die Taille kneift. Wenn man Lippen um seinen Schwanz schließt. Längst hat er die Augen zu und atmet schwer. Bei ein wenig Druck dreht er sich auf die Seite und lässt sich hinterrücks erforschen.

Er sagt nichts, als ich ihn auf die Lippen küsse. Er lässt mich lecken, macht sie, wie ich registriere, aber kein bisschen auf. Es geht ihm gut, wenn ich seine Hinterbacken in meine Hände nehme, härter presse, herzlos quetsche, dass es wehtun müsste.

Jeder Druck mit der flachen Hand ist ein Befehl, dem er Folge leistet. Bald kauert er vor mir im Bett, auf Händen und Knien. Er schiebt sich sogar heran und öffnet sich. Das ist göttlich, ihn so zu haben. Und seiner steht nicht weniger, wie unterwärts ein Griff mich belehrt.

Jetzt sollte ich aufstehen, den Gummi und Gleitmittel holen. Bis ich beides arrangiert habe, bin ich wieder schlaff. Er aber will es, nachdem ich ihn eingestimmt habe, schnell, tief und hart. Ich, oh, ich habe es oft erlebt, finde mich meiner Illusion von Herrschaft beraubt, die mich scharf gemacht hatte, erkenne mich als Leistungspflichtigen.

Also drehe ich ihn auf den Rücken, lasse Thomas liegen, lege den Kopf ihm auf die Brust, schließe die Augen, mache mit Händen weiter. Eine kommt drunter, eine schiebt sich von vorn dazwischen.

Während er die Augen geschlossen hat, den Kopf im Kissen versunken, öffnet er die Beine noch ein Stück, hebt das Becken in die Höhe, bis er schließlich auf mir sitzt wie auf einem Sattel. Er japst und jault. Innerlich scheint er zu wippen. Während ich ihn mit der Rechten extra unsanft und eckig bearbeite, mit der Linken irgendwo in ihm drin bin und Spielchen treibe, die nicht jeder von sich aus kennt oder zu wissen braucht.

Wo Thomas’ Kopf ist den geschlossenen Augen, mit einem leichenhaft verzerrten Mund, dem Adamsapfel, gerade ist, kann ich nicht wissen; wo der Rest ist von ihm, weiß ich. In meinen beiden Händen. Ich habe und besitze ihn. Er will geliefert sein. Was Atem, Seufzen, Stöhnen und Winseln waren, verwandelt sich in Schreie. Unseligerweise hört sich das so an, als würde Thomas zerfleischt, als fürchte er um sein Leben. Nie vorher hat in dieser Wohnung jemand so geschrien.

Thomas sollte mal fertig werden, lange kann ich das nicht verantworten. Das wilde Tier in Thomas will ständig noch mehr, obwohl - rein technisch - mehr nicht mehr zu gehen scheint.

Dann

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