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pladdert Klebriges auf mein Handgelenk. Er keucht mit geschlossenen Augen, ich knie neben und über der Brust, taste Haut und Knochen ab. Bis ich mich ergieße, auf ihn, auf die Brust. Mit flacher Hand streiche ich auf der Hühnerbrust, bis an den Bauch und in die Haare unter den Achseln hinein. Das jetzt, denke ich, hat er aber nicht mehr gern. Alles wohl erwogen, zeigt sich immer öfter, dass der nette Mensch, für den mich zu halten, ich geneigt bin, die Maske irgendwann fallen lässt. Zum Glück wissen es nicht sehr viele und die schweigen alle darüber.
Ich greife über ihn hinüber und mache das Licht aus. Er liegt auf dem Rücken. Ich nehme seinen Schwanz in die Hand.
„Jetzt könnt man eine rauchen“, sagt er.
„Nicht hier in diesem Zimmer“, sage ich. „Und auf dem Balkon frierst du dir deinen bezaubernden Arsch ab. Das wäre ein Verlust für die gesamte Menschheit.“
„Na ja“, sagt er.
„Thomas, ist dir bewusst, wie du dich aufgeführt hast? Du hast geschrien wie am Spieß. Du hast mich erschreckt. Das hab ich nie erlebt. Und ich hab viel erlebt.“
Er sagt nichts.
„Wenn da jemand hier gewesen wäre und es mitbekommen hätte ... Also, wenn einer dich so erlebt hat, merkt, wie stark du es brauchst, dem kannst du keine Story vom Pferd erzählen von wegen hetero.“
„Das hab ich nie gesagt.“
Also schlafe ich an der Seite von Thomas und er an meiner. Was Schöneres gibt es nicht, bloß, dass man es selten mitbekommt.
Er ist vor mir wach, tigert mir durch meine Wohnung, fragt, wo Kaffee ist.
Ich ächze: „Ich mach ja.“
„Du machst Kaffee, ich geh die Brötchen holen“, sagt er. „Ich brauch dann noch Geld.“
Ich habe nichts anderes, also bekommt er vom Schreibtisch den Fünfziger. Drei Brötchen für jeden, außerdem ein Pfund Halbweißes. Ich beschreibe ihm den Weg, obwohl kein Problem, einmal um die Ecke, dann kurz geradeaus. Schon möglich, denke ich, ist der angezogen und vorm Haus und hat einen Fünfziger, sehe ich ihn nie mehr wieder. Dann jedoch, besser überlegt, ist das nicht die wahrscheinliche Version. In dieser Stadt sieht man Burschen wie ihn doch immer wieder, irgendwann dann doch wieder, früher oder später. Dann wird er alles Mögliche sagen, aber nicht, er hätte sich verirrt gehabt.
Ich warte.
Der Kaffee ist lange schon fertig, der Tisch ist gedeckt, Butter und Marmelade stehen dort und sogar Eier habe ich gekocht. Ich warte und warte immer noch. Wie man wartet, wenn man weiß, der kommt nicht mehr. Man will ihm diese Chance lassen, man will nicht das Schlimmste denken von den Leuten, obwohl das Schlimmste immer nur das Wahre ist über die Menschen. Thomas, denke ich, wie kannst du so dumm sein! Hättest du dir denken können, dass du von dem Fünfziger alles behalten darfst.
Er klingelt nach einer Ewigkeit, die durch nichts erklärt oder entschuldigt werden kann. Diesen Bäcker zu finden, sagt er, sei kompliziert.
„Und da war so viel Betrieb. Du, ich hab mich schon verlaufen gehabt, ich hätt’s fast nicht gefunden. Und du sitzt wahrscheinlich da und wunderst dich, warum kein Frühstück kommt. Hab zwei Schachteln Marlboro geholt, eine für dich, eine für mich. Den Rest behalte ich dann.“
Meinerseits schmallippiges Grinsen.
Am Abend gehe ich zeitig zum Park. Knut ist so gut wie immer dort und der ist zuerst da. Wieder rede ich zu viel und erzähle Knut über Thomas viel mehr, als ich wollte. Sonst hört er irgendwann nicht mehr richtig hin, aber in diesem Fall sagt er kein einziges Wort, bis ich am Ende bin.
„Haare am Bauch und küsst nicht. Das taugt nicht. War mir vorher schon klar.“
Obwohl ich mir fest vorgenommen habe, nicht jeden Abend, wenn gutes Wetter ist, in diesen Park zu gehen, daraus keinen Lebensinhalt zu machen wie Knut, zumal Knut noch mehr zu meinem Lebensinhalt würde, bin ich am nächsten Abend wieder oben und auch wieder sehr früh. Knut ist gar nicht da, aber Thomas ist schon drin.
Der tut sich um und rennt von hier nach dort, rennt vorbei und grüßt, hat erst keine Zeit. Da sind fast zehn andere Männer, die er nicht zu kennen scheint, er geht von einem zum andern. Geht zwar nie richtig hin, spricht auch keinen an. Ist damit beschäftigt, sich sehen zu lassen, lässt sich in Gespräche verwickeln, an Armen und Beinen anfassen, Zigaretten geben. Na ja, denke ich, so ist es, wenn man sie nicht kennt.
Dann ist das wie Abenteuerland.
Doch kommt der ja nie zu Potte. Ist ein Hübscher unter dreißig schon mal hier, umkreisen und umzingeln sie den, aber irgendwann sind sie auch wieder weg und Thomas steht ganz alleine da. Tja, Thomas, denke ich, ist die Verfahrensweise mit Strichern hier. Die meisten Typen sind solche, die fast nichts mehr zu verlieren haben, Geld auch nicht. Wirst über kurz oder lang stranden an meiner Bank und dich freuen, dass dein Kumpel Ralf hier ist.
Dennoch dauert es Stunden, Stunden, in denen Knut jeden Augenblick um die Ecke biegen sollte, bis Thomas und ich die Letzten sind für diese Nacht. Sitzen, rauchen, lachen, sich was erzählen. Wir erzählen uns nichts mehr aus unseren Leben, wir stürzen uns auf den gemeinsamen Bekannten, Knut, der sich heute nicht wehren kann.
„Einen Typ Mensch hat er gefressen, das sind die, die nur nett sind, wenn sie was wollen. Schon mit Zigaretten ist er geizig. Er gibt welche, du denkst dir nichts, aber er zählt im Geist mit, kann nach drei Monaten sagen, welcher Typ vier Zigaretten geschnorrt hat, welcher fünf. Er sagt, das sind „Hättsch?“ und „Könntsch?“ und „Tätsch?“ Diese falschen Fuffziger, die schön tun, dabei wollen sie nur, dass man ihnen ihr Essen zahlt.“
Was merkbar angekommen ist bei Thomas. Auch dazu sagt er extrem wenig.
Mit dem Freund aber das, der ihm den BMW richtet, die private Autowerkstatt da, dieser BMW, den der Thomas also fährt, nur jetzt vorübergehend mal nicht, komisch, sage ich. Dass der BMW noch nicht vor dem Park draußen steht, sondern Thomas mal wieder nicht weiß, wo er schlafen kann. Und dann ja diese Arbeit im Büro, wo man werktags acht Uhr im Bett liegt, bei fremden Leuten in einer fremden