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1. Brief
Weißt du noch, wie das damals begann. Vor 30 Jahren in dem kalifornischen Sommer? Bis heute habe ich das nie wieder erlebt, dass eine Beziehung so viele Facetten haben kann, wie ich sie bei unserer erlebt habe. Das geht mir noch immer unter die Haut. Ich kann es nicht glauben. Wir haben uns damals getroffen. Mein Mann hat mich ziehen lassen. Mensch, wir waren so ein großer Trupp. Ich bekomme selbst die Namen von den Einzelnen nicht mehr zusammen. War es ein Geburtstag, den wir feierten? Eine Party aus einem besonderen Anlass oder feierten wir einfach das Leben an sich. Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich bin mir sicher, du kannst dich noch an das rote Kleid erinnern. An das rote Sommerkleid und die schwarzen High Heels dazu. Ich habe dich noch ermahnt, mir die Kleidung nicht wegzugucken; wir waren doch Freunde. Vermutlich war es von uns naiv zu glauben, dass wir das Spiel so ewig weiterspielen können. Und dann, nach stundenlangem Lauschen der Musik, nach vielen Gesprächen, hast du mich mit diesem Blick angesehen. Alles wurde still in mir. Ganz ruhig. Lediglich das Gras in meinem Kopf tanzte seltsam von einer Stelle zur Nächsten. Hattest du mir die Aufregung angesehen? Ich weiß noch, wie ich deine Hand genommen habe; mitnichten, es war nicht das erste Mal. Innerlich bereitete sich mein Körper vor und neben dem unbeständigen nervösen Kribbeln in meinem Bauch herrschte da dieses Oh-mein-Gott-Gefühl vor. Oh mein Gott, honey, denkst du wirklich wir sollten diesen Weg gehen? Ich hatte es nicht sagen müssen, du hast es in meinen Augen gesehen.
Als ich in deinem Zimmer stand, da ließ ich den Blick schweifen und hielt mich an dem Stoff des Kleides fest. Ich kam mir plötzlich seltsam nackt vor. Ich war so aufgeregt, so unsicher, wusste trotzdem genau, mir würde es nichts ausmachen. Das Leid, das kommen sollte. Ich würde es hinnehmen müssen, ich würde es hinnehmen. Ich nahm es hin und kann dir nicht sagen, ob du der Grund für meine Gleichgültigkeit warst. Ich habe mich herumgedreht, kaum, dass ich dich hinter mir gespürt habe. Ich habe das Lächeln, verborgen unter tausend anderen Gesichtszügen, noch immer in den Mundwinkeln und meine Fingerspitzen erinnern sich daran wie es sich anfühlte dein Gesicht zu berühren. Bin ich eigentlich nach wie vor wesentlich kleiner als du? Der Nagellack war schwarz und ich biss mir auf die Unterlippe als du ebenso lächeln musstest. Die Zeit war da plötzlich ganz egal bis wir es nicht abwarten konnten. Wir haben kein Wort verloren, aber du hast mich zeitgleich hochgehoben wie ich meine Arme um deinen Nacken und meine Beine um deine Hüften legte. Nichts ist in meiner Erinnerung so präsent wie dieser Sommer, das schwöre ich dir. Jede Sekunde, die ich mit dir verbracht habe, hat sich eingebrannt in mein Leben und in meine Seele. Dieses Gefühl, eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Freude, welches durch meinen Körper tobte, weil du die Dinge genauso gesehen hast wie ich; nicht nur wie immer, sondern insbesondere an diesem Anfang des neuen Weges. Ich hatte ständig Angst, dass du dich in Luft auflösen könntest oder ich nur Träume. Im Übrigen ist das Haar noch immer so schwarz wie in dem Augenblick als du es dir um dein Handgelenk gewickelt hast. Vielleicht funkelt es nicht mehr so sehr, aber ich habe auch nicht mehr diese ausgefallene Lampe wiedergesehen, die bei dir auch dem Nachttisch stand. Ich verrate dir eines. Ich war so glücklich und mir genau bewusst wie sehr dieses Glück wehtun würde, dass ich den Schmerz in meinem Herzen noch immer spüre. Es war wie eine Melancholie. Ich habe mich für diese Monate aufgegeben; mich an dir verschwendet mit Haut und Haaren. Eine Mischung aus einem Spiel und purer Ernsthaftigkeit, doch nur durch dich wurde ich mir meiner Persönlichkeit bewusst. Nur durch dich, wurde ich zur Frau.
2.Brief
Ich hatte neulich das kleine Schwarze wieder in der Hand, Hey, du lachst jetzt bestimmt, dass ich diese Dinge noch aufgehoben habe. Viel mehr als das. Meine Kinder sind der Meinung, ich muss mich langsam davon trennen. Lieber gestern als morgen. Nein, ich schwöre dir, ich nehme die Sachen mit ins Grab. Solang wird das nicht mehr dauern. Du hast die gleichen Erinnerungen wie ich an das Kleidchen; an diesen Hauch von Stoff, der sich an dem Tag an meinen Körper schmiegte. Bei Gott, es war nicht der schönste Tag für uns. Ganz im Gegenteil. Noch nie zuvor habe ich diese Art der Panik in mir gespürt als du mir einen schönen Urlaub mit meinem Mann in deinem Hotel gewünscht hast. Wir haben uns unterhalten ohne uns zu berühren, doch ich habe jeden deiner Blicke verstanden, die für den Nichtsahnenden komplett nichtssagend waren. Wie nett, dass der Chef uns in Empfang nimmt, höre ich noch heute meinen Mann sagen und spüre seine Hand an meiner Lendenwirbelsäule. Ich habe doch nie ahnen können, dass sein Überraschungsausflug hierher führen wird; in unsere persönliche Hölle. Niemals hätte ich das gedacht und ich hoffte so sehr, du würdest meine stillen Schreie hören; verstehen, dass ich das nicht wollte. Nein, nie sollten diese Leben miteinander kollidieren. Das waren zwei Geschichten, die parallel liefen. Ich liebte dich nicht und liebte dich doch so sehr. Innerlich zerriss mich meine Zerrissenheit. Innerlich begann ich auf deine Anwesenheit zu reagieren und hinderte mich zeitgleich daran.
Ich habe niemals aufgehört über diese Zeit nachzudenken. Ich habe mich niemals aufgehört zu fragen, ob alles anders gelaufen wäre, wenn die Welten nicht kollidiert wären. Klein fühlte ich mich im Wechselspiel der Emotionen. Schutzlos ausgeliefert, von Sehnsucht und Angst gepackt. Mit leicht geöffneten Lippen, nur ein spalt, muss ich dich angesehen haben wie ein kleines Kind. Scheu aus schwarz umrandeten Augen, den Blick zum Schlüssel gesenkt, den du über den Tresen geschoben hast für unser Zimmer. Jeden Moment würde uns irgendwas verraten. Und sei es, weil mir plötzlich die Wahrheit auf der Stirn geschrieben stand. Es war der schwärzeste Tag in meinem Lieben. Schwärzer als alle,
erotische Inhalte
inspiriert von der Musik zu Lana del Rey
Kommentare
Habe diese Briefe mit Faszination gelesen. Das zweite Mal in besserm Verstehen.
Liebe Grüße, Susanna
Fühlen ist sowieso besser als Verstehen :-) Schön, dass ich dich faszinieren konnte
Liebe Grüße, Giulia
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