Glühwürmchen

Bild von Monika Laakes
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Es waren die Glühwürmchen. Sie brachten Licht in das Dunkel. Diese Lichtpunkte an Sträuchern, die zu tanzen begannen. Der Kopf der Frau war voll vom Taumel der Juninacht.
>Wirst du diese Sternchen im Strauch jemals vergessen, Nick?<
Der Mann an ihrer Seite blieb stehen und schaute hoch zu den Begleitern der Ewigkeit.
>Sterne oder Glühwürmchen, gibt’s einen Unterschied<, murmelte er.
>Nick, hol mir den Stern vom Strauch<, bat sie.
>Eher pflück ich dir einen vom Himmel<, gab er zurück.
>Sie glühen nur einen Sommer. Dann sterben sie<, sagte die Frau mit Blick auf die Lichtpunkte am Strauch.
>Was bedeutet schon Zeit? Hat nicht ein jedes Lebewesen seine Eigenzeit, sein eigenes Jetzt? Diese glühenden Winzlinge flirten und lieben sich durch die Nächte. Sie sind im Rausch der Ekstase. Klopfen ans Tor der Ewigkeit.<
Nick kannte diese Glühen.
>Nick, wie schön doch dieses grünliche Blinken ist.<
>Luciferin. Ja. Luciferin heißt der Leuchtstoff. Den produzieren sie selber.<
>Ich mag die grünen Miniampeln. Ich werde mir jetzt eine fangen.<
>Ach, lass. Gib ihnen freie Fahrt. Ihre letzte Fahrt für die Liebe.<
Die Frau bremste ihren Schritt kurz vor den Sträuchern.
>Ich hätte sie ohnehin nicht fangen können<, bemerkte sie und schlang ihren Arm um Nick’s Schultern.
>Sieh mal, der Uranus leuchtet grünlichblau<, sagte er und wies mit dem Zeigefinger zum Himmel.
>Wo? Ja! Ich sehe ihn! Ist das der einzige Stern mit dieser Farbe?<
>Ich glaub schon. Kennst du seine Geschichte?<
>Erzähl.<
Die Frau zog Nick näher zu sich heran. Er legte seinen Kopf an ihren und schaute zum Firmament.
>Uranus und Gaia waren die göttlichen Urkräfte. Sie waren zu Beginn der Schöpfung schon mächtig aktiv. Gaia, die Erde, zeugte Uranus, den Himmel.<
Die Frau löste die Umarmung und begann zu tanzen.
>Ich liebe solche Geschichten, Nick. Und wie ich sie liebe. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Welchen Sinn hat das alles hier? Ach Nick, erklär mir die Welt.<
>Bin ich Buddha? Oder etwa Jesus?<
Dann küsste Nick diese Frau. Es war ein plötzlicher Impuls. Nick traf ihren Mund punktgenau. Glühwürmchenmänner landen ebenso genau auf Glühwürmchenfrauen. Sie werden vom Leuchten der Frauen angelockt und vom Duft gefangen. Einen Sommer lang.
>Nick, was bedeutet Ewigkeit?< flüsterte sie noch im Lösen des Kusses.
>Dieser Moment ist Ewigkeit.<
>Tja.<
Ihr Seufzen.
>Das Licht der Glühwürmchen, ein warmer Windhauch und der Magnetismus zweier Menschen. Die Länge eines Kusses<, ergänzte er.
Erneutes Seufzen zwang ihn zur weiteren Ausführung.
>Wir kommen aus der Ewigkeit und gehen dorthin zurück.<
>Nick, einmal möchte ich so klug schwätzen können wie du.<
>Na ja. Am Ende meines Lebens werde ich ein riesengroßes Fragezeichen sein.<
Nick zog die Frau erneut zu sich heran. Flüsterte ihr ins Ohr:
>Aber jetzt. Jetzt bin auch ich ein Glühwürmchenmann.<
Und er wusste um sein inneres Licht. Auch er produziert es selber. Jede Zelle hat ihr Licht. Licht ist das organisierende Prinzip der Materie. Jedes Lebewesen ist ein Lichtwesen. Wir Menschen sind duftende, Pheromone ausströmende Lichtwesen, sinnierte Nick, während seine Nase im Nacken der Frau tief ihren Duft einsog.
>Wer oder was steuert mich<, murmelte er.
>Die Liebe<, flüsterte die Frau.
Nick rieb seine Nase an ihrem Hals.
>Was ist Liebe?<
>Nick du nervst.<
>Ist sie ein Tanz Tausender Botenstoffe und Hormone? Sind es diese wundervollen Duftstoffe, die vom Riechkolben aus Meldungen an das limbische System übertragen, also unmittelbar das Gehirn stimulieren?< fuhr er unbeirrt fort.
>Ach Nick, ist das wichtig?<
>Sind wir wirklich frei?<
>Klar doch.<
>Läuft in uns nicht ein subtiles Programm, das uns bestimmt?<
Nick rieb sich die Nase. Sie seufzte. Er fuhr fort:
>Und wir glauben mit unumstößlichem Selbstbewusstsein wir seien frei. Welch eine Illusion.<
>Sei ruhig, Nick. Du machst mich wütend.<
>Entschuldige, dass ich laut gedacht habe.<
>Deine blödsinnige Fragerei in so einer Nacht. Mach nicht alles kaputt.<
Nick ließ das Denken in sich versickern. Er begann langsam zu glühen.
Und er ließ dieses Glühen zu.

Interne Verweise

Kommentare

27. Nov 2015

Ein Text, der selber glüht und glimmt -
Fein, wie er Licht und Farben nimmt...

LG Axel

27. Nov 2015

Über den einfühlsamen Kommentar hab ich mich gefreut. LG Monika

31. Dez 2015

Mir hat diese Geschichte sehr gefallen. Atmosphärisch, sommerweich, leuchtend und voller Bilder.
Ich habe gesehen, gehört, gerochen und den Sommer fast auf der Haut gespürt...

Liebe Grüße

Mara

31. Dez 2015

Oh, schön. Danke. Bis zum nächsten Jahr - 2016.
LG Monika