AU 2006 01 Australien - Reise ins Unbekannte - Page 3

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von Willi Grigor

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zu bringen. Um 14:15 startete die Maschine nach Frankfurt. Ankunft 16:00. Abflug nach Singapur 22:20.

Im Vorfeld der Reise hatten wir am meisten Respekt vor der langen Flugzeit, ca. 22 Stunden. Wie würden wir das verkraften? Wir hatten Geschichten über Trombose in den Beinen und andere Unannehmlichkeiten gehört/gelesen. Auch deshalb hatten wir einen Stopp von 2 Tagen in Singapur eingeplant. Der Hausarzt empfahl uns blutverdünnende Tabletten und fest ansitzende Stützstrümpfe, viel Wasser trinken, Beingymnastik beim Sitzen machen und ab und zu aufstehen und sich bewegen.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass nicht die 12 Stunden im Flugzeug nach Singapur das Schlimmste war, sondern die 6 Stunden Warten am Frankfurter Flugplatz.

Eine Stunde vor Abflug schlenderten wir zu unserer Abflughalle. Diese erwies sich für die ca. 500 Passagiere des ausgebuchten Jumbojets als viel zu klein. Es war ein ziemliches Gedränge, da ja viele immer ganz vorne stehen wollen. Wir hielten uns lieber zurück, wir hatten ja eine Platzkarte. Es zeigte sich dann, dass die Passagiere reihenweise von hinten nach vorne aufgerufen wurden, in das Flugzeug zu gehen. So gestaltete sich der Einstieg doch noch ziemlich menschenwürdig. Zwölf Stunden nach unserem Aufbruch von Kungsbacka saßen wir endlich im Flieger nach Singapur.

Der Nachtflug nach Singapur war trotz der einsetzenden Müdigkeit gar nicht so schlimm. Die supernetten, kleinen, schlanken, hübschen Flugbegleiterinnen in ihrer farbenfrohen Tracht taten das Ihrige. Das Essen war gut und ausreichend. Zwischendurch gab es Früchte und ausreichend zu trinken. Jeder hatte seinen eigenen Display und konnte zwischen mehreren Filmen und diversen Spielen wählen. Wir hörten jedoch lieber Musik über den Kopfhörer. Wir haben noch nie soviel klassische Musik an einem Tag gehört! Man konnte auch den Fortgang des Flugs über eine Karte am Bildschirm verfolgen, mit Angabe der Flughöhe (12000 m) und -geschwindigkeit (1200 km/h), Außentemperatur (max. -56 Grad), ausstehende Flugzeit u.a.m. Diese Seite schaute ich mir ständig an und informierte Gullan: jetzt sind wir über Wien, jetzt über Bagdad. Als wir über Bangkok waren, stellten wir uns schon viel zu früh auf den Landeanflug ein. Gullan schlief ein wenig, für mich war das schwieriger, aber wahrscheinlich bin ich doch ab und zu kurz eingenickt. Wir saßen in der Nähe der Notausgänge und dieser Bereich wurde nicht abgedunkelt.

Wir landeten pünktlich um 17:15 Ortszeit. Müde und neugierig zugleich schlenderten wir vielleicht 1 km auf teppichbodenbelegten Gängen zur Gepäckausgabe. Die Passage durch Passkontrolle und Zoll verlief fließend. Wir hatten eine Beschreibung zu dem Schalter an dem wir unseren Voucher für das vorgebuchte Hotel und den Transport dorthin abholen mussten. Wir fanden diesen ohne Probleme. Zum Glück hat Gullan mehr Englischübung als ich. Die Müdigkeit machte, dass ich noch weniger Worte fand. Außerdem verstehen diese Asiaten meinen englischen Dialekt nicht so gut. Das konnten die Australier übrigens am Anfang auch nicht. Aber die bekamen ja mehr Zeit ihn zu lernen.
Wir buchten an diesem Schalter auch gleich für den nächsten Morgen eine Stadtrundfahrt. Wir hatten ja eigentlich nur einen Tag, um uns Singapur anzusehen. Während der Wartezeit auf den Bus, der uns und einige andere zum jeweiligen Hotel bringen sollte, ging ich hin und wieder nach draußen, um die herrlich warme Luft zu spüren. In dieser Stadt, fast genau am Äquator, ist es tagsüber ja immer um die 30 Grad und nachts nur wenig darunter.
Es dämmerte schon, als wir mit einem alten, klapprigen aber klimatisierten Bus zum Hotel fuhren. Wir konnten aber doch noch die üppige Vegetation und Architektur erkennen.

Singapur
Die Fahrt dauert ca. 20 Minuten und es war fast dunkel als wir vor dem Hotel Marina Mandarin hielten. Es war ein sog. Erste-Klasse-Hotel wie es in Singapur sicher in großer Zahl gibt. Wir wählten es, weil es kein Wolkenkratzer war, nur 25 Stockwerke. Dann gibt es ja noch die Luxus-Superhotels für die Superreichen, die keine Klassifizierung haben (ihr guter Name reicht), in Singapur z. B. "The Raffels Hotel".
Für uns, die wir in den letzten 20 Jahren was Hotels angeht ziemlich zurückhaltend waren, war Marina Mandarin ein Luxushotel. Schon der Empfang war ziemlich imponierend. Es ist aber vielleicht auch so, dass die asiatische Art der Freundlichkeit und Zuvorkommenkeit für einen unvorbereiteten Besucher überraschend ist.
Wir waren die einzigen im Bus, die an diesem Hotel abstiegen. Alle Aufmerksamkeit der Hotelbediensteten für den Gästeempfang galt also uns. Den alten Bus, mit dem wir kamen, kannten sie wahrscheinlich schon.
Ich muss einfügen, dass wir ja ziemlich müde und zerknittert waren nach dem langen Flug. Zumindest ich war verschwitzt und unrasiert. Ich verzichtete auf die geplante Rasur im Flugzeug und den T-Shirt-Wechsel. Während der letzten Flugstunde war ein großes Gedränge in den Gängen vor den Toiletten.
Das bereute ich dann beim Hotelempfang, ich fand mich ziemlich unpassend. Der Hotelmanager kam uns entgegen und hieß uns willkommen. Vielleicht war es auch nur ein sog. Türsteher, aber dann war es ein sehr gut gekleideter. In seiner Begleitung hatte er eines von diesen schlanken, hübschen asiatischen Mädchen in eng anliegender, roter Tracht und Schuhen mit hohen Absätzen.
Wir durften nur zeigen, welches unser Gepäck war (zwei Koffer und zwei Taschen) und schon hatten es zwei Uniformierte auf einen Gepäckwagen gepackt, der sicher genug Platz hatte für das Gepäck eines Filmstars, und verschwanden. Ich hatte keine Zeit zu übersetzen, dass ich meine Tasche mit den wichtigen Papieren selber tragen wollte. Ich entschloss mich, auf die Singapurer zu vertrauen.
Der "Manager" führte uns in eine große Halle und übergab uns in die Obhut von offenbar Drillingsschwestern seiner Begleiterin hinter einem Tresen. Ich legte gekonnt unsicher unseren Voucher auf diesen und ließ Gullan reden. Eines der Mädchen schaute auf den Voucher, dann auf den Computer und sagte, ständig lächelnd, einige Sätze. Dabei kam sie nach vorn zu uns und wies uns an, ihr zum Aufzug zu folgen.
Donnerwetter, dachte ich, Damenbegleitung zum Hotelzimmer! Ihr angenehmer Duft verscheuchte wohl den meinen, dachte ich. Hoffentlich kommen auch unsere Koffer an. Die Uniformierten stiegen in einen anderen Aufzug, ohne Zwischenstopp am Tresen.

Wir fuhren zwei Stockwerke höher. Als wir aus dem Aufzug stiegen, merkten wir, dass wir uns erst jetzt in der eigentlichen Hotelhalle befanden, die erste war nur eine Art Vor-Empfangshalle. Wir schauten uns um und nach oben, und waren fast geschockt. Es war eine riesige Halle mit zwei gegensätzlich geschwungenen Treppen zu einem oberen Plateau, der Blick nach oben verlor sich, da die Halle bis zu den oberen Stockwerken reichte. Das Hotel war sozusagen um die Halle herumgebaut und auf jeder der 25 Etagen war ein Wandelgang zu den einzelnen Zimmern. Vom Geländer eines jeden Wandelgangs wuchsen lange grüne Gewächse, so dass es aussah, als hingen jede Menge grüne Teppiche herab. Man konnte von der Halle auch nach unten in die Halle schauen, von der wir kamen. Zwei verschiedene Barbereiche rahmten den Gästeempfangsbereich ein. Ein kleines Orchester mit Flügel, Geigen und Harfe spielte klassische Musik. Es war zauberhaft, und ich immer noch im gleichen, verschwitzten T-Shirt.

Als wir im Zimmer ankamen duschten wir, ich zuerst. Die Müdigkeit war vergessen, die Neugierde auf die Stadt groß. Als ich fertig war, verließ ich das Zimmer, ich wollte mir das Hotelinnere etwas besser anschauen. Hier oben hörte man die Orchestermusik nur sehr gedämpft. Nun hörte ich auch ein deutliches Vogelzwitschern. In den grünen Gewächsteppichen waren Käfige mit schönsingenden Vögeln platziert.
Unten in der Halle befanden sich zwei Bars. Ein Bier wäre nicht schlecht, während ich auf Gullan warte. Die eine war direkt beim Orchester, ich wählte die andere. Dort gab es Erdinger Weißbier, alles klar!

Gullan kam und wir gingen nach draußen um etwas zu Essen zu finden. Wir spazierten, zusammen mit vielen anderen Leuten, entlang der Marina Bay Strandpromenade, die ganz in der Nähe war. Wir gingen in ein einfaches Restaurant und aßen Fish and Chips, auch hier war es ziemlich voll. Danach spürten wir wieder die Müdigkeit. Beim Bezahlen fragten wir den Kellner, ob hier immer so viele Leute unterwegs sind. Da erfuhren wir, dass heute ein großer Feiertag ist. Die Chinesen, die in Singapur die Mehrheit bilden, feiern heute ihren Neujahrstag. In einer viertel Stunde beginnt ein großes Feuerwerk. So kam es, dass wir das für uns bisher spektakulärste Feuerwerk bestaunen konnten. Auch daran merkte man, dass Singapur ein reiches Land ist. Unsere Ankunftszeit war unwissentlich gut gewählt.

Eine riesige Menschenmenge bestaunte das großartige Schauspiel. Auffällig war, dass nicht so viele ältere Leute dabei waren. Wir gehörten zu dieser Minderheit. Es war ein Fest der Jugend, ohne Alkohol und Geschrei. Das ist in diesem Stadtstaat nicht erlaubt. Nach einem romantischen Vollmond-Spaziergang entlang der Marina Bay im Herzen Singapurs bis hin zum wasserspeienden Löwen (Singapur bedeutet Löwenstadt) gingen wir zum Hotel. Wir waren müde und gleichzeitig glücklich.

Für den nächsten Tag hatten wir uns einiges vorgenommen, wir wollten so viel wie möglich von dieser besonderen Stadt sehen. Eine drei Stunden lange Bustour brachte uns India- und Cinatown näher. Zwei Stadtviertel, die vom modernen Stil der Stadt verschont geblieben sind. Kleine Parks, Rasenflächen, Blumen, Bäume mit stark duftenden Blüten (Frangipani) hatten etwas freundliches in dem quirligen Gemenge. Man schleppte uns in eine Manufaktur, in der Edelsteine veredelt werden. Kostenlose Besichtigung in einer großen Ausstellungshalle! Ich dachte an meine kleine Steinschleifmaschine zuhause, die schon lang nichts mehr zu tun bekam, und kaufte einen kleinen Beutel mit Halbedelsteinen. (Dieser liegt noch heute, 2018, ungeöffnet neben dieser Maschine.) Meine Ängste, dass man sie mir bei der strengen Kontrolle in Australien abnehmen würde, erwies sich später als unbegründet.

Wieder im Hotel brauchten wir eine Dusche und zwei Stunden Pause. Die feuchte Wärme draußen und die Zeitumstellung sind kräftezehrend. Im Hotel und in Restaurants ist es mir eher zu kühl. Das ist wohl auch ein Zeichen des Wohlstands hier.
Dann wieder ein Erdinger an der Bar (teuer!) Ein wunderbarer Spaziergang auf der Strandpromenade mit allen diesen Lichtern steigerte die Stimmung, wie auch ein besseres Essen als gestern, trotz des zu süßen Weins.
Wir hatten die richtige Stadt für den Stopover gewählt und freuten uns schon auf die Wiederholung beim Rückflug.
Singapur wurde für uns eine Art Favoritstadt. Bei allen vier Australienbesuchen machten wir bei ihr zwei Zwischenstopps.

Sie hat viel die feine Stadt,
von allem nur das Beste.
Es ist eine reine Stadt,
das lieben ihre Gäste.

Ein Inselstaat, ein reiches Land,
einst britischer Besitz.
Sein demokratisches Gewand:
Für viele nur ein Witz.

Dies kleine Land, ich mag es:
Die milde Freude ihrer Nacht,
in der warmen Luft des Tages
das Bestaunen ihrer Pracht.

Meist junge Leute sieht man hier,
gut gekleidet und gelaunt.
Selbst ist man alt und trinkt sein Bier,
beobachtet und staunt.

Schattenseiten, ganz offenbar,
hat sie wie wir, nicht nur Licht.
Doch diese sind fast unsichtbar,
wir Kurzzeitgäste sehn sie nicht.

Ich fühl mich wohl, wie in der Kur,
bei dir und der Äquatorwärme.
Du, Löwenstadt = Singapur,
von dir ich freudig schwärme.

**
Noch hatten wir ja keine Ahnung welch überwältigende Eindrücke wir in den nächsten drei Monaten in uns einsaugen werden. Und schon gar nicht, dass wir dieses Abenteuer 2008, 2010 und 2013 wiederholen werden.

Anmerkung:
Die beiden Abschnitte "Flug nach Singapur" und "Singapur" sind die einzigen Texte, die ich während dieser ersten Australienreise 2006 verfasst habe, und die einzigen, die ich bis dahin überhaupt verfasst hatte (mit Ausnahme der Liebesbriefe nach Schweden 1971). Durch diese und den folgenden Australienreisen ist meine Schreiblust entstanden, bzw. erweckt worden. Das Tagebuch meiner Frau und mein Gedächtnis werden mir beim Schreiben des Berichts Teil 2 helfen.

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© Willi Grigor, 2006 (kompl. 2016)

Den Anstoß zum Schreiben von Gedichten gaben, Februar 2013, das Meer mit seinem Strand am kleinen, abgelegenen Ort Carrickalinga sowie - nur kurz danach - ein nächtliches Erlebnis in Hobart, Tasmanien, siehe Gedicht literatpro.de/gedicht/210518/dank-an-das-meer und Reisebericht
literatpro.de/prosa/040416/au-2013-schluesselerlebnis-in-hobart

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