Nachtodysseen

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von Frank Tegenthoff

Goldlackschwer schwappte es im bernsteinglitzerndem Glas. Aalglatt und perlweiß tropfte es aus dem dicken Flaschenhals; eine Träne die lautlos in die Dämmerung fiel.
Der Tag welkte in die Nacht an mir vorbei. So rannte die Zeit davon. Ich presste sauren Atem aus mir ins warme Kissen. Ein Glockenton wehte herbei,von weit her. Ich hörte noch den heißen Wind, spürte ihn sogleich an meinem Schläfen erschlaffen. Nasskalter Schweiß blieb noch darauf. Ich musste an Zypressen und Lavendel denken, schmeckte ein Rest davon an meiner Haut. So raffte ich mich auf!
Unterdessen. Im Fieber der Nachtzeit: Es tropfte Kaffee tiefschwarz durchs bleiche Filtertuch. Ich fühlte mein Herz in Dornen nisten. So drängte sich nur ein müdes Lächeln aus dem Fenster. Die Nachtlichter aber draußen flammten auf, zu einem Blitz. Unterm Firmanent spukte greller Lichtschmuck auf. Verklärten Staub meinte ich zu spüren - unten in den Schluchten einer modernen Großstadt. So blickte ich dadurch angelockt durchs Fenster. Auf diese Schlangen von Straßen.
Ich sah eine Gondel noch halb im Neonlicht schaukeln. Abwärts aus meinem Blickfeld rauschte es in die satte Dunkelheit. Meine Schritte eilten mir schon voraus, zu den Liften. In mir zersprang es. Klirrte wie Eis, wenn es bricht.
Meine Finger wurden schweißnass, wie noch nie. Die glatten marmorierten Wände spiegelten meine Blässe zurück ins Gesicht. Da schmunzelte ich mir tapfer zu. Die Blässe fiel ab wie bröckelnder Kalk. Und mit ihr war die alte Narrenkappe fort, die mich stets mit einem leeren Grinsen unterhielt.
Die Aufzugstür sprang auseinander mit einem mechanischen Ruck. Da stand ich nun auf der Schwelle, in der Lichtschranke zu einer noch jungen Nacht. Es roch aber nicht nach Flieder. Ich taumelte fast hinaus. Die Tür schloss sich zu einer einzigen Wand,an der ich mich kurz abstützte. Ich sah einen Stern im Zenit des Großen Wagens sitzen. Ein Zittern durchfuhr mich. Es war aber unbemerkt verflogen, sodass ich mir keine Sorgen machen musste.
Wieder stemmte sich die Nacht dem Tag entgegen. Noch halbvoll hatte ich mein Glas stehen gelassen. Es hatte fade geschmeckt und rutschte rau durch meine Kehle. Derweil packten mich trübe Erinnerungen. Und ich hatte noch zuvor an einer Pokerrunde gedacht. Hitzige, stumme Gesichter, die mit allem geizen, was sie verraten könnte. Sowohl im Krieg als auch beim Spiel gibt es Verlierer und Sieger. Der Besiegte zahlt die Zeche!
Ich trat hinaus und traf ein welkes Blatt. Es war mir so als wäre ich dieses Blatt: schon halbtot in der Pfütze schwimmen!
Aber dem war nicht so. Meinen letzten Dime spürte ich noch in meiner Faust. Mit dem letzten Schluck gefror meine Erinnerung zu Eis! Die Pasta um die Ecke verschlang ich. Ich hatte erstmals ein befriedigendes Gefühl.
Die Augustsonne triefte vor Hitze Es schüttelte alles von sich. Und Zeus schleuderte seinen Lichtarm in Richtung Westen. Es war atemberaubend schön an diesem neuen Tag. Der Wind schrie mir zu. Ich wollte so gern in seine Fänge greifen. Aber plötzlich fiel Regen und der ganze Zauber schwamm mit fort. Ich wollte mich nach dieser Nacht erlöst fühlen - bereit für etwas Neues! Der Himmel hatte seine Fesseln gelöst und erntete einen Mitsommernachtstraum, der den Horizont von einem Ende zum anderen entflammte. Sodann entblößte sich die Weite des Tales und in den Klüften..
Unweigerllich würde auch die Nacht wiederkommen.
Bis dahin überlege ich mir etwas, wie ich das Kasino erleichtern kann.

Überarbeitete Version. Erstveröffentlichung inder Literaturzeitschrift Feuerprobe Nr.2 05/1992

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