Tanz der Völker

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von Frank Tegenthoff

Ich verzage am Zerfall. Er fällt als Bastion, wie nach einem plötzlichen atomaren Überfall.
Der Overkill - als nestelnder Atem hinterm Nacken und stummen Schrei.
Ich will dem entfliehen - aus dieser Festung apokalyptischer Brünste, die vom Wind herzuwehen als atomarer Schnee.
Ich bibber nur noch vor Kälte. Ich werde verlieren, ich werde tot sein - ehe das Leben neu beginnen kann.
Aufgeweicht und verseucht. In einer nuklearen Ursuppe. Im Sturm unersättlicher Schergen. Atemlos. Dann tödliche Stille.
Kein Dämmern. Kein Schauer. Nur ein tiefroter Feuerball, der untergeht.
Davor ein hässliches Kreuz - verwaist und zitternd im Wind. Leicht zugeweht! Ein Schaudern versinkt in aphatische Tiefen.
Atemlos. Ein verstummter Schrei krallt sich ins Gewissen. Kriege und Morde brandschatzen die Endzeit; sie sickern zu einem Blutfluss dahin.
Ich bereue meinen Unmut und sacke auf beide Knien. Die Himmelslichter wirken trübe,fast ausgelöscht - dicht hinter aufgetürmten Dünen versteckt.
Als triefe der Zahn der Zeit blutleer, zu endlosen Kristallnächten auf denen Schwielen uralter Ängste klagen, zerfällt dieser zu weißer Asche - auf ewig!
Eine winzige Hoffnung. Noch wach ungetrübt - reiht sich hinter die Schatten, die uniformiert vor einer Kasse stehen als ziehen sie in den Endsieg.
Ich bin noch nicht dran. Inmitten einer grauen Menge, die sich eine Eintrittskarte zum Jenseits kaufen will.
Das eiförmige Gesicht hinter der Kassa, fahl und unberührt als hätte kein Gefühl darin Platz.
Es schaut weder nach links noch nach rechts. Es ist bestrebt hindurchzusehen.
Ich nehme eine Karte und taste mich Schritt für Schritt der stummen Masse hinterher.
Es ist feucht und dunkel. Der weite, tiefe Raum spuckt sofort helles Neonlicht. Und wir sitzen in diesem Schutzbunker: lethargisch, unsicher, verlaust!
Und mit einer vagen Erinnerung: Die Welt ist nicht mehr!
Wahrscheinllich wirkt die Propaganda noch immer in diesem Gefängnis. Eine abgöttische, menschenerniedrigende Demontage. Das Leben ist nicht mehr!
Dann keimt ein vertrautes Babyschreien auf - der erste Lebensatem. Es wird einen Neuanfang geben. Aber die graue Masse ist noch traumatisiert. Sie traut sich noch nicht hinaus! Sie sind ausgebombt, verwirrt und krank.
Ich fühle mich unsagbar entleert. Nach Tagen und Wochen bin ich leichenblass geworden. Dann geht die schwere Bleitür wieder auf. Kein Alarm heult auf. Es geht hinaus in eine neue Welt!
Wir lassen den Holocaust hinter uns. Wir machen mit den gläsernen Menschen Schluss und tanzen nicht mehr auf einem Vulkan!

Wir leben sowohl als auch in einer gefährlichen und zukunftsträchtigen Zeit. So verstehe ich auch meinen Tanz der Völker als Chance und nicht als Ende!

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