8 – Lebenssplitter "Mehlstaub-Spinnen"

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von Heide Nöchel (noé)

8 Lebenssplitter

Mehlstaub-Spinnen

Auch nicht schlecht war die andere Bäckerei-Geschichte, als ich die Mehlkammer saubermachen sollte. Ich sollte ja nur fegen, das war auch kein Problem, nur staubig halt.

Dort lagerten alle diese Säcke mit Mehl, eine gewundene Stiege empor, über der Backstube.

Der Bäcker- und Konditormeister hatte sicher seine besten Zeiten schon hinter sich, 15 Jahre älter als seine quirlige, energiegeladene Frau, die den ganzen Laden „schmiss“ (einschließlich Buchhaltung, das war schon beeindruckend!). Er sah irgendwie backpflaumenartig aus, ausgedörrt und faltenreich, sehnig und hochgewachsen, so ein Typ Sean Connery, glattrasiert, und er war Kettenraucher mit dem typischen Husten (vielleicht war daran aber auch der Mehlstaub beteiligt). Aber er hatte sie noch, diese enorme Kraft, die ihn die zentnerschweren Mehlsäcke auf die Schulter hieven ließ und sie die enge, steile Stiege im Halbrund hinunterbefördern.

Nun, wenn das auch beeindruckend war, mehr noch beeindruckte mich die Ansammlung von Spinnen im Fenster auf dem Halbstock. Das war noch eines dieser alten Fenster mit lauter kleinen quadratischen Scheiben im Holzrahmen. Und in jeder Ecke dieser kleinen Scheiben waren Spinnweben angesiedelt, vom Mehlstaub weißlich verfärbt. Und in jedem saß eine Mama-Spinne mit unzähligen wuseligen kleinen Spinnchen oder - in der Vorstufe noch - einem blasigen "Gelege".

Passiert ist nichts weiter. Ich hatte nur immer einen leichten Grusel, wenn ich an diesem Fenster vorbeigehen musste, und schaute mir mit steil aufgerichtetem Haupthaar stets die Fortschritte der "Brutpflege" an. Den Auftrag, dieses Fenster zu säubern, bekam ich nie, obwohl ja auch der Hausherr täglich daran vorbei ging.

Aus irgendeinem Grund hatten diese Spinnen an dieser Stelle des Haushaltes ein Bleiberecht.

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