Bald tat sich im variablen Zusatzuniversum der Götter, die einmal vierbeinige Ameisen gewesen waren, Erstaunliches: Die ersten Kulturen entstanden! Und nun wurden belastbare Charaktere gebraucht – bei den Göttern versteht sich. Was die Menschen anging, war sowieso alles egal. Sie benahmen sich nun einmal wie sie sich benahmen. Man musste ihnen quasi schon deshalb verzeihen, weil sie sonst überflüssig gewesen wären …
Auf die ersten Ackerbauern folgten die ersten Städte und damit entfaltete sich sowohl eine schier unbegrenzte Phantasie, wie selbstverständlich auch eine unbegrenzte Vielfalt auf allen Gebieten, die getrost „pervers“ und „wahnsinnig grausam“ genannt werden durften. Handwerksbetriebe entstanden, bezahlte Krieger (Soldaten) traten auf den Plan, Ortsvorsteher wurden gebraucht, ebenso wie auch Richter und demzufolge natürlich auch Henker!
Sogar der Folterer wurde zum „Handwerksberuf“, da die Herrschenden glaubten, Geständnisse erpressen zu müssen, ob es sich bei den Gefolterten nun um Schuldige oder nur um Opfer von Intrigen und Verleumdungen handelte. Und leider kam es auch schon mal vor, daß sadistisch veranlagte Menschenwesen (was in der langen Entwicklungsgeschichte der vierbeinigen Ameisen niemals vorgekommen war) aus purer Lust an der Qual anderer jemanden zu Tode misshandeln wollten.
Die Städte der Götter, aus denen die vielen Mitarbeiter für „Irdische Angelegenheiten“ rekrutiert wurden, erlebten eine wahre Flut missgelaunter Proteste, die immer nur eines zum Thema hatten: „Mussten solch unglaublich widerliche Lebewesen wirklich erschaffen werden?!“ Entkräftet konnten derartig fundamentale Fragen zum Sein natürlich nicht werden und sinnvoll beantwortet ebenfalls nicht. Man beschränkte sich deshalb vonseiten der Planungskommission darauf, auf die ursprünglich von „irgendwo“ in den freien Gedankenaustausch der Götter eingespeiste Fremdidee zu verweisen, die zu derart „komischen“ Versuchen geraten hatte.
Am „lustigsten“ von allen kuriosen Einrichtungen auf dem Planeten der nackten Affen erwies sich noch die der Prostitution – von den Menschenwesen „Käufliche Liebe“ genannt. Dabei ging es in Wahrheit weder um Fortpflanzung noch um die reine Sympathie, sondern lediglich um die Triebbefriedigung der, sich in einer Art Dauerbrunft befindlichen Menschenmännchen, die von „barmherzigen“ Frauen zur Selbstbereicherung ausgenutzt wurde … Man sollte jedoch auch hinzufügen, daß es für nicht wenige Menschenweibchen auch ums bloße Überleben ging.
Die Beobachtungsteams der Götter, welche mit der genauen Protokollierung menschlichen Verhaltens beauftragt waren, schauten immer wieder belustigt zu, wie sich die Erdbewohner dabei anstellten, miteinander ins Geschäft zu kommen. Allerdings betrachteten sie auch viele andere Verfahrensweisen der Menschen, die sich mit dem Handel realer, dinglicher Waren beschäftigten, nicht weniger belustigt. Von Anfang an machten sich Geiz und Gewinnsucht breit. Die Logik, was die Zukunft aller dabei betraf, blieb leider grundsätzlich außen vor!
„Wie soll sich denn, unter solchen Bedingungen, überhaupt Geist entwickeln?“, skandierten die meisten Götter, die ihre liebe Not damit hatten, wenigstens noch ein kleines bisschen Ordnung in den Entwicklungsablauf dieser aufrechtgehenden Raubtiere zu bringen. „Was soll denn geschehen, wenn die Städte größer werden und die Anzahl der Menschenwesen einmal unüberschaubar wird?", sagten sie – doch der Vordenker 1, VR-00-00-69, hatte auch darauf die passende Antwort: „Wir müssen einen 2. Zentralcomputer entwickeln, der sich ausschließlich mit dem Leben der Menschenwesen beschäftigt … er soll uns einen Mittelwert aus allen ihren Absichten und den seltsamen Wunschträumen dieser eigenartigen Spezies errechnen, aus dem wir dann ein fortlaufendes Zukunftsbild gestalten können: Ein künstliches Schicksal wird gebraucht!“
Das Echo darauf war absolutes Unverständnis bei sämtlichen Verantwortlichen. „Dir ist schon klar, daß dieses ‚Künstliche Schicksal‘ ebenso pervers aussehen muss wie die Charaktere derer, die es an der Nase herumführen soll?“ VR-00-00-69 konterte absolut kaltschnäuzig wie sinnvoll: „Klar muss es das! Und vor allem muss es auch noch für die größten Geister unter den Menschenwesen – die sicher noch kommen werden – unlogisch und unergründlich aussehen!“ Daraufhin warf man ihm vor, daß dies den Religionen auch noch ungeheuren Vorschub leisten und damit die Perversionen zusätzlich befeuern würde.
„Damit müssen sie eben irgendwann selbst fertig werden, das ist ihre Reifeprüfung!“, meinte der Vordenker – und an dieser Stelle pflichteten ihm die meisten Wissenschaftler sogar bei. Alle jedoch waren sichtlich beunruhigt über die tatsächlich nunmehr – besonders seit der Errichtung erster großer Tempel – rasant um sich greifenden Rituale, die sich natürlich zuerst nur deshalb so gut entwickeln konnten, weil sich die nackten Affen nach Erklärungen sehnten, die sie sich vorläufig noch nicht selbst geben konnten. Ein weites Feld für echte Schamanen und geschickte Scharlatane tat sich auf und verschluckte die, zunächst wohl durchaus sehr angebrachten Bemühungen aufkeimender Zivilisationen, um sie rückstandslos zu verdauen.
„Das wird noch sehr spannend werden“, lautete die Parole aus den höchsten Götterkreisen, wo sowohl die Neugierde wie auch die Abscheu vor dem neuen, künstlich erschaffenen Schöpfungszweig von Tag zu Tag wuchs. Und die Weltraumbahnhöfe auf dem Götterplaneten erlebten die größte Anzahl von Starts und Landungen, seit ihrem Bestehen. Plötzlich wollten alle mitarbeiten, mitbeobachten und den Nervenkitzel durch die unglaublich wahnwitzigen Taten der Menschenwesen erleben.
„Jetzt können wir es uns noch leisten, diese seltsamen Kreaturen zu besuchen, so oft wir wollen!“ verkündeten die „Reisebüros“. Später würde man die Erde nicht mehr einfach so aufsuchen können – besonders dann nicht, wenn die Menschen über ein gut ausgeprägtes Netz von Informationsgeräten verfügen würden. Aber ein wenig Vorsicht würde man schon walten lassen müssen: Die Götter erschienen auf Erden mit glänzenden Anzügen und mit Helmen auf dem Kopf, durch deren verspiegelte Visiere man ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Ihre Fähigkeit, Gedanken zu lesen und zu übertragen, versetzte sie zudem in die vorteilhafte Lage, nichts von sich preisgeben zu müssen.
„Es sollten dabei jedoch auch gewisse Aufgaben erfüllt werden“ ermahnte das Team um 77-OLKTG die Reisenden. „Alle sollen einen Beitrag leisten!“ Tausende Schiffe zogen aus dem Quadranten der Götter, durch den Überraum, los, um schließlich, mit Hilfe des „Anzapfgerätes“ im Zielgebiet „Milchstraße“ anzukommen, von dessen Rand aus sie sich auf das Sonnensystem zubewegten. Der Begriff „Milchstraße“ hatte sich auch bei den Göttern durchgesetzt, denn schließlich handelte es sich dabei um ein Sternenband, das, natürlich auch von Erdlingen entdeckt, nach dem wichtigsten Nahrungsmittel für Säugetiere, von ihnen benannt worden war: der Milch!
„Wir werden uns nach Kräften bemühen“, versprachen die Raumfahrer vor dem Start – und sie meinten es auch so. Nach bestem Wissen und Gewissen wollten sie vorgehen und notfalls auch versuchen die Menschenwesen zu belehren, damit in Erfahrung gebracht werden könne, was Bildung auszurichten imstande war …
Kommentare
Bertha Krause war entsetzt,
Da sie Milch ja gar nicht schätzt ...
LG Axel
das kann ich wirklich gut verstehen -
ich kann die Milch auch nicht mehr sehen...
:-))
LG Alf
Da waren sie wohl nur bei wenigen Exemplaren erfolgreich ...
genau...