Aushilfspflegekraft

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von Daniel G. Spieker

„Wie alt ist er? Also muss ich mir Sorgen machen?“ „Ja – er ist noch aus der Zeit.“ „In Ordnung – wie soll ich damit umgehen?“ "Sei einfach vorsichtig, ich habe aber alles vorbereitet“, sagte Simon und drückte mir dann den Schlüssel in die Hand. Er erklärte mir, dass der Mann erst am nächsten Abend wieder eine Dosis brauchen würde. Er stellte mich Herrn Godhot vor und verließ dann recht schnell das Haus. Der alte Mann legte sich kurz darauf auch schlafen.
In der Regel arbeitete ich nicht in der Privatpflege, aber Simon hatte mich um den Gefallen gebeten und die Bezahlung war abnorm. Er fuhr zu seiner Mutter, die, wie er mir erzählt hatte, zum dritten Mal dieses Jahr überzeugt war im Sterben zu liegen.
Ich wanderte in der Nacht ein wenig im Haus umher, weil ich einfach keinen Schlaf finden konnte. Alles versprühte den verblichenen Glanz von altem Geld. Fotos von einer Familie, die wahrscheinlich nicht mehr existierte.
Irgendwann wurde ich endlich müde und dann legte ich mich in ein kleines Bett, welches in einem separaten Zimmer stand. Privatpflege war vielleicht doch nicht so schlecht, dachte ich bevor ich einschlief.
Am nächsten Tag gab ich ihm morgens die erste Ladung Tabletten und fuhr mit ihm raus in den Park. Er konnte in der Wohnung selbst noch laufen, aber zur Sicherheit nutzte er meistens den Rollstuhl. Er erzählte mir Geschichten von früher, aber nichts was mich wirklich interessierte. Wir aßen schließlich zu Mittag und dann parkte ich ihn vor dem Fernseher, bis es Schlafenszeit wurde. Am Abend stellte ich ihm die Medikamente hin und verließ den Raum, nachdem ich ihm eine gute Nacht gewünscht hatte.
Ich legte mich bald darauf ins Bett und schlief auch recht zügig ein.

Ich wachte schweißgebadet auf, als ich Schreie hörte. Der alte Mann stand vor meinem Bett und sah total entsetzt aus. Als ich mich erhob und ihn beruhigen wollte, klappte er zusammen mit weit aufgerissenen Augen. Fuck, fuck, fuck. Mein Puls schnellte in die Höhe. Was war passiert? Ich lief zu ihm und versuchte erste Hilfe zu leisten, aber der Mann war tot, daran war nichts zu machen. In seinem Schlafzimmer wurde mir klar, was los war. Er hatte die Tabletten nicht genommen. Ich hätte es mehr kontrollieren müssen. Vor meinem inneren Auge zerbrach meine Zukunft.
Mit meinen Klauen tippte ich panisch die Nummer von Simon in mein Smarterphone.

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