77. Schritt
Insofern und insonah ist alles wirklich ganz egal, obwohl dies zu denken höchst gefährlich scheint. Uralte Kulturnationen haben eindrucksvoll bewiesen, wie geschickt man doch kurz-, mittel- und langfristig nichts erreichen kann, wenn man sich aus allem heraushält, sich in alles einmischt, oder aber behauptet von nichts, oder alles besser zu wissen. Wir dürfen also zufrieden sein. Wir sind vergleichsweise gut weggekommen. Das denken wir jedenfalls am liebsten. Es sieht doch, wenigstens für den einzelnen, so aus als könne einem nichts weiter groß passieren, weil in letzter Zeit ja scheinbar nichts groß passiert ist. Aber was ist mit übermorgen? Das soll uns heute wohl nicht jucken?
Man könnte, wird, sollte bloß nicht alles den „Fachleuten“ überlassen. Ihr Gehalt ist auch nur dann gerechtfertigt, wenn sie vor dessen Einstreichen das Gewissen befragt haben. Immerhin wird das Gewissen von Großkonzernen geliefert – es sieht sich am Fließband produziert, von Bohrtürmen gefördert, von Banken verspekuliert, oder in Umfragen abgewählt. Das macht aber nichts, weil niemand „etwas macht“! „Stimmung machen“, heißt die Devise, denn von Stimmungen ist, seit den Tagen der antiken Götter alles abhängig. Dabei dürfen auch nach Herzenslust Wunder vollbracht werden.
Diese Methode ist sinnig und kann für allerlei Ausreden herangezogen werden. Obwohl sie nicht ganz unberechtigt ist, verweist sie immerhin auf eine unangenehme Tatsache – auf den Spruch: „Man kann mit mir anstellen was man will, ich stelle alles an was verlangt wird, solange man mich nicht ausstellt“! Das ist zumindest der Regelfall. Ich persönlich finde ja, daß für die Hässlichkeit dieser Einstellung die Landschaft einfach zu schön ist. Wo? Überall! Die Erde hat sich große Mühe gegeben, könnte man sagen, sie überrascht uns mit atemberaubenden Anblicken – und dann das! Wo man hinschaut diese buckligen Wesen (geistig gesehen).
Was fällt denen eigentlich ein?! Nichts! Oder doch: Hochhäuser beim Anblick von Graslandschaften, Plantagen unterschiedlichster Art beim Anblick von Regenwäldern, schiffbare Kanäle im Angesicht mäandrischer Flussläufe. Was sonst?! Und vor allem natürlich: Geld! So sind sie getrimmt, diese Banauffen (Mischung aus Affe und Banause), was anderes fällt ihnen gar nicht ein – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Und zu den Ausnahmefällen zähle ich auf keinen Fall diese Extremsportler, die z.B. eine Eiger Nordwand unbedingt mit dem Mountain-Bike herunterfahren müssen. Kommt es wirklich nur auf den Kick und auf die vielgepriesene Sachlichkeit an? Wer oder was ist wann oder warum „sachlich“?
Unbesehen verbaut und zweckentfremdet wird alles, was sich nicht wehren kann. Wir müssen halt darauf achten, daß die Gewinne steigen! In jeder Hinsicht! Betrachtung ist Nebensache – wenn überhaupt vorkommend. Unbetrachtet verschwängert wird die Schönheit der Frauen – weil es ihnen selbst nicht drauf an kommt ihrem Wert entsprechend gewürdigt zu werden (und wenn, dann wissen sie selbst nicht ob das jetzt überflüssig war oder nicht)? Auf keinen Fall über Gebühr unanständig werden!
Die Berechenbarkeit ist „anständig“. Sie fügt sich problemlos in den Vorgang „Berechnung“ ein, der wiederum auch Ausdruck der sinnverströmenden Triebbefriedigung sein soll? Triebbefriedigung, im Prinzip ja – aber wenn, dann nur mit Berechnung? Der Mensch möchte praktisch-vereinfachen – die Natur möchte Erlebnismöglichkeiten kreieren, durch die ein begabtes Wesen zur Höchstform auflaufen kann. Ist das Irrsinn, wo doch alles so einfach zu sein hätte? Der Plan ist doch klar: aus Berechnung lügen und betrügen zum Glücklichwerden, dann absichern, solange es geht – bis die aufoktroyierten Pflichten erfüllt, das Haus gebaut, der Baum gefällt und die Kinder aus dem Haus sind?
Danach kann die Weisheit beginnen, der Erzeuger sterben, das Haus renoviert werden, die Enkel sich bereitgestellt finden. Dann ist überhaupt alles bestellt. Die Felder glänzen im Sonnenlicht? Das Dach ist dicht? Der Wagen steht frisch geputzt in der Garage? Der Platz im Altenheim ist gebucht? Der Platz auf dem Friedhof ist besichtigt? Was danach kommt, außer der Sintflut, ist absehbar… Der Tod hat bereits sehr früh alles für sich eingenommen! Niemand hat wirklich gelebt, denn darauf kam es gar nicht an, denn die Leibeigenen haben malocht und die Feudalherren die Contenance bewahrt. Beides war völlig umsonst! Das Leben ging, über ihre Leichen hinweg, seinen Weg des ausgemachten Wahnsinns, der sämtlichen Planungen wirkungsvoll widerspricht!
©Alf Glocker