Die treue Mitarbeiterin

Bild von Anita Zöhrer
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Jahrelang hatte sie in derselben Firma gearbeitet und stets treu ihre Dienste geleistet. Den Arbeiterinnen und Arbeitern hatte sie Freude bereitet und ebenso Enttäuschung. Mal zu schnell, mal zu langsam, aber meist im richtigen Tempo war sie unterwegs gewesen. Nie hatte sie dafür Anerkennung erhalten – nie welche dafür verlangt. Gerne hätte sie sich nach den Wünschen der Belegschaft gerichtet, doch sie war nicht Herrin, sondern nur Untergebene. Selbst wenn sie sich dazu hinreißen hätte lassen, hätte sie an der Realität nichts verändern können. Lediglich für Aufruhr hätte sie mit ihrer Schlampigkeit gesorgt.

Zwar verließen sich die Arbeiterinnen und Arbeiter über all die Zeit auf ihre Genauigkeit, dennoch wussten sie sie erst zu schätzen, als sie eines Tages ihre Funktion unerwartet niederlegte. Ihr Bestes hatte sie gegeben, ihr Leben einzig ihrer Arbeit gewidmet. Doch nun konnte sie nicht mehr – ausgelaugt war sie, zu keiner Bewegung mehr fähig. Anstatt ihr noch einen letzten Respekt und Dankbarkeit entgegenzubringen, verfluchte die Belegschaft sie und ärgerte sich über ihren Ausfall. Dass sie sie mit ihrem rüden Verhalten verletzten, konnte die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht ahnen. Sie war ja kein Mensch wie sie; nur ein seelenloses Ding – die Uhr an der Außenwand der Firma. Jetzt, wo sie kaputt war, nutzlos und zu nichts mehr zu gebrauchen.

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Kommentare

17. Apr 2021

Toll geschrieben ! Andererseits: Ohne Kommunikation ist alles NICHTS ! Haben wir in der Schule das SPRECHEN verlernt, weil wir es am Arbeitsplatz nicht anwenden ? Gemeckert wird immer. Heute und morgen. Schuldig sind immer die ANDEREN ! Mancher Firmenchef möchte in seiner Firma eine Art Funktions-Diktatur errichten. Das Gesetz verbietet seine Wünsche und und und
HG Olaf Lüken