Daystop Dansville

Bild von Klaas Klaasen
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... und als die Hand Gottes vom Himmel fiel ... da wurde es Nacht, und der Tag war für immer verschwunden. Aber wir hatten noch den Mond, der uns ein spärliches Licht spendete. Ein fahles Licht zwar, aber besser als ewige Sternennacht. Die Menschen besannen sich auf das „Wieso und Warum“. Und darauf, wie sie ihre Einstellung zum Leben ändern könnten. Der Ansatz war gut. Leider blieb es dabei. Nachdem sie feststellten, dass sie auch in der Dunkelheit existieren konnten, waren alle ihre guten Absichten, dem Leben einen Sinn zu geben, wieder dahin. Sie züchteten in Glaskuppeln, so groß wie ein Dorf, Gemüse und alles, was man zum Überleben braucht. Sie dachten, das würde reichen. Die Hand, die vom Himmel gefallen war, hatten sie vergessen. Die lag noch immer offen, ausgestreckt auf dem Highway und war für einige Touristen die Attraktion. Hennig hatte davon gehört und machte sich auf den Weg. Ein alter Chrysler war alles, was er besaß. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, dem Rätsel mit der Hand auf die Spur zu kommen. Er war davon besessen, der Auserwählte zu sein, der die Welt vor dem Untergang retten könnte. Er glaubte in der Nacht zuvor eine Stimme gehört zu haben, die ihm sagte: „Hennig, baue ein Raumschiff in der Größe eines Blauwals: 34 Meter lang, 12 Meter hoch. Wenn du mit dem Bau fertig bist - denke dabei an R.W. Bussards Theorie (Ramscoop) - suche 7 Frauen und 7 Männer aus. Nimm Proviant an Bord für 24.220 mittlere Sonnentage und folge dem Zeichen der Milchstraße. Du wirst dann dem Planet Onyx begegnen. Dort sollst du landen. Und stelle keine Fragen.“ Während der Fahrt ging Henning diese Aufforderung immer wieder durch den Kopf. Auch dachte er: "Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein. Vielleicht habe ich die Stimme nur geträumt und es ist nur ein schlechter Witz?" Es war kalt, sehr kalt. Ein Schneesturm hatte sich seinen Weg gebahnt, und Hennig hielt vor der nächsten Raststätte an. Darin saßen lediglich zwei Frauen und drei Männer. Es war nicht viel los. Country Musik von Pasty Cline ”I fall To Pieces” schruppte wie ein alter Mop durch den sonst leeren Raum. Die Gesichter, deren Augen Hennig folgten, glichen Wachsgebilden, und man hätte sich vorstellen können, wie es wäre, stünden sie in Flammen. „Ihr Kopf brennt,” sagte Hennig zu der Frau an der Bar. „Meinen sie mich?” fragte sie und strich sich händerüttelnd übers Haar. „War bloß ein Scherz,“ grinste Hennig und suchte sich einen Platz an der Bar. „Affe,” sagte sie mundwinkelabwärts, stand auf und ging hüftschwenkend zur Musikbox. „Wir sind alle tot!” sagte Hennig herausfordernd und schaute dabei in jedes einzelne der ihn umgebenden Gesichter. „Bist´n Spinner,” gab ein Kerl zurück, der einsam am Tisch, nur vereint mit einer Flasche Whisky, saß. Ein andere Gast erhob sich, ging zu Hennig, blieb vor ihm stehen und forderte: „Du bist ruhig. Ist das klar, Stinker? Jemand wie du hat uns gerade noch gefehlt. Wir mögen hier keine Stadtmenschen. Also - setz dich oder verschwinde. Wenn du aber hier bleibst, dann möchte ich keinen Mucks mehr von dir hören. Capito?” „Lass den Alten in Ruhe. Den hat bloß der Wind zu uns geweht. Der hat seine besten Tage längst hinter sich,” meinte eine Frau, die am letzten Tisch saß und Karten legte. Da meldete sich John, der dritte Gast. Er ging auf das Fenster zu, schaute ins Dunkel hinaus und sagte: „Welch Sturm! Welch furchtbarer Sturm. Er wird die Baracke hier auf und davon blasen.” Die Frau, die ihren Platz an der Bar mit dem vor der Musikbox gewechselt hatte, drückte nun auf ein Lied aus den Fünfzigern. Dann röhrte Buddy Holly Heartbeat durch den Raum, und die sitzende Whiskyflasche am Tisch stand auf, um sich die Kleine an der Musikbox zum Tanz zu schnappen, egal - ob sie wollte oder nicht. Die Kartenlegerin sah Hennig an. „Kommen Sie doch hier rüber zu mir. Ich kann Gesellschaft brauchen. Die Zeiten sind heutzutage schlecht für eine wie mich. Sah schon mal besser aus.” Hennig stand vom Barhocker auf und stakste zur Kartenlegerin. „Sie wollen mir die Karten legen? Bitte. Ich möchte wissen, ob ich verrückt bin. Höre Stimmen, die mir sagen: "Hennig, baue ein Raumschiff in der Größe eines Blauwals: 34 Meter lang, 12 Meter hoch. Wenn du mit dem Bau fertig bist - denke dabei an R.W. Bussards Theorie (Ramscoop) - suche 7 Frauen und 7 Männer. Nimm Proviant an Bord für 24.220 mittlere Sonnentage und folge dem Zeichen der Milchstraße. Du wirst dann dem Planet Onyx begegnen. Dort sollst du landen. Und stelle keine Fragen." Alle im Raum hatten ihn gehört und drehten sich Hennig zu, neben dem die Kartenlegerin nach der ersten Kartenaufschlagung, den Mund nicht mehr schließen konnte. Was sie sah, waren tote Körper, viele tote Körper, und einer dieser toten Körper war - der ihre. „Was ist? Was zeigt sich Ihnen?” wollte Hennig von der, wie aus dem Grabe Erstandenen, kreidebleich gewordenen Kartenlegerin wissen. Die Frau rang nach Atem und keuchte:„Nichts habe ich gesehen, rein gar nichts!” „Aber Sie sind ja weiß wie ein Leichentuch. Sie können mir nicht so leicht etwas vormachen. Bitte, sagen sie mir, was sich Ihnen durch das Bild der Karten zeigt.” „Sind Sie taub? Ich sagte es bereits: Nichts ist zu sehen!” Hennig stand auf. Er ging zum Fenster hinüber, drehte den Kopf zu den erbleichten, ihm zugewandten Gesichtern und sagte: „Ihr glaubt, ich sei verrückt. Falsch! Ich bin es nicht! Ich wurde nur auserwählt und erhielt eine Botschaft. Die Welt wird untergehen wenn ich die mir gegebenen Anweisungen nicht befolge. Sie wird untergehen und alle Menschen mit ihr!” Einer kickste, es klang wie unterdrücktes Lachen, und sofort brach der Sturm los. Es war ein homerisches Gelächter, das folgte. Nur beinhaltete es kaum Heiterkeit. Es versteckte sich Angst darin. Nach und nach ebbte es ab, und alle im Raum verstummten. Stille, bebende Stille herrschte. Zudem gingen die Lichter aus. Auch draußen auf dem Parkplatz vor der Gaststätte war es nun stockfinster geworden.

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