Die Börse nach jeder Tagesschau … als ob diese Kurve das Wichtigste überhaupt wäre; dabei liegen die Aktien zum größten Teil in der Hand der Sowiesoreichen; fragen könnte man auch danach, warum Normalverdienende die Mieten in den großen Städten nicht mehr bezahlen können; unbeantwortet bleiben die meisten der Fragen, die wir uns stellen sollten, vor allem die Frage aller Fragen überhaupt - wie lange noch existiert Leben auf unserer Erde und was können wir tun, um den Untergang aufzuhalten; es stirbt nicht nur der Baum im eignen Garten; auch der Wald meiner Kindheit nur zum Beispiel sieht aus wie ein Schlachtfeld; ich sehe kein Schmetterlinge mehr flattern, weil unsere Gärten ihnen keine Lebensbasis bieten, kein Igel besucht mich im Spätherbst, um im alten Schuppen zu überwintern, auch das Vogelgezwitscher in den Büschen am Feldrand ist so viel leiser geworden, und eine Stubenfliege hat mich schon lange nicht mehr belästigt; welche Schuld laden wir auf uns, weil wir nicht fähig und willens sind, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, „carpe diem, es wird schon nicht so schlimm kommen, wie seit langem prophezeit, und wir haben doch auch nur dieses eine so endliche Leben – und selbst so viel Schrott geerbt von denen, die vor uns waren“ … mich tröstet das nicht; im Jemen, in diesem vergessenen Krieg, in dem auf allen Seiten mit Waffen made in Germany gekämpft, über den so selten berichtet wird, droht 35 Millionen Menschen der Hungertod; trotz der dramatischen humanitären Lage muss das Welternährungsprogramm WFP der Vereinten Nationen seine Hilfe für das Bürgerkriegsland aus Geldmangel drastisch kürzen – die Mitgliedsländer haben zu wenig gespendet; welche Schande; und dann Corona; wir sind total und zu Recht besorgt über unsere Gesundheit, richten unser Leben nach der Seuche aus, beklagen unsere Nöte, die Einsamkeit, den Jobverlust, die befürchteten Pleitewellen, die vorgestellten psychischen Folgen durch die Vereinzelung, die beschädigte Kindheit und Jugend, die vielen Todesfälle; mit Hoffnung im Gepäck behaupte ich, diese weltweite Krise wird überwunden werden, aber mit den Virusmutationen werden wir leben müssen; was ist das schon im Vergleich zur Klimakatastrophe; und man darf sich fragen, was wir aus dieser Zeit der Einschränkung lernen; werden wir wieder wie vorher die Weltmeere mit den Umweltdreckschleudern Riesenkreuzschiff befahren, viermal jährlich in ferne Urlaubsziele fliegen, Ärztekongresse in den Luxushotels ferner Länder abhalten, so dass die Luftverschmutzung schnell wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht; oder sollte man hoffen, die Menschheit hat endlich begriffen, dass die Weltuhr die Mitternacht längst überschritten hat? Übrigens, was Resilienz in Krisenzeiten betrifft, da könnte man die Alten dieses Landes befragen, die den zweiten Weltkrieg überlebt und danach gesagt haben, nie wieder Aufrüstung, nie wieder Krieg, die wirklich erfahren sind in der Bewältigung gefährlicher Situationen und deshalb auch mit Corona relativ gelassen umzugehen wissen? Es kreuzt noch viel mehr in meinem alten aber noch taufrischen spätnachmittäglichen Kopf, doch ich lasse es nicht raus; ist schon so oft darüber und über noch viel mehr und vor allem besser und umfassender und weniger laienhaft geschrieben worden, das weiß ich doch; aber man sollte es immerzu wiederholen, denn die Großbrände dieser Welt drohen, außer Kontrolle zu geraten …
Spätnachmittägliche Kreuzundquergedanken
von Marie Mehrfeld
Prosa in Kategorie:
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