Blaue Steine
Blumen des Himmels
im Pflanzenkleid der Erde
Blaue Achate zeichnen Geschichten
spielen mit blaufarbnen Tönen
zum heilen malen und fröhlich sein
Almadin Amethyst und Aquamarin
blauer Saphir, Zirkon und Topas blau
Chalzedon schimmernd mit Heliotrop
Lapislazuli, Labrador und Opal
Turmalin sendet von all seinen Farben
das Blaulicht für die blaue Stunde
den labyrinthenen Steinkreis zu schließen:
Blaues Lapidarium in der Sphäre
des Blauen Planeten
- I. Bott
Das Rätselraten um die Blaue Blume der Romantik und welche Gattung denn nun das Vorbild gewesen sein soll, könnte mit einem Dichterwort erklärt werden (auch wenn man es nicht wahrhaben will). Novalis nannte als Inspirationsquelle den Heliotrop (die Inder nennen diese Pflanze Sonnenanbeter), der jedoch mehr in tropischen Gefilden - wo nicht wirklich blau, da nämlich violett - gefunden werden wird. Jetzt wird das manch einen schröcklich verwirren, dabei hat das Violett des Sonnenwenders etwas mit der komplementären Wahrnehmung zu tun. Unser Auge hat nämlich die Tendenz zur Kontraststeigerung bei Komplementärfarben. Im Allgemeinen spricht man hier von einem Nachbild, das entsteht, nachdem man (hier am Beispiel Blau) eine gewisse Zeit damit zubringt, Gelb anzustarren, und dann die Augen schliesst. Was wir als Komplementärfarbe erkennen, ist violett, obwohl es laut Farbkreis blau sein müsste. Das kommt der Romantischen Auffassung des Mysteriösen recht nahe, weiss man doch, dass Farben weniger ein physikalisches denn ein psychologisches Phänomen sind.
Natürlich kannte Novalis als Salinenmeister auch den Heliotrop unter den Edelsteinen, der Blutjaspis genannt wird. Diese ist nun weder blau noch violett, sondern rot, zumindest eine Art von.
Eine andere Metapher möchte ich anbringen. Heinrich von Ofterdingen setzt in die im Traum geschaute Blume sein Liebchen Mathilde, zumindest hat im Blumenkelch ihr Antlitz platz, für das ganze Mädchen reicht es nicht. Die meisten Pflanzen sind ihrer Natur nach "Sonnenwender" also Heliotrop, recken sich zum Licht (in der Dichtung spricht man in so einem Fall davon, dass der Leib das Auge aufschlägt wie die Pflanze ihre Knospe). Heinrich erblickt Mathilde im Kelch der Blauen Blume. Das ganze Erlebnis in der Höhle (da tut sich ja auch noch ein ganzer Schwarm liebreizender Mädchen an ihm gütlich) ist die Feinjustierung der Sinne, die für das Werden des Dichters eine entscheidende Rolle spielt.
Im Uhrenträger schrieb ich der Blauen Blume die Wegwarte zu, das hatte aber taktische Gründe, weil ich, um das entsprechende Märchen anzubringen, kaum auf die Vanille zurückgreifen kann (der blaue Heliotrop ist nichts anderes). Ritter und Vanille, das ging mir irgendwie nicht.
Novalis übernahm aus Goethes Morphologie (als Erkenntnisform)
»von den ersten physischen und chemischen Elementen an bis zur geistigsten Äußerung der Menschen« auch dessen Farbenlehre, die unter anderem eben jenes Phänomen der Komplementärfareben beschreibt.
Blau ist eine Farbe, die uns dabei hilft, ausserhalb des vorgegebenen Rahmens zu denken. Es ist die Farbe des Ideals, der Sicherheit und der Treue zu einer Idee.