Der Rhytmus der Schreibmaschine ist durch nichts zu ersetzen.
Das schöne Klischee (und gleichzeitig der Mythos) : Der Autor beugt sich über die Maschine, daneben der überfüllte Aschenbecher. Das Stakkato der angeschlagenen Typen erfüllt den Raum. Ein Korb mit zerknülltem Papier (manche Bällchen daneben, auf dem Boden) fehlt nicht.
Der heutige Betrieb fordert geschwätzige Schnellschrift - und bekommt sie auch; doch das Schreibzeug arbeitet an unseren Gedanken mit ! - bescheinigte einer unserer Lieblings-Irren Friedrich Nietzsche (der sich an einer Mallig Hansen probierte, einer der ersten in Serie produzierten Maschinen der Welt). Daß jedoch jeder Dichter auf den Computer umgestiegen sei, ist ein Gerücht. Ganz im Gegenteil liegt der Prozentsatz jener, die das Kultobjekt Schreibmaschine nicht aufgeben (oder sogar zu ihr zurückkehren, wie nun einmal ich) bei geschätzten 30% der gedruckten Berufsgenossen. Dabei wird von vielen der angebliche Vorteil des Computers - das Kopieren und Verschieben, das bequeme Bearbeiten des Textes - als Nachteil betrachtet.
Mit Technologiefeindlichkeit hat das aber nichts zu tun, denn bis auf wenige Ausnahmen dürften sich alle mal an Textverarbeitungsprogramme gesetzt haben. Ich erinnere mich daran, dass ich 1991 nur den 386er im Kopf hatte (ein Fossil, das heute kaum noch jemand kennt), und dass mich das "Word Perfect" ungemein faszinierte. Zwar schreibe ich immer noch die Erstfassungen mit der Hand - davon werde ich auch niemals abweichen, und gebe zu, dass es eine ungeheuere Erleichterung ist, die Manuskripte, die bei mir mittlerweile in die Hunderte gehen, abgespeichert zu wissen -, aber der Prozess des Schreibens selbst ist mir wichtiger als seine industrielle Herstellung. Ich glaube nicht zuletzt, dass dieses ganze Gewäsch unterirdischer Schreiberlinge auf den Computer zurückzuführen ist. Wo ein Text keine Arbeit mehr macht, wird nichts Gutes entstehen können. So hat sich der Betrieb auch der Computerliteratur angepasst und bleibt in erschreckender Masse unteres Mittelmaß.
Dabei ist durchaus auch eingetreten, was Alfred Polgar 1922 sagte:
"Für die Literatur als Kunst wird die Schreibmaschine freilich erst dann was Rechtes bedeuten, bis ihre wunderbaren Kräfte ungeschwächt durch das trübe Medium des angehängten Schriftstellers zur Auswirkung kommen werden. Die Entwicklung muß hier, wie bei jeder Maschine, dahin streben, die notwendige menschliche Mitarbeit immer mehr und mehr einzuschränken. Der Tag, an dem es gelungen sein wird, den Schriftsteller ganz auszuschalten und die Schreibmaschine unmittelbar in Tätigkeit zu setzen, wird das große Zeitalter neuer Dichtkunst einleiten."
Schreibmaschinen als sprechende Agenten : Ein berühmtes Buch, aus dem David Cronenberg einen nicht weniger berühmten Film machte, ist "Naked Lunch" von William S. Burroughs; mit folgender Kritik konfrontiert, die allein schon dazu auffordert, zu lesen und zu sehen :
"Ein widerlicher Gifthauch ununterbrochener Perversion, literarischer Abschaum."