Ein Sternlein stand allein
am Himmelszelt und glühte.
Die Nacht war schwarz,
die Nacht war lang -
so sehr es sich auch mühte
um etwas Licht auf Erden:
Es war zu schwer und wollte
keinen Deut heller werden.
Der alte Mond um ein Uhr elf
erwachte aus dem Schlummer,
wollt wissen: „Was ist los, mein Lieb,
wie heißt dein kleiner Kummer?
Bist du heut Nacht allein?“ -
„Ach, guter Mond“, seufzte der Stern,
„hilf mir mit deinem Schein,
lass es ein wenig heller auf Erden sein.
Im Wasser, in der Elbe,
da treibt ein Flüchtlingskind.
Ich möcht' so gern, dass einer
den kleinen Buben find'.“
Der Mond blies seine Backen
und wurde rund und voll.
Ein kleiner Wind erwachte
und stob hinab wie toll,
stieß Wellen und den Buben
bis an den dunklen Strand ...
der Mond schien hell und heller,
die Nacht verschwand im Keller,
den Bub ein Fischer fand.
Das Sternlein ließ sich fallen
vorm Hospital der Stadt,
wohin der gute Fischer
den kleinen Bub gebracht.
Dort schlüpfte es durchs Fenster,
das weit geöffnet stand:
Der Kleine lag im Bettchen -
mit dem Gesicht zur Wand.
Bevor 's zersprang, hat' s Sternlein
gestrahlt mit letzter Kraft.
Es hat gereicht, es war genug:
Der Bub hat es geschafft. -
Ihr fragt, weshalb in Nächten
der Mond nur halb erscheint? -
Dann hat der liebe Gauner
vor Gram sich schlankgeweint.
heute in der Früh, am 01. Juli 2016, geschrieben
Kommentare
Ein berührendes Gedicht, es passt in unsere Zeit. Schulkinder sollten es lesen.
Liebe Grüße, Marie
Danke, Marie für deine lieben Worte,
hab meine Hand schon fast am Griff der Pforte.
LG Annelie
Genau wie Marie, dachte ich an Grundschulkinder, die das lesen sollten. Das ist so anrührend geschrieben, so voller Romantik und Zuneigung, dass dieses schwierige Thema auch Kindern zugänglich gemacht werden kann. Wahrscheinlich sogar Kindergartenkindern im letzten Jahr.
LG Monika
Danke, liebe Monika, für deinen freundlichen Kommentar. Möglicherweise lesen dieses Gedicht ja Eltern, die es an ihre Kinder weitergeben.
Ein wunderschönes Wochenende dir und Nube,
Annelie
Kinder lieben Geschichten, Gedichte.. frei erfundene Erzählungen. Sind leidenschaftliche Zuhörer. Und schön fand ich bei meinen Kindern wenn sie mit Fragen(auch dazwischen) kamen. Deinem Gedicht, liebe Annelie, hätte ich bestimmt aufmerksam zugehört.
Liebe Grüße in Deinen Abend
Soléa
Danke, liebe Soléa, ich habe es mir soeben bildlich vorgestellt: dich als kleines Mädchen und mich als Uroma, an deinem Bettchen sitzend, und ich lese und lese und lese: Sternthaler, Storms Kleinen Häwelmann, Aschenbrödel - bis zu zufrieden und butterweich einschläfst.
Liebe Grüße,
Annelie
Das werde ich gleich tun, liebe Annelie. Butterweich einschlafen und hoffentlich was süßes Träumen und das wünsche ich Dir auch!
Liebe Grüße und gute Nacht
Soléa