Gedanken zum Weihnachtsfest

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von Annelie Kelch

Wohlwollen und Liebe kommen ohne jede Verpackung aus und kosten keinen Cent. Sie sind die kostbarsten Geschenke zu Weihnachten.

Ich begegne jedem Menschen, der mir nicht dumm kommt, auf gleicher Ebene. Hochmut ist mir vollkommen fremd. Mein Wohlwollen ist nie herablassend. Ich mag kein Wohlwollen, das herablassend ist. Es kommt nicht von Herzen und verletzt sensible Menschen. Kein Mensch auf der Welt hat Grund, herablassend zu anderen zu sein.
Wie sollte man auch leben – mit solch einem Dünkel?!
Sofern ich könnte, würde ich für jeden Menschen die Sterne vom Himmel pflücken, damit er glücklich ist.
Glückliche Menschen sind friedliche Menschen. Ich mag friedliche Menschen.

Geld und Besitz waren noch nie ein Maßstab für mich. Ich besaß einmal sehr viel Geld, und ich besaß einmal viel mehr Dinge, als ich jemals hätte brauchen können – aber ich war deshalb nicht glücklicher als heute.

Man sollte sich auch nicht darauf verlassen, von anderen Menschen glücklich gemacht zu werden. Wer nicht allein zufrieden und glücklich ist, wird es selten zu zweit, was jedoch nicht heißen soll, dass man nicht versuchen sollte, andere Menschen glücklich zu machen. Ich mache gern liebe Menschen glücklich.

Aber den meisten Leuten ist das dreizehnte Monatsgehalt zu Weihnachten wichtiger als Nächstenliebe. Und die vielen Sehnsüchte vor dem Fest! Was erwartet man nicht alles von drei Tagen Zeit … indes: Je mehr wir von dieser gnadenreichen Zeit erwarten, desto größer wird hernach unsere Enttäuschung sein.

Ist das ein Wunder? – Nein!

Anstatt uns an Weihnachten damit zu beschäftigen, wie wir mehr Liebe und Frieden in die Welt bringen könnten, schimpfen wir über die Gans, die nicht durchgebraten ist, über Weihnachtsplätzchen, die verbrannt sind, über den Wein, der ein Fehlkauf war. Viele Menschen essen, bis der Arzt kommen muss. Was schaufeln sich manche binnen drei Tagen nicht alles in die Mägen – und wundern sich hernach, dass die neuen Jeans nicht mehr passen.

Am Anfang meiner Ehe war das Weihnachtsfest für mich nur deshalb so schön, weil mein Mann mindestens drei Tage zu Hause war, von morgens bis abends. Ich konnte mal wieder ungestört lesen, während er und unser kleiner Sohn Christian vor dem Haus Schneemänner bauten, Schlitten fuhren oder mit Legos ganz tolle Sachen schufen. Aber es war auch schön, die Eltern mal zu Hause zu haben oder mit dem Auto die weite Fahrt nach dorthin durch Eis und Schnee zu wagen. Weihnachten war einfach herrlich – trotz des unvermeidlichen Kaufzwangs.

Mehr und mehr feiern wir dieses Fest nicht wie gläubige Christen, sondern wie Kaufsüchtige, die sich die Freude an der Geburt Christi „etwas kosten lassen", weil anderenfalls keine Freude aufkommen will. Das ist sehr schade.

Ich wage mal zu behaupten, dass Jesus, könnte er sehen, was aus unserem Weihnachtsfest hier auf Erden geworden ist, vom Glauben abfallen und der Welt für immer den Rücken kehren würde.

Dezember: Das Fest hat uns wieder – eisern im Griff. Die Geburt des Erlösers ist in den Hintergrund gerückt. Einen sehr kalten Winter werden wir wieder haben, insbesondere in unseren Herzen – und der nächste „TATORT“ kommt bestimmt, möglicherweise gar nach einem Gedicht von Peter Huchel:

Wie Wintergewitter ein rollender Hall,
Zerschossen die Lehmwand von Bethlehems Stall.

Es liegt Maria erschlagen vorm Tor,
Ihr blutig Haar an die Steine fror.

Drei Landser ziehen vermummt vorbei.
Nicht brennt ihr Ohr von des Kindes Schrei.

Im Beutel den letzten Sonnenblumenkern,
Sie suchen den Weg und sehn keinen Stern.

Aurum, thus, myrrham offerunt …
Um kahles Gehöft schleicht Krähe und Hund.

... quia natus est nobis Dominus.
Auf fahlem Gerippe glänzt Öl und Ruß.

Vor Stalingrad verweht die Chaussee.
Sie führt in die Totenkammer aus Schnee.

Amen!

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