und dennoch ein Wunder

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von Marie Mehrfeld

da kämpft man und müht sich und klettert, genießt und bangt Hände haltend
und meint, ein Ziel vor Augen zu haben und zu ahnen, was sich lieben heißt,

redet über Nichtigkeiten und weiß doch, dass das hoch explosive Innenleben
der rastlosen Seele Dynamit enthält und mit gewissen zündenden Gedanken

nicht in Berührung kommen sollte, und hofft unverdrossen weiter darauf, klug
zu werden, von wegen, denk’s nicht, setz auch nicht auf deine Erinnerung mit

ihren vergoldeten Dornen, Vergangenes ist unwiederbringlich, und du, auch du
stürzt immer wieder vom mühsam erklommenen Gipfel entzückten Erkennens

in die Fallgruben des Nichtfindens, in die Höllenqualen deiner alten Urängste
vorm Tod, in die einsamen verzweifelten Verstrickungen, rufst Mama und weißt

doch, auch sie war nur die Illusion vorübergehender Geborgenheit, denn die Zeit
steht nicht still, gegenüber tragen sie den Sarg heraus und links neben mir hör

ich das hungrige Nachtgebrüll eines Neugeborenen mit so winzigen Fingern, das
Leben ein Seiltanz über dem Abgrund und dennoch ein Wunder, ich balanciere

weiter auf dem schwankenden Grat, stets vom Absturz bedroht ins leere Nichts,
lächelnd dankend und so furchtlos wie möglich, so lange uns ein Morgen graut

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