Der wilde Herbst

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von Marie Mehrfeld

Der wilde Herbst hat sich nun eingenistet im grauen Gewand der Novemberwolkengebirge, unsere Wanderseelen wollen Ruhe finden, zünden Kerzen der Hoffnung an, rücken dicht aneinander und verschenken geborgte Umarmung mit bangem Herzen,

wispernd flüsternd halten wir uns, alle Gefühle der Lust schweigen, denn ihr freier Flug könnte Liebe auslöschen für immer, letzte Zugvögelscharen haben sich auf Reisen begeben in die Länder der starken Sonnen, der langen Tage,

auch sah ich im Dämmerlicht hoch oben am Himmel zwei Drachen fliegen, losgelöst von ihren Fesseln folgten sie froh den letzten Wildgänsen auf ihrem Flug in die Sehnsucht der großen Freiheit, die glitzernden Wiesen am Weiher

zeigen sich stolz im Schmuck des jungen Raureifes, es schlagen lauter die fernen Uhren, wir lauschen und wissen um die Unerbittlichkeit ihres dumpfen Klangs, die Rabenschwärze der Nacht fällt schwer wie ein Stein auf mich,

von heulenden Windböen geschüttelt peitscht der Regen meine hölzernen Fensterläden, sie scheppern und klagen und schlagen, der nun nackte Wald von Nebel umhüllt, die blütenblätterlosen Sonnenblumen in meinem Garten neigen ihre Häupter fröstelnd

sterbend in Demut, bereit Erde zu werden und in der Gewissheit, ein Teil zu sein des ewigen Ganzen, des unermüdlichen Laufs der Natur, über allem lastet das Summen des Vergehens und Sterbens, doch tief in allen lebendigen Wesen keimt die Gewissheit

des Auferstehens, immer wieder, der Kreis der unendlichen Zeit steht nicht still, mein Bett in der Nacht ein schwankendes Boot, trägt mich von Stürmen geschüttelt durch die Ungewissheit des kommenden Winters, meine Augen schließe ich sacht und

träume - vom Licht des frischen Grüns am Ende des von Tränen gewaschenen Tunnels meines langen Wegs, ich bete, ich weine, ich lebe, ich atme tief ein und schwebe dankend lächelnd in die goldene Gewissheit erneuter Geborgenheit.

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